„Gleich in den
ersten Tagen bekommt die Batteriestellung Feuer allerschwersten Kalibers. Wir
selbst sind im heftigsten Schießen begriffen. Gilt es doch, die Infanterie bei
einem Angriff zu unterstützen. Dutzendweise liegen Granaten und Kartuschen in
greifbarer Nähe, Stapel von vollen Munitionskörben sind unmittelbar daneben
aufgebaut. „Feuern, was raus geht!“ lautet der Befehl. Jeder gibt sein Letztes,
denn es muß ernst stehen da vorne, das spüren wir alle. – Trotz des eigenen
Gefechtslärms hört man ihn nur zu gut, den bekannten Ton der „ganz Schweren“.
Hu . . a, Hu . . a, Hu . . a . . . . . . Immer lauter, immer näher. Sie lassen
sich Zeit, diese unheimlichen Geschosse,
wie wenn sie wüßten, daß es vor ihnen doch keine Deckung gibt!
„Hinlegen!“ hört man dann rufen. Dann . . . ein Schwanken des Bodens, ein
ungeheures Krachen und ein nicht endenwollender Regen von Dreck und
Eisenstücken. Vier Meter vor dem dritten Geschütz ist sie „herein“, ein Loch
von 5 Meter Durchmesser und 2½ Meter Tiefe hinterlassend. Vier Meter weiter,
und kein Fetzen wäre dort übriggeblieben. – Aber niemand ist verletzt, keine
Munition explodiert. Noch ganz erschüttert säubern die Kanoniere notdürftig
Verschluß und Geschützrohr von Erde und Dreckbatzen. Es ist ein Augenblick, in
dem die Feuerdisziplin der Batterie auf härteste Probe gestellt wird. Aber vorne bei der Infanterie geht’s auf
Leben und Tod, da darf auch unsere Feuerkraft nicht erlahmen. Leutnant Bley hat
die Feuerleitung. Er ist der Mann, der dieser Situation gewachsen ist. Während
er bisher noch am Fernsprecher saß, Springt er nun plötzlich hinter die
Batterie aufs freie Feld. Sie sehen ihn alle dastehen, mit seinem blinkenden E.
K. I, hoch aufgerichtet; ungedeckt; hören sein Kommando, ruhig wie immer:
„Weiterfeuern!“ hören, wie er dem dritten Geschütz, nur ein ganz klein wenig
lächelnd, zuruft: „Da habt ihr Schwein gehabt!“ – und es wird weitergefeuert!
Da hört man das Heranheulen von neuem. Herrgott läßt die sich wieder Zeit! In
solchen Augenblicken werden Sekunden zur Ewigkeit. – Sie ist da! – Zwei Meter
hinter dem zweiten Geschütz. Krach, Dreck, beißender schwarzer Rauch. Am Boden
wälzt sich stöhnend der Geschützführer, von einem glühenden Granatsplitter in
den Bauch getroffen, – Unteroffizier Dinkelacker von Böblingen. Erst nach einer
halben Stunde wird er von seinen Leiden erlöst. Welcher Angehörige der
damaligen 7. Batterie erinnert sich nicht mehr dieses mutigen, humorvollen
Mannes mit seinem Schlauen Augenzwinkern? Unser Feuer stockt auch jetzt nicht.
Ein Schuß 4 Meter vor der Batterie, der zweite 2 Meter dahinter. – Man braucht
nicht Artillerist zu sein, um zu wissen, wo der dritte wohl sitzen werde. – Wir
hören das leise Klagen des sterbenden Kameraden, aber wir feuern weiter.
Mechanisch, ohne Gedanken an das, was kommen wird, in selbstverständlicher
Pflichterfüllung bis zum Äußersten. – „Herrgott hilf!“ – Und das Wunder geschieht:
Es kommt kein weiterer Schuß mehr..“
aus: „Das Württembergische
Reserve-Feldartillerie-Regiment Nr. 54 im Weltkrieg 1914-1918“, Stuttgart 1929
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