„Schon in
der Frühe des 29. Nov. traf von der Brigade die Nachricht ein, daß nach
zuverlässigen Nachrichten die Franzosen einen allgemeinen Angriff an diesem
oder dem folgenden Tag planen. Daraufhin wuren die in Wittelsheim und
Schweighausen befindlichen Reservekompagnien der Stellungsbataillone nach
Sennheim und Niederaspach vorgezogen. Der ganze Regimentsabschnitt stand
gefechtsbereit. Zuerst hat es den Anschein, als ob die Nachricht sich wirklich
bewahrheiten wollte. Auf Steinbach entwickelt sich eine französische Abteilung,
es gelingt aber, sie abzuweisen. Waren das die ersten Fühler, die der Gegner
vortreibt, wann folgen seine Hauptmassen? Aber heute bleibt’s nur bei jenem
größeren Patrouillenstoß. Auch der folgende Tag vergeht, ohne daß ein Franzose
vor der Stellung erscheint. Dafür bricht am 1. Dezember das Unwetter auf dem
ganzen Brigadeabschnitt los.
An diesem
Tag stehen auf dem rechten Flügel in den ausgebauten Stellungen um Sennheim
nördlich der Thanner Straße, auf Höhe 425 und in Steinbach die 8. Kompagnie,
südlich schließt die 5. Kompagnie an. Im Ochsenfeldhof und an der
Idiotenanstalt ist die 1. Kompagnie aufgebaut, beim Lützelhof hat die 2.
Kompagnie die Stellungen besetzt. Die 3. und 4. Kompagnie waren nach Sennheim
als Reserve vorgezogen worden, ebenso die 6. und 7. Kompagnie, die zeitweise
die 8. in Steinbach verstärkten.
Kurz nach
8 Uhr beginnt die französische Artillerie ihr dröhnendes Konzert. Ihr Feuer
liegt zuerst auf der Idiotenanstalt, deren Gebäude mit Ausnahme des
Lazarettgebäudes außerordentlich schwer leiden. Die nördlich derselben
eingebaute Batterie Rausch ist das nächste Ziel, das die Franzosen aufs Korn
nehmen. Von allen Seiten fallen die Granaten auf deren Stellung nieder. Bis zu
15,5 Zentimeter Kaliber haben die Franzosen eingesetzt. Und die Batterie kann
sich ihrer Gegner nicht erwehren, die stehen weiter weg als die deutsche
Reichweite geht. So ist sie zum tatenlosen Schweigen verurteilt und muß den auf
sie niederfallenden Granatenregen mit zusammengebissenen Zähnen wehrlos über
sich ergehen lassen. Dann kam die Infanterie an die Reihe, die des wirksamen
Schutzes ihrer eigenen Batterie so völlig entbehren muß. Die Stellungen am
Lützelhof, bei den Fabriken Baudry und Sandozweiler und auf Höhe 425 liegen
unter schwerstem Artilleriefeuer, von 9 Uhr an mischen sich noch
Gebirgsgeschütze vom Amselkopf her darein. Diese sind am allerunangenehmsten,
da der Einschlag da ist, ehe man den Abschuß vernehmen kann. Einzelne Gebäude
gehen in Flammen auf; der Rauch liegt schwer auf der Umgebung und gibt den
richtigen Stimmungshintergrund. Die Arbeit an den Unterschlüpfen in den letzten
Wochen hatte sich gelohnt, bei der Infanterie treten noch keine Verluste auf.
Gegen ½10 Uhr fühlt der Gegner mit 1 Kompagnie vom Hirnlesstein her gegen die
Feldwachen in Steinbach vor. Es gelingt dem dort befindlichen Halbzug, dem die
in der Nähe noch arbeitenden Pioniere zu Hilfe eilen, den Gegner
zurückzuwerfen. Ebenso geht es kleineren Abteilungen, die von der Schnetzenburg
her vorkommen. Den gleichen Mißerfolg hatte eine durch eine französische
Kompagnie versuchte Umgehung auf der Höhe zwischen Steinbach und Uffholz. Auch
hier war 4 Uhr nachmittags ein gegen Steinbach unternommener Angriff durch die
Sicherungen der 8. Kompagnie, die durch 40 Pioniere verstärkt war,
zurückgewiesen worden. Am Abend war auf dem rechten Flügel die Stellung fest in
der eigenen Hand geblieben.
Wie war’s
inzwischen dem linken Flügel gegangen? Auch hier stand man seit Tagen in
Erwartung des kommenden Angriffes. Am Morgen des 1. Dezember dröhnt der
Kanonendonner aus der Gegend Ammerzweiler. Also doch! Nun, man hatte seine
Vorbereitungen getroffen. Auf Höhe 322 lag die 13. Kompagnie kampfbereit, in
den Stellungen um Niederaspach stand die 14. und 16. Kompagnie in den Gräben,
Oberaspach sicherte eine 40 Mann starke Feldwache der 14. Kompagnie. In
Niederaspach war die 15. Kompagnie als Reserve bereitgestellt.
