„Langsam
vergingen den beiden Bataillonen bei Ovillers die Monate Oktober und November.
In ewig gleicher Einförmigkeit verflossen die Tage und bleierne Langeweile
begann zu drücken. Auch der Dezember schien nichts Neues zu bringen. Wohl hörte
man von allerlei Gerüchten der Etappe, las von Durchbruchsversuchen, die die
französischen Zeitungen verkündigten und sah nach dem Turm der Kathedrale von
Albert, der immer noch stand und französische Artilleriebeobachter trug. Die
Nachbarregimenter meldeten Bewegungen und Truppenansammlungen hinter Albert.
Die Heeresleitung mahnte zur Wachsamkeit. Aber nichts Besorgniserregendes war
zu erkennen. Da setzte am 14. Dezember nachmittags heftiges Artilleriefeuer auf
Ovillers, besonders die Stellungen des II. Batl. ein und wütete am 16. Dezember
von morgens bis abends. Schwer litt die 6. Kompagnie am Westrand des Dorfes.
Als es dunkel wurde, bemerkte eine Patrouille unter Unteroffizier Böcker, wie
30 bis 40 Franzosen mit Bündeln in der Hand in einem Kleeacker zwischen den
Linien vorgingen. Einige Artillerieschüsse vertrieben den Gegner. Aber Böcker,
nun mißtauisch geworden, durchstreifte das Zwischengelände immer wieder. Die
Franzosen waren auffallend unruhig, sprachen, schanzten und lärmten, so daß man
den Eindruck gewann, es bereite sich etwas Außerordentliches vor. Das Regiment
befahl daher erhöhte Gefechtsbereitschaft. Gegen 2 Uhr morgens bemerkte ein
Horchposten der 6. Komp., der 200 Meter vor der Stellung in einem Loche lag,
wie 8–10 Franzosen 50 Meter vor ihm schanzten und gab Feuer. Es klirrte, wie
wenn Stahl auf Stahl schlägt. Da schlichen die Leute des Postens in die Flanke
des Gegners und schossen abermals. Hell schrie einer auf und die Franzosen
zogen sich eilends zurück. Patrouillen stießen nach, fanden Schutzschilde und
merkwürdige, auf Rädern laufende, bis 4 Meter lange Holzgestelle, die
ausgehöhlt und mit Sprengpatronen gefüllt waren. Pioniere stellten fest, daß es
Minen zum Sprengen der Hindernisse waren. Nun war klar, daß der Angriff
bevorstand. Als der Morgen des 17. Dezember anbrach, war das ganze Regiment
gefechtsbereit.
Gegen 7
Uhr hörte man bei Thiepval Gefechtslärm. Kurz darauf tauchten vor der Stellung
der 8. Komp. die Franzosen in geschlossenen Kolonnen auf. Infanterie und
Maschinengewehre eröffneten sofort das Feuer, das von rechts durch die 5. Komp.
flankierend unterstützt wurde. Ganze Reihen wurden von den dichten
Geschoßgarben niedergemäht; aber immer neue Massen wälzten sich aus dem Grund
vom Authuiller Wald herauf. Die Wucht des ganzen Angriffs war auf das II. Batl.
gerichtet. Der weit vorgeschobene Baumposten der 7. Komp. war in Gefahr,
abgeschnitten zu werden und zog sich zurück. Sofort setzten sich die Franzosen
darin fest. Auch vor der 6. und 7. Komp. wurde es lebendig; aber kaum
überschritten die vordersten Schützen die Höhe von Ovillers, so prasselten
ihnen aus dem Schützengraben der beiden Kompagnien Kugeln entgegen. Die 4.
Kompagnie und Teile des Res.-Reg. 120 an der Steinbruchstellung bei La
Boisselle griffen von links her in den Kampf ein. Schlagartig setzte das Feuer
der Artillerie, die am Südwestrand von Pozières auf das verabredete Zeichen
gewartet hatte, ein und schob einen Feuerriegel vor die feindlichen Gräben und
hinter die Angreifer. Es war Wahnsinn, gegen diesen Feuerwall anrennen zu
wollen. Das Feld bedeckte sich mit Toten und Verwundeten. Wer fliehen konnte,
floh. Die andern warfen die Waffen weg und gaben sich gefangen. Aber im
Baumposten, der vorgeschobenen Feldwache, zu der ein langer Laufgraben führte,
saßen die Franzosen dicht massiert. Ein Gegenstoß, der versucht wurde, kam
nicht über den Graben hinaus. Da wurden Maschinengewehre in erhöhte Stellung
gebracht. Die Haubitzen jagten ein paar Granaten in das Grabenstück und nach
wenigen verheerenden Schüssen ergab sich die Besatzung. 293 unverwundete und 56
verwundete Gefangene wurden eingebracht und viele Waffen und
Ausrüstungsgegenstände erbeutet. Ein feindlicher Angriff um Mitternacht auf den
Baumposten mißlang aufs neue. Grauenvoll sah es vor der Front des Regiments
aus. In Haufen und Reíhen, wie sie der Tod beim Anmarsch hingeworfen hatte,
lagen die Gefallenen da. Verwundete schrien um Hilfe. Mitleidig versuchten die
Schwaben zu helfen. Aber Gewehrfeuer aus dem französischen Graben trieb sie
zurück. Tagelang hörte man noch das Wimmern der Sterbenden. Fünf französische
Regimenter waren zum Angriff auf Ovillers versammelt worden, die Regimenter 19,
116, 118, 215 und das 41. Kolonialregiment. An 500 Tote lagen im
Zwischengelände. Um 2 Uhr war der Angriff abgeschlagen. Erbittert hämmerte die
feindliche Artillerie wieder auf die Stellung des Regiments, um die geschlagene
Infanterie zu rächen.“
aus: „Das Württembergische Reserve-Infanterie-Regiment
Nr. 119 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1920
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