„Der Monat Mai
verlief in der Hauptsache ruhig, bis in den letzten Tagen die feindliche
Artillerietätigkeit, namentlich bei der rechten Nachbardivision, der 52.
Inf.-Division, auffallend sich steigerte. Durch sorgfältiges nächtliches
Anschneiden war auf dem rechten Flügel der Division eine Verstärkung der
feindlichen Artillerie festzustellen, auch drang starkes Wagengerassel aus der
Gegend von Auchonvillers an das Ohr der aufmerksamen nächtlichen
Artilleriebeobachter. Und in der Luft, unter azurblauem Himmel, summte und
brummte es, aber nicht von harmlosen Fliegen, sondern von feindlichen Fliegern,
die ein starkes Interesse gerade für den rechten Divisionsabschnitt zeigten.
Waren diese Erscheinungen schon etwas auffällig, do wurde das verdächtige Bild
nunmehr durch die Fernbeobachtung auf dem linken Flügel der Division
vervollständigt. dort hielt Hