„Am 6.
November konnte die Artillerievorbereitung des Angriffs starken Nebels wegen
erst etwa 11 Uhr vormittags beginnen. Feldartillerie und eine schwere Batterie
des II./Fußart.-Regts. 10 nahm die vor der Front des Regiments liegenden
feindlichen Stellungen unter Feuer, andere Batterien beschossen die Waldblöße
nördlich und nordöstlich Camp. Schwere Geschütze des II. bayer. Armeekorps
hielten den großen Wald nördlich vom Kanalknie zwischen Eisenbahn und Straße
nach Verbranden–Molen kräftig unter Streufeuer, und eine Mörserbatterie der
Division sandte auf ausdrücklichen Befehl des Generalkommandos unausgesetzt
ihre ehernen Grüße nach Ypern selbst hinüber.
Gegen 2
Uhr nachmittags trat unsere Infanterie, welche mit begreiflicher Ungeduld die
Vorverlegung des eigenen Artilleriefeuers erwartet hatte, aus ihren
Schützengräben an.
Das III.
Bataillon stieß mit 10., 12., 11. Kompagnie in vorderster Linie, mit 9. hinter
der 10. folgend, gegen Camp vor.
Das I.
schloß sich mit 1. und 3. Kompagnie in vorderster Linie an, die 4. Kompagnie
folgte hinter der Mitte, die 2. deckte, an der Eisenbahn entlang gehend, die
linke Flanke des Regiments.
In
raschem Anlauf überrannten unsere Schützen südlich von Camp gelegene, schwächer
besetzte Vorstellungen der Franzosen. Wer sich nicht gutwillig ergab, wurde mit
dem Bajonett zusammengestochen oder mit dem Gewehrkolben niedergeschlagen. Der
Unteroffizier Kohler und die Reservisten Roll und Stolz der 3. Kompagnie
machten dabei 2 Offiziere und 15 Franzosen zu Gefangene, die sich bei einem
größeren Unterstand verzweifelt wehrten.
Dann aber
verlangsamte sich unwillkürlich das prachtvolle Vorstürmen der „Achter“ auf die
weit zerstreuten Häuser und Gehöfte von Camp. Viele mit Drähten durchzogene
Hecken und Drahtzäune hemmten hier den Sturmanlauf. Dahinter lagen stets nur
wenige französische Schützen eingegraben. Sobald sich unsere Schützenlinien
durch diese Hindernisse durchgearbeitet hatten, prasselte ihnen von andern,
fast rechtwinklig zu unserer Angriffsfront liegenden Schützen vernichtendes
Feuer in die Flanke, eine verdammte Taktik, die bald klaffende Lücken in unsere
Reihen riß!
Trotz des
rasenden feindlichen Infanteriefeuers aus der Front und zahlreicher über den
Schützenlinien platzenden Schrapnells, die unsere Reserven zum Ausschwärmen und
Einschieben veranlaßten, ging der Infanterieangriff unaufhaltsam vorwärts.
Gegen 4 Uhr abends waren die französischen Stellungen beiderseits von Camp in
unseren Händen.
Die
tapferen Musketiere, welche dem auf Klein-Zillebeke weichenden Gegner dicht auf
den Fersen blieben, ahnten noch nicht, welch schwerer Verlust unser Regiment
betroffen hatte. Oberst v. Schimpf war gefallen! Etwa 3 Uhr nachmittags hatte
der Regimentsstab, zusammen mit dem Stabe des I. Bataillons kaum 200 m hinter
der Schützenlinie dem Angriff folgend, einen geräumten französischen
Schützengraben südlich vom Camp erreicht, wo heftiges Strichfeuer beide Stäbe
zwang, vorübergehend Deckung zu suchen. Wenige Minuten später, als die Schützen
des I. Bataillons mit lautem Hurra im Wald südwestlich Camp verschwanden, ging
es weiter. Oberst v. Schimpf gab, nach rückwärts gewendet, einem Melder Befehl,
das hinter unserem Regiment folgende halbe III./132 näher heranzuholen, da
sank er mit leisem Klagelaut blutüberströmt zusammen. Ein Infanteriegeschoß hatte ihm den Schädel
durchbohrt. Der Gefreite Gfrörer und einige andere Melder des Bataillonsstabs
brachten den Bewußtlosen nach dem Truppenverbandplatz in Schloß Hollebeke
zurück, wo er gegen 7 Uhr abends verschieden ist. Auf dem Garnisonfriedhof zu
Straßburg im Elsaß hat der Unvergeßliche später seine letzte Ruhe gefunden.
Ehre seinem Andenken!
