Samstag, 6. Juni 2015

6. Juni 1915


„Emil Gaugele wurde am 3. Mai 1886 in Stuttgart als Sohn des damaligen Eisen-bahnsekretärs Gaugele geboren. Er besuchte das Karlsgymnasium Stuttgart und trat 1906nach Ableistung seines Militärdienstes in die Verbindung ein. Er studierte in Tübingen, Leipzig und Berlin Rechtswissenschaft. Bei Ausbruch des Krieges war er Referendar in Stuttgart.
Am 8. August 1914 zog G. als Leutnant d. R. mit dem Ulmer Inf.-Rgt. 127 ins Feld. Nachdem der Aufmarsch des württembergischen Armeekorps in der Umgegend der Feste Diedenhofen vollzogen war, rückte sein Regiment an die belgisch-französische Grenze und trat am 22. August bei dem großen Angriff der um Longwy kämpfenden Truppen erstmals ins Gefecht. In den dicken Morgennebeln des jungen Tages entwickelten sich die Schützenlinien gegen Barancy. G. führte einen Zug der 8. Komp., der zunächst als Reserve zurückgehalten wurde. Um in den unsichtigen Verhältnissen über Gelände und Gefecht klaren Überblick zu behalten, suchte sich G. einen Beobachtungspunkt. Doch kaum hatte er sich einige Schritte vorwärts begeben, als er von einem Maschinengewehrschuß durch den Kopf getroffen zusammenbrach. Für tot gehalten, blieb er ohne Hilfe auf dem Schlachtfeld liegen.  Erst mittags 2 Uhr wurde er im Lazarett Barancy geborgen. Dort kehrte er nach zwei Tagen zum Bewußtsein zurück. Die rechte Körperseite war fast völlig gelähmt. Durch eine von fremder Hand geschriebene Karte benachrichtigte er von seinem Ergehen schonend seine Eltern, denen er durch eine falsche Drahtnachricht vom Ersatzbataillon seines Regiments bereits als gefallen gemeldet wurde. Zu seiner unbeschreiblichen Freude holte ihn seine Familie anfangs September im Auto nach Stuttgart und verbrachte ihn ins Karl-Olga-Krankenhaus. Gegen Weihnachten trat die erste wesentliche Besserung ein, so daß er die Festtage im Elternhaus verbringen durfte. Einige glückliche Operationen brachten sogar so viel Erleichterung, daß er kleinere Spaziergänge unternehmen konnte. Ende Mai machten sich die Anzeichen des üblichen Spätabszesses bemerkbar, so daß eine nochmalige Operation unvermeidlich wurde. Guten Mutes entschloß sich G. dazu, aber der Erfolg blieb aus. Unter großen Schmerzen und starken Ohnmachtsanfällen nahmen die Kräfte rasch ab, so daß der Kranke am 6. Juni 1915 verschied. Auf dem stimmungs-vollen Waldfriedhof in Stuttgart fand er seine letzte Ruhestätte.“


aus: „Gedenkbuch der Tübinger Normannia für ihre Gefallenen“, Stuttgart, 1921

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