„Das
Regiment 125 löste in der Nacht vom 19./20. Oktober das Regiment 139 in seinen
Stellungen bei Hallenes ab und stand am 20. Oktober folgendermaßen zum Angriff
bereit: III. Bataillon rechts, I. Bataillon links in den in der Nacht
eingenommenen Stellungen, 6. und 8. Kompagnie als Brigadereserve bei Le Riez,
5., 7. und M.G.-K. als Regimentsreserve in Hallenes.
Auf 9
Uhr vormittags war der Beginn des Angriffs festgesetzt. 9.30 Uhr vormittags
erreichten mit einer Linksschwenkung das III. und I. Bataillon die Bahnlinie
Escobecques–Erquinghem, rechts angelehnt an Füsiliere 122, links an Grenadiere
119. Den Anschluß in der Brigade hatte das III./125 mit Marschrichtung seines
rechten Flügels Château de Flandres–Le Maisnil. Die erste Bewegung nach der
Bahnlinie hatte sich glatt vollzogen, sie wurde durch die eigene Artillerie,
welche die englische kräftig anfaßte, sehr erleichtert. Am Bahndamm aber
erhielten die Kompagnien starkes Artilleriefeuer aus der rechten Flanke und von
Château de Flandres her, wo der Gegner Geschütze in die Infanterielinie
eingebaut hatte.
12.15
Uhr nachmittags wurde der Angriff fortgesetzt, mit dem III. Bataillon (Major
Melsheimer) auf Radinghem Südteil, mit dem I. Bataillon (Major Juncker) auf
Château de Flandres.
Vor dem
Flandernschloß lag ein stattlicher Park, der mit einer undurchschreitbaren und
undurchsichtbaren hohen Hecke umgeben war. Die Hecke umzog ein tiefer Graben.
Schloß und Park waren zu einer kleinen Festung ausgebaut, aus welcher
vorzüglich durchgebildete englische Söldner ihr wohlgezieltes Feuer auf die in
größeren und kleineren Abteilungen sprungweise vorgehenden Schützen abgaben. Es
ist für uns ein überaus mühsames und verlustreiches Vorarbeiten, es dauert
Stunden, bis wir an die Parkhecke herankommen, aber wir nehmen sie und dringen
durch das Parktor in Richtung auf das Schloß noch etwas weiter vor. Da schlägt
uns von neuem mörderisches Feuer entgegen, vom Feind ist nichts zu sehen, er hat
sich in einem etwa 50 m vor der Schloßfront angelegten Graben, hinter den hohen
Bäumen und im Buschwerk des großen Parkes, hinter verbarrikadierten
Schloßfenstern und Dachluken gut versteckt. Trotz aller Tapferkeit kommen weder
die Musketiere noch die links von ihnen vorgedrungenen Grenadiere weiter
vorwärts. Zurückgehen wäre sicherer Tod. Man gräbt sich ein und harrt aus, auf
Unterstützung hoffend. Der Führer der 2. Kompagnie, Hauptmann Frhr. von Houwald,
der Leutnant Rampacher (ein Verwandter des Oberst von Rampacher, Kommandeur des
Regiments 125 in den Jahren 1870/71) sind gefallen, der Führer der 1.
Kompagnie, Hauptmann d. R. Henning ist verwundet.
Die
Überreste der 8./119 unter ihrem Hauptmann Nagel sind am weitesten vorgekommen.
Da der Gegner Verstärkungen heranzieht, droht ihnen Vernichtung, die kleine
Schar kann leicht umzingelt und gefangen werden. Diese gefahrvolle Lage erkennt
der Feldwebel Proß der 1. Kompagnie, welcher der Kompagnie Nagel am nächsten
ist, faßt die ihrer Hauptleute beraubten Kompagnien (1. und 2.) unter seinem
Befehl zusammen und stürmt den Graben vorm Schloß. Die 4. Kompagnie schließt
sich an. Aus dem Schloß selbst will der Engländer immer noch nicht weichen.
