„Über
den Sturm am 24. Oktober 1914 schreibt ein Angehöriger des III. Bataillons:
„Es war am 23. Oktober 1914 abends. Wir lagen bei Reutel eingeschanzt hinter einem zerschossenen Hause, als unser Zugführer die Nachricht brachte: „Morgen früh wird auf der ganzen Front angegriffen.“ Sofort machten wir das Sturmgepäck fertig, faßten noch reichlich Lebensmittel und begaben uns dann zur Ruhe. Am andern Morgen traten wir punkt 5½ Uhr links der Straße Reutel–Ypern in Gruppenkolonne an und gingen dann im Halbdunkel möglichst gedeckt vor. Wir erhielten sofort lebhaftes Feuer vom Gegner, das sich immer mehr steigerte, je weiter wir vorgingen. Leider fingen schon jetzt einige Leute an, Hurra zurufen, obwohl wir noch mehr als hundert Meter von der englischen Stellung entfernt waren. Alles stimmte dann in den Ruf mit ein. Die Folge davon war, daß wir rasendes Infanterie- und Maschinen-Gewehrfeuer erhielten. Instinktiv suchte jetzt der einzelne nach Deckung hinter den an der Straße liegenden Häusern, und so kam der Angriff auf einige Augenblicke ins Stocken. In dichten Knäueln standen die Mannschaften hinter jeder nur einigermaßen schutzbietenden Deckung, und alle waren davon überzeugt, daß es so unmöglich weitergehen konnte, zumal auch das Artilleriefeuer sehr lebhaft einsetzte. Die Verluste waren bisher schon stark, konnten aber noch nicht abgeschätzt werden, da auch einige Mannschaften anderer Kompagnien plötzlich unter uns erschienen waren. Der Führer der 10. Kompagnie, Hauptmann Schließmann, war auch unerwartet unter uns aufgetaucht und feuerte uns nun unermüdlich an, vorzugehen. der Knäuel löste sich nach und nach auf, indem die Leute, zum Teil kriechend, zum Teil sprungartig heranzukommen versuchten. Die Verluste nahmen zu. Überall lagen die Verwundeten. Aber auch die Wut auf den Gegner steigerte sich bis ins Maßlose. Wie eine Erlösung war es dann, als wir unter lautem Hurra am feindlichen Graben angelangt waren und die Engländer fast ausnahmslos die Waffen wegwarfen und die Hände in die Höhe streckten. Sie hatten noch auf uns geschossen, als wir kaum fünf Meter vor ihrem Graben entfernt waren. Und das trug viel dazu bei, daß so mancher Engländer schließlich noch sein Leben durch unsere Bajonette lassen mußte. Sofort wurde ein Kommando aufgestellt, das die Gefangenen abführte. Noch einen letzten Blick ließen wir über das furchtbare Schlachtfeld gleiten, und keiner von uns wird diesen Anblick je vergessen können. Zu hunderten lagen die Toten und Verwundeten in allen Stellungen auf- und nebeneinander. Es war ein Anblick, der den Härtesten hätte erweichen müssen, auch sah man bei manchem Kameraden eine Träne im Auge. Nachdem wir einige Verstärkung erhalten hatten, gingen wir weiter vor und kamen bis an den Rand des vor uns liegenden Polygonwaldes. Das Feuer hatte bedeutend nachgelassen, und unsere Verluste waren jetzt viel geringer. Wir wenigen, die das Glück hatten, ohne jede Verletzung so weit vorzustoßen, verteilten uns längs des Waldrandes und gruben uns sofort ein.“
( … )17
Offiziere, 18 Offizier-Stellvertreter, 1800 Mann, also etwa siebzig Prozent der
Gefechtsstärke blieben auf dem Schlachtfeld. Unter den Toten befand sich auch
der tapfere Kommandeur des III. Bataillons, Major Holtzhausen. Nicht achtend
der Gefahr, zog er seinem Bataillon voraus zum Sturm, jedem einzelnen ein
Beispiel von Mut und Unerschrockenheit gebend.“
aus: „Das Württembergische Reserve-Infanterie-Regiment
Nr. 246“, Stuttgart 1931
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