„Das
Konzert der schweren Artillerie war von Tag zu Tag stärker geworden und hatte
anscheinend der gegnerischen Artillerie, die sich immer weniger bemerkbar
machte, tüchtig zugesetzt. So war der Tag, der die Entscheidung bringen sollte,
der 12. Dezember, langsam herangerückt. Die 4. Batterie schob unter dem Schutz
des Nebels am Vormittag 2 Geschütze bis dicht hinter den vordersten Graben bei
Krzysk vor und 2.30 Uhr nachmittags, kurz vor dem Antreten zum Sturm, nahm der
Rest der 4. Batterie unter dem Schutz des Feuers der gesamten Brigade und
mehrerer Fußarilleriebatterien Stellungswechsel im Galopp nach vorne vor. Auf dem
linken Flügel des Regiments in Poljeßie stand der ehgrwürdige
Brigadekommandeur, General von Schippert, der manchen Frontagalopp der 4.
Batterie auf dem Cannstatter Wasen gesehen hatte. Er, der in Gedanken schon mit
seinem militärischen Leben abgeschlossen hatte, gab seine Bewunderung für die
militärische Leistung mit lauten Worten kund. Jetzt sieht man überall die
Infanterie aufstehen, das Schlachtfeld ist eine Sekunde belebt mit einer
Menschenmauer und plötzlich steigt aus den russischen Gräben eine graubraune
Masse empor, man vermißt das Blitzen der Bajonette; dagegen flattert da und
dort ein weißes Tuch, andere erheben die Hände. Der Kampf ist aus! Einen
Augenblick bedeckt dunkles Gewimmel die Leere des Schlachtfeldes. Aber nur einen
Augenblick; dann sammeln sich die Herden hinter den Leittieren und schließlich
marschiert ein schwaches Regiment – 2500 Mann – in Kolonne zu vieren im
Gleichschritt an der Artillerie vorbei in die Gefangenschaft. Man hört noch
einige Schüsse in der Ferne; inzwischen ist es so dunkel geworden, daß an einen
Stellungswechsel nicht mehr zu denken ist.
Mit
Tagesanbruch hatte die II. Abteilung mit der Spitze der Batterien an der Straße
Bargowe – Wrzeliwy zu stehen. In der ersten Morgendämmerung werden mit Mühe die
Gräben des bisherigen Schlachtfeldes überwunden; hier stürzt ein Pferd, dort
bleibt ein Geschütz stecken, aber nur für Sekunden, schon sind die Kanoniere
zur Stelle, fassen in die Zügel, wirken mit den Rädern oder helfen mit dem
Spaten. Als die Straße, die bisherige russische Stellung, erreicht ist,
leuchtet im Osten das erste Morgenrot. Doch welch ein Anblick: Von den
Chausseebäumen liegt die Hälfte der Zweige am Boden. Der Schützengraben ist
durchweg mit einer Kopfdeckung versehen, in die Schießscharten aus den
Blechkästen etwa in Zigarrenkistengröße, in die die russische Munition
eingepackt ist, eingebaut sind. Alle 2 Schritt liegt ein Toter. Ja, die Russen
haben sogar Tote in der Verzweiflung in die Brustwehr eingebaut und ab und zu
ragt dräuend ein Arm oder ein Bein aus dem Erdwall heraus. Daß die Russen
buchstäblich von der Wucht des deutschen Artilleriefeuers in ihren Gräben
hinabgedrückt wurden, bewies die Benutzung eines Teils der Munitionskästen als
Nachtgeschirr. Kurz ein Bild so schauerlich, wie es weder der Maler des
„Morgenrot“ noch der Pinsel eines Wereschagin zu malen gewußt hat und das ich
auch in den folgenden 4 Jahren nirgends gräßlicher gesehen habe.“
aus: „Das Württembergische Feldartillerie-Regiment König
Karl (1. Württ.) Nr. 13 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1928
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