Endlich naht von links die Unterstützung, die 2./119. Mit ihrer tatkräftigen
Hilfe und unter Einsatz der als Reserve zurückgehaltenen 3. Kompagnie auf dem
rechten Flügel gelingt es, das Schloß schließlich zu Fall zu bringen. 7 Uhr
abends waren die hartnäckigen Verteidiger vertrieben und trotz starker Granat-
und Schrapnellbeschießung blieben Schloß und Park fest in unserer Hand.
Den
Hauptmann Süskind, Chef der 3. Kompagnie, erreichte nach der Erstürmung noch
ein feindliches Geschoß, als er die im Schloß erbeuteten Maschinengewehre in
Augenschein nahm. Leutnant d. R. Theurer erlag am 30. Oktober seinen vor
Château de Flandres erhaltenen Wunden. ( … ). Das III. Bataillon gelangte in
seinem Angriff bis 4 Uhr nachmittags etwa 400 m über die Bahnlinie, erhielt
dann aber so heftiges Artillerie- und auch Infanteriefeuer aus der rechten
Flanke, daß es nicht weiter vorzukommen vermochte und mit der 10. Kompagnie
seinen rechten Flügel zurückbiegend, sich eingrub. Zwischen dem rechten Flügel
des Bataillons und dem Regiment 122 war eine große Lücke entstanden. Woher kam
das?
Der
Kommandeur des Regiments 122, Oberst v. Triebig, hatte den Eindruck gewonnen,
daß an einen Erfolg nicht gedacht werden könne, ehe nicht das stark besetzte La
Vallée in unserer rechten Flanke zu Fall gekommen sei. Er entschloß sich daher
zum Angriff auf La Vallée, mit der 25. Division Fühlung suchend, die in
heftigen Kämpfen gegen Ennetières stand. Dieser Entschluß des Kommandeurs 122
war späteren Weisungen der höheren Führung zuvorgekommen.
Zur
Unterstützung wurden dem Oberst v. Triebig die 6. und 8. Kompagnie nebst ⅓
M.-G.-K. 119 unter Major Sproesser zugewiesen. Major Sproesser besetzte
zunächst den Nord- und Westrand von Escobecques und verlängerte dann 4 Uhr
nachmittags den rechten Flügel des III. Bataillons der Füsiliere, die nördlich
Escobecques östlich der Bahnlinie zu beiden Seiten der Straße Escobecques–La
Vallée im Kampf standen. Der anfangs befohlene Anschluß der Füsiliere an
III./125 war aufgegeben.
Die
Batterien unserer Divisionsartillerie-Regimenter beschossen gut Ennetières und
La Vallée. Aber auch der Feind war rührig, Escobecques und Gegend lagen dauernd
unter Artilleriefeuer.
Um 4.30
Uhr nachmittags begann der Angriff gegen das brennende La Vallée. Er gestaltete
sich äußerst schwierig. Das Gelände ist fast ganz offen. Je näher man an La
Vallée herankommt, um so deutlicher ist zu erkennen, daß die Engländer in
mehreren Schützengräben hintereinander das vom Dorf leicht nach Süden
abfallende Gelände besetzt halten. Die Besatzung dieser Gräben ist sehr stark,
das feindliche Infanteriefeuer setzt uns zu. Auch feuert seit ¼6 Uhr eine
feindliche Batterie aus naher Entfernung Lage um Lage auf den Angreifer.
Trotzdem wird die Sturmentfernung erreicht und um 7 Uhr abends zum Sturm
angetreten. Der Engländer nimmt – ganz im Gegensatz zu unseren bisherigen
Erfahrungen mit den Franzosen – den Sturm an und wehrt sich aus den Gräben
heraus mit der blanken Waffe. Wir bleiben aber die Sieger, die Füsiliere
dringen von Süden und Westen, die Abteilung Sproesser von Südosten her in das
Dorf ein und machen zahlreiche unverwundete Gefangene, die Abteilung Sproesser
allein über 100.
Schwere
Opfer waren uns bei dieser Kampfepisode naturgemäß nicht erspart geblieben,
unter den Gefallenen hatte die Abteilung Sproesser auch den Leutnant d. R.
Cronmüller und den Fähnrich Merkle zu betrauern.“
aus: „Das Infanterie-Regiment „Kaiser Friedrich,
König von Preußen“ (7. Württ.) Nr. 125 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1923
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