„Am 12. Mai wurde
ein neuer Angriff vorbereitet. Den ganzen Nachmittag schoß sich mittlere und
schwere Artillerie auf die englische Stellung ein. Wegen der Nähe des feindlichen
Grabens mußten die 6. und 8. Kompagnie dabei zeitweise ihre Stellung räumen.
Die Engländer
antworteten schwach mit Schrapnells. Dabei wurde Leutnant Großkurth, Führer der
8. Kompagnie, tödlich verwundet.
Am folgenden Tage
war Himmelfahrtsfest. Wir feierten es auf eigene Weise.
Um 5 Uhr morgens
bei trübem Wetter stieg eine grüne Leuchtkugel hoch. Es war das Zeichen für den
Beginn des Artilleriefeuers.
Mochte nun der
starke Gegenwind nicht in die Berechnung gezogen sein, oder was sonst der Grund
war: die Schüsse, die am Tag vorher gut lagen, gingen nun zu kurz und trafen
die eigene Stellung. Als eine 21er Mörsergranate mitten in der 8. Kompagnie
platzte, wichen die Leute eilends nach hinten aus. Selbst bis dicht vor den
Graben der 7. Kompagnie kamen die schweren Geschosse. Weiter rechts bei der 53.
Res.-Inf.-Division lag das Feuer besser. Die Meldung, die zurückging, nützte
nichts. Ohne Pause hämmerten die ungeheuren Geschosse in die Nähe unsres
Grabens, während der englische kaum Treffer erhielt. Um 7.45 Uhr sollte
gestürmt werden. Meldung auf Meldung ging zurück. Das Regiment telephonierte an
die Brigade: „Bis jetzt ist noch nichts erschüttert außer unserer Stellung.“
Die Brigade telephonierte an die Division, die Artillerie wurde nervös, ihr
Feuer wurde nicht besser und lag nun meist jenseits des englischen Grabens. Als
die Uhren 7.45 Uhr zeigten, erhob sich rechts von der Bahnlinie die 53,.
Res.-Inf.-Division und erreichte, wenn auch unter schweren Verlusten, den
feindlichen Graben. Aber schon die 26. Jäger blieben liegen. Als die 7.
Kompagnie auf höheren Befehl dennoch versuchte, vorzustürmen, fielen sofort 11
Mann, während 17 verwundet wurden. Die 12. Kompagnie, die bis zum
Storchschnabelwäldchen vorgeschickt war, machte auch einen Versuch, und einige
ihrer Leute erreichten den feindlichen Graben, fielen aber mit ihrem Führer,
Leutnant Mayer, auf dessen Brustwehr. Nun setzte ein wütendes Gegenfeuer ein.
Zugleich regnete es Bindfaden. Der lehmige Graben verwandelte sich in eine
Schlammrinne, in der die Stiefel stecken blieben, Tote wurden darin
niedergetreten, die Gewehre waren so verschlammt, daß sie nicht mehr losgingen.
Auch begann die eigene Artillerie wieder und feuerte in die Massen von Freund
und Feind. Es war ein tolles Durcheinander. Da gingen gegen 3 Uhr nachmittags
die im feindlichen Graben sitzenden Sachsen jenseits der Bahn zurück. Sofort
setzte ein vernichtendes englisches Feuer ein, das ihnen die schwersten
Verluste kostete und sie in die Flucht trieb. Es war Gefahr, daß die Engländer
nachdrückten, darum wurde die 5. Kompagnie, die auch nach vorne genommen war,
eilends zurückgeführt, um am Gutscherhaus nach Norden hin zu flankieren. Diese
Bewegung wurde im Marsch-Marsch ausgeführt und von den anderen Kompagnien
mißverstanden. Es hieß, unsere Leute gingen durch; und da gleichzeitig die
Engländer in hellen Haufen herkamen, um ihre Stellung wieder zu besetzen,
entstand ein Durcheinander übelster Sorte. Es bedurfte des energischsten
Einschreitens der Offiziere, um wieder Ordnung zu schaffen.
Die Engländer
dachten nicht daran, weiter vorzugehen. Sie waren froh, ihre alte Stellung
wieder zu haben, und bald herrschte wieder ziemliche Ruhe. Die Krisis war
vorüber. Gegen Abend hörte der Regen auf, und man konnte daran gehen, den
Graben auszuräumen und die Toten und Verwundeten, die zwischen den Stellungen
lagen, hineinzuschaffen. Nicht einer blieb draußen liegen.
Aber den
Himmelfahrtstag 1915 wird so leicht keiner vergessen.“
aus:
„Das Württembergische Reserve-Inf.-Regiment Nr. 247 im Weltkrieg 1914–1918“
Stuttgart, 1924
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