Im
Morgennebel nähern sich die ersten feindlichen Linien den Posten der Feldwache
in Oberaspach. Auf 80 Meter kommen die Franzosen heran, aber die Überrumpelung
gelingt nicht, Leutnant Storz und seine Leute waren wachsam gewesen und hatten
den Angriff im Nu zurückgewiesen. „Aber jetzt wird’s links lebendig,“ schreibt
Oberleutnant Feucht, der mit seiner Kompagnie in den Gräben am Ortsausgang von
Niederaspach auf Oberaspach Wache steht. „Von Michelbach her fallen Schüsse
gegen den Wald, Artilleriefeuer setzt ein. Mit Schrapnells wird der Wald
abgesucht. Werden sich unsere Posten dort halten können? Jetzt wird auch
Oberaspach beschossen, ein paar Schüsse reichen zum Bahnhof Oberaspach herüber
in unsere Nähe. Einer der ersten Schüsse setzt den Hof Geishag in Brand, der
600 Meter vor uns liegt. Die vollen Scheunen geben mächtige Glut. Die Bewohner
flüchten ins Ort. Bald wird auch die Straße von Oberaspach nach dem Bahnhof
bestrichen. Unsere Verbindung auf diesem Wege soll wohl gestört werden. In
Oberaspach Wird’s allmählich immer toller. Unsere Leute lassen sich dort nicht
so leicht vertreiben. Der ganze Ortsrand wird beschossen, schon brennt ein
Haus, das bei unserem Posten 4 sein muß. Andere Schüsse gelten dem Kirchturm,
wo die Franzosen einen Beobachtungsposten vermuten. Das Schulhaus daneben
kriegt einen Teil davon ab. Zwei große
Häuser geraten dort in Brand. Die Beschießung wird immer wütender. Bald können
wir mindestens 5 größere Feuerherde im Ort feststellen, der Rauch verhindert
zeitweise die Beobachtung über das Dorf weg auf die dahinterliegenden Höhen. So
können wir nicht sehen, daß dort ein feindliches Bataillon sich zum Vorgehen
auf Oberaspach rüstet. Unsere eigene Artillerie schweigt fast ganz. Ihre
Stellung ist dem Feinde längst bekannt und er hält sie mit seinen weiter
reichenden Geschützen aus großer Entfernung nieder. So geht’s auf Mittag. Die
Meldungen aus dem Wald von Michelbach besagen, daß unsere Posten sich vor
starker Infanterie auf die Bahnlinie zurückziehen. Da läßt das Feuer auf
Oberaspach nach. Was kommt? Eine Schützenlinie bricht aus dem Wald von Michelbach
her und nähert sich den Oberaspacher Posten 3, 4 und 5. Wir sehen sie gerade
aus der Flanke, über 2500 Meter entfernt. Sie erhält Feuer aus dem Ort. Also
sind die Unsern noch dort. Aber bald wird’s ruhig, neue Linien folgen, die
vorderste verschwindet im Ort. Wir schätzen auf 2-3 Kompagnien, denen höchstens
30 Mann gegenüberstehen können, wenn sie noch alle gefechtsfähig sind.
Vergebens hoffen wir, unsere Artillerie werde sich das schöne Ziel der
gemeldeten Infanterie nicht entgehen lassen. Aber die 4 alten Geschütze sind
zum Schweigen verdammt. Dafür setzen die feindlichen wieder ein und bestreichen
den rückwärtigen Ausgang Oberaspachs, der inzwischen auch von Leimbach her von
Infanterie in Stärke von mindestens 2 Kompagnien erreicht wird.“ Tapfer
kämpfend wehrt sich die Feldwache bis zum äußersten. Aber gegen die Übermacht
kommt sie nicht auf. Schritt um Schritt nur weichen sie dem Feind, dem sie im
Häuserkampf Verlust um Verlust beibringen. Aber die feindliche Kugel reißt bald
da bald dort einen aus der Reihe der heldenhaft sich wehrenden zu Boden. Der
schneidige Führer der Feldwache, Leutnant Storz, stürzt schwer getroffen
zusammen und fällt mit 10 anderen Verwundeten den Franzosen in die Hände, 2
Mann sind tot, den übrigen gelingt’s aus der Hölle des Ortes sich durchzuschlagen
und den Bahndamm trotz des feindlichen Artilleriefeuers zu erreichen.