Nicht nur
von den Offizieren, die Zeugen seines Heldentodes sein mußten, sondern vom
ganzen Regiment ist dieser ritterliche Führer aufrichtig betrauert worden, der
seinen „Achtern“ in jeder Hinsicht als Soldat wie als Mensch ein leuchtendes
Vorbild war und sich ihres unbegrenzten Vertrauens hat erfreuen dürfen.
Aber zum
Trauern blieb in jener bitteren Stunde keine Zeit! Major Wald übernahm unter
Beibehalt der Führung seines Bataillons den Befehl über das Regiment. In kühnem
Draufgehen waren die Bataillone inzwischen, vermischt mit Teilen der 82.
Inf.-Brigade und des Inf.-Regts. 132, bis auf Höhe von Klein-Zillebeke
vorgedrungen, wo eilends herangeführte Reserven den deutschen Sturmlauf zu
hemmen sich vergeblich bemühten. 5 Uhr abends waren die französischen
Regimenter 90 und 268 über den Haufen geworfen, im ganzen 730 Mann, dabei 12
Offiziere, von denen einer dem Kommandeur unseres I. Bataillons mit den Worten:
„Volià, cela me suffit de la guerre“ Revolver und Degen entgegengehalten hatte,
zu Gefangenen gemacht, von Teilen der 11. und 12. Kompagnie, die in der Hitze
des Gefechts bis an den linken Flügel des Regiments geraten waren, am Bahndamm
auch zwei Maschinengewehre erbeutet.
Mit
welchen Opfern aber hatte das Regiment diese Erfolge erkauft! Die Verluste
allein an Offizieren betrugen 13. Außer Oberst v. Schimpf waren gefallen:
Leutnant Frhr. v. Schellerer, Kompagnieführer der 12. Kompagnie; die Leutnants
d. R. Wunder und Wölfflen, Kompagnieführer der 1. bzw. 11. Kompagnie (ersterer
erst drei Tage zuvor nach Wiedergenesung von früherer Verwundung mit dem
Ersatztransport aus der Heimat eingetroffen!) ferner der Offizierstellvertreter
Ritter der 9. Kompagnie. Verwundet waren: Hauptmann Jürgensen (9.); Leutnant
Stepp, Kompagnieführer der 2. Kompagnie; Fähnrich May (9.); Leutnant d. R.
Mathies vom Feldart.-Regt. 80, kommandiert zur 11. Kompagnie; Leutnant d. L. a.
D. Zech (4.), sowie die Offizierstellvertreter Trommer (2.), Herrel (3.), Bauer
(12.).
Die
Verluste an Unteroffizieren und Mannschaften genauer anzugeben, ist nicht mehr
möglich. So viel steht indessen fest, daß sie schrecklich gewesen sind.
Aber
trotz des Ausfalls an Unterführern stürmte der so gut wie führerlos gewordene
Schützenhaufen des I. und III. Bataillons von Klein-Zillebeke aus durch die
anschließenden Waldstücke hindurch beinahe bis zur Höhe 60 und zu den ersten
Häusern von Zwarteleen weiter. Der tapfere Gefreite Marion von der 3. Kompagnie,
der nach Verwundung seines Zugführers den Zug übernommen und seinen Kameraden
ein hervorragendes Beispiel an Mut und Schneid gegeben hatte, erwarb sich das
Eiserne Kreuz. Vor Zwarteleen kam der Angriff endgültig zum Stehen.
Ein paar
Gruppen des III. Bataillons sind zwar in dem allgemeinen Durcheinander zusammen
mit dem fliehenden Feind noch fast 1,5 km weiter bis an die ersten Häuser von
Zillebeke durchgestoßen, dort aber in englisches Maschinengewehrflankenfeuer
geraten, das sie nötigte, sich im Handgemenge nach rückwärts auf Zwarteleen durchzuschlagen,
wo sie, freilich stark gelichtet, aufgenommen werden konnten.
Es gelang
am Abend des 6. November nicht, die Höhe 60 und das Dörfchen Zwarteleen in
Besitz zu nehmen. Der dort stark verschanzte Feind leistete hartnäckigen
Widerstand, den zu brechen die Stoßkraft unserer zu Tode erschöpften Infanterie
nicht mehr ausreichte. Dazu kam noch, daß gegnerische Artillerie mit für uns
furchtbarer Wirkung die erreichte Linie ständig unter Feuer hielt, und die 82.
Inf.-Brigade in den Wäldern nordöstlich von Klein-Zillebeke noch erheblich
weiter zurückgeblieben war.“
aus: „Das 8. Württembergische Infanterie-Regiment
Nr. 126 „Großherzog Friedrich von Baden“ im Weltkrieg 1914-1918“, Stuttgart 1929
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