Der
Angriff am 31. Dezember 1914
„Zu
dieser Zeit lag das II./124 am weitesten vorn, III. in der Mitte und I. am
linken Flügel hingen ab. Das Bataillon lag in einer kesselförmigen Vertiefung
und hatte von den höherliegenden Franzosen durch Infanterie- und M.-G.-Feuer,
besonders aber durch Handgranaten viel zu leiden. Dazu kam, daß die vorgetriebenen
Sappen an die feindliche Stellung so nah herangekommen waren, daß mit
Entgegenminieren und Sprengen der Franzosen gerechnet werden mußte. Zweimal
waren schon französische Minengänge von uns abgeschnitten worden. Um all dem zu
entgehen, wurde die Unternehmung beim I. und III. Bataillon befohlen. Bei jedem
Bataillon sollte durch die 2./Pi. 29 unter ihrem bewährten Führer Hauptmann
Neumann je eine Einbruchsstelle in die feindlichen Gräben gesprengt werden.
Durch diese Breschen sollten die Sturmtrupps nach vorwärts, rechts und links
vorgehen. Der mittlere und die behelfsmäßigen Minenwerfer waren zum möglichst
flankierenden Beschuß der feindlichen Gräben eingebaut. Die zur Verfügung
stehende Feldartillerie sollte das Hintergelände unter Feuer nehmen.
9.23 Uhr
vormittags erfolgte die Sprengung bei 3./124, die das Zeichen zum Beginn des
Angriffs geben sollte, einige Sekunden später die bei der 9. Kompagnie. Die
Sturmtrupps sprangen über Sturmleitern aus den Gräben vor und die
Handgranatenschlacht gegen den überraschten Gegner begann. Die Franzosen kamen
schnell ins Laufen, nur vor einem Blockhaus gegenüber rechtem Flügel der 3./124
entspann sich heftiger Widerstand. Aus einer höher gelegenen feindlichen
Stellung kam jetzt auch lebhaftes Infanteriefeuer. Jenseits des ersten
genommenen Grabens warf sich alles hin und ein kurzes Feuergefecht begann.
Beim
III./124 war unterdessen der Verlauf nicht so glatt gegangen. Die Sprengung
hatte hier die feindliche Stellung nicht ganz erreicht, die vorhandenen
Handgranaten waren durch die Nässe unbrauchbar geworden. In diesem Augenblich,
als schon beim ersten Sturmtrupp ein fühlbares Stocken eintrat, rettete
Unteroffizier Suck, 9./124, die Lage. Er sprang auf den vorderen Rand des
Sprengtrichters, warf einige Handgranaten in den feindlichen Graben, rief seine
Leute und sprang halbrechts vorwärts, dem nächsten französischen Graben zu. Die
anderen Sturmtrupps folgten ihren Aufträgen gemäß. So kam an dieser Stelle der
Sturm wieder in Fluß. Auf die zurückspringenden Gegner wurde kurz gefeuert und
mit dem Eintreffen von Verstärkungen ging es den Weichenden nach. Jetzt gab es
kein Halten mehr, die 2. Stellung wurde genommen, ebenso eine 3. und 4. Das
I./124 stürmte noch weit über die 4. Stellung hinaus vor nach Süden. In der Nähe
eines französischen Hüttenlagers mußte aber Halt gemacht werden, da rechts und
links jeder Anschluß fehlte. Die Kompagnien gingen befehlsgemäß auf die 4.
Stellung zurück.
Musketier
Schiller, 3./124, der nach französischen Tornistern als Beute vor der 4. Stellung
gesucht hatte, sah auf einmal Franzosen vor sich. Er schoß auf einen Offizier
und verwundete ihn am Kopf. Die dabei befindlichen Mannschaften sprangen fort,
so daß es Schiller gelang, den Verwundeten gefangen zu nehmen. Es war dies der
französische Abschnittskommandeur, ein Major, sein Adjudant ließ sich mit ihm
zusammen wegführen. In dem Stand des französischen Kommandeurs wurden viele
wichtige Akten über die Stellung und die Artillerieaufstellung gefunden.
Die
Bataillone richteten jetzt die französische Stellung zur Verteidigung ein und
legten nach rückwärts Verbindungsgräben an. Plötzlich schlug in die arbeitenden
Mannschaften Flankenfeuer von links. Der rechte Flügel des Grenadier-Regments
hatte wohl in gleicher Höhe zum I./124 hinübergedrückt, aber nach vorwärts kein
Gelände gewonnen, so war der diesem Flügel gegenüberliegende Feind unbehelligt
stehen geblieben. Mit dem Grenadier-Regiment sollte jetzt dieser stehen
gebliebene Stützpunkt beiderseits von der Flanke angegriffen werden. Es war festgestellt
worden, daß der Gegner mindestens 3 M.-G. in der Stellung hatte. Trotzdem ließ
sich die 1./124 nicht halten und griff mit allen drei Zügen frontal an.
Leutnant d. R. Loewer fiel an der Spitze seines Zuges, der Kompagnieführer,
Oberleutnant d. R. Behren, wurde schwer verwundet. Nachdem die 4./124 von
seitwärts und rückwärts eingegriffen hatte, hoben die Franzosen die Hände hoch.
Zu den schon gefangenen 1 Offizier 93 Mann kamen nochmals 150 dazu. Das Ziel
des Tages war glänzend erreicht. Außer den Gefangenen fielen die 3 M.-G. und
viele Gewehre und andere Beute in die Hände der Sieger. Beim weiteren Ausbau
der Stellung fiel noch Leutnant d. R. Wurster durch Querschläger ins Herz. Die
Verluste betrugen 3 Tote, dabei 2 Offiziere, und 8 Verwundete, darunter 1
Offizier.
In der
3./124 hatten sich die Gefreiten Bischoff und Motz durch ganz besonderen
Schneid ausgezeichnet, Unteroffizier Suck, 9./124, wurde für sein Verhalten zum
Vizefeldwebel befördert und erhielt das E. K. I.
Die
rechte Hälfte des III./124 war nicht vorwärts gekommen, da sie über
deckungsloses Gelände einen vollbesetzten französischen Graben hätte angreifen
müssen.“
aus: „Das Infanterie-Regiment „König Wilhelm I“ (6. Württ.)
Nr. 124 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1921
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