„Die
Feldwache der 16. Kompagnie im Bahnwarthaus Michelbach zieht sich langsam
zurück, da stärkere Infanterie innerhalb des Waldes die Bahnlinie überschritten
hat und sie deshalb im Rücken bedroht ist. Einen kurzen Augenblick war die
französische Infanterie beim Überschreiten der Bahn sichtbar und das
Maschinengewehr trat für einige Sekunden in Tätigkeit. Unteroffizier Kauffmann
von der 16. hält mit 6-8 Mann noch längere Zeit an der Bahnlinie vor mir, zieht
sich dann ebenfalls und zwar auf mich zurück. Am Waldrand drüben ist ab und zu
eine Gestalt zu erkennen, anscheinend nur Beobachtungsposten. Die französische
Artillerie hat ihr Feuer vorverlegt in den Wald zwischen Bahnlinie und Höhe
322; andererseits nimmt sie den Bahnhof zum Ziel, vermutet aber offenbar unsern
Posten an anderer Stelle, so daß er noch ungefährdet ist. Aber als feindliches
Infanteriefeuer in ihre linke Flanke aus dem Walde heraus einschlägt, geraten
sie in Not. Da rückt das III. Bataillon aus Heimsbrunn heran, die Verstärkung
wirkt belebend und aufmunternd auf die dünnen Grabenbesatzungen.“
„Nun kriegen
wir wieder Streufeuer auf Bahnhof und Ort, in der Hauptsache gilt’s wieder der
Artillerie, die sich kurz hat hören lassen. Ich suche die französische
Batteriestellung zu erkunden, kann aber nichts finden. Als es ruhiger wird und
auch am Waldrand vom Feind nichts weiter zu sehen ist, kommt Befehl, eine
Patrouille gegen den Wald vorzuschicken. Unteroffizier Kauffmann und ein Teil
seiner Leute, die sich dort auskennen, erhalten den Auftrag hiezu. Nur ungern
verlassen sie die schützende Gartenmauer. Kaum ist er aber über den vor ihr
liegenden Schützengraben hinweg, als plötzlich eine Granate in die 20 Schritt
hinter ihm stehende Mauer fährt. Ein mächtiges Loch klafft genau an der Stelle,
wo er mit seinen Leuten eben noch stand. Eine zweite geht etwas höher und fährt
ins Pfarrhaus. Was noch im Garten war, kam mit dem Schreck davon und konnte
unverletzt in die hinter der Mauer angelegten, sehr tiefen und sehr sicheren
Unterstände gehen, ehe weitere Teile der Mauer ihnen nachfolgen. Nun geht’s Schlag
auf Schlag aufs Pfarrhaus und unsern Graben, der sich kaum 10 Schritt vor der
Pfarrhausmauer hinzieht und in dem die 14. liegt. Ich stehe im
Beobachtungsstand des Grabens, der sehr geschickt angelegt ist, in teils
künstlicher, teils natürlicher Hecke, aber nur gegen Schrapnell Sicherheit
bietet. Ich suche die Artillerie zu entdecken und schließlich gelingt’s mir,
das Mündungsfeuer am Walde bei der Kiesgrube von Rodern zu sehen. Rasch den
Platz in der Karte bestimmt und eine Skizze gezeichnet. Es ist nicht sehr
behaglich, den Kopf oben zu behalten, während rechts und links und über einem die
Granaten zum Pfarrgarten sausen. Eine geht zu kurz und schlägt kurz vor mir
ein. Erde, Schmutz, Eisenteile prasseln herunter. Der durchdringende Geruch der
Pikrinsäure nimmt einem fast den Atem. – Aber auf einmal ist’s ruhig. Die
heftige Kanonade war Schluß gewesen. Langsam und tiefaufatmend richten sich die
Leute wieder auf, es ist 5 Uhr. Wir können uns umsehen, Verluste haben wir in
meiner Stellung gar keine, das richtet alle wieder auf. Aber Hunger und Durst
melden sich. Ein Krankenträger, der ins Ort geschickt wird, bringt Brot und
einen Eimer warmer Milch von einem Bauern. Was für ein Labsal für die Zunge,
die am Gaumen klebt! Im Pfarrhaus war das elektrische Licht infolge der Erschütterungen
angegangen. Und wie sieht’s da drin nach der Beschießung aus! Alles
zertrümmert, die Decken vielfach heruntergebrochen, die Wände zerrissen, die
Schränke aufgerissen, die Bettfedern im ganzen Haus verstreut. Alles in wildem
Durcheinander im ganzen Oberstock. Die Bewohner waren schon am Morgen
geflüchtet. Im Ort wagen sich die Leute wieder auf die Straße. Über 60 Frauen
von Oberaspach sind da. Sie waren in der Frühe auf den Markt nach Sennheim und
nach Mülhausen gegangen. Es gab nach langer Pause wieder Erdöl zu kaufen. Als
sie nachmittags zurückkamen, fanden sie den Kampf im Gang, die Heimkehr war
unmöglich angesichts des in Flammen stehenden Oberaspachs. Angsterfüllt über
das Schicksal ihrer Angehörigen und vor allem ihrer Kinder mußten sie in
Niederaspach bleiben. Später, als keine Aussicht mehr für sie bestand, nach
Hause zu kommen, wurden sie nach Mülhausen gebracht.“
Den
Franzosen war es somit am 1. Dezember hier auf dem linken Flügel des Regiments
gelungen, die beiden vorgeschobenen Feldwachen zurückzudrängen.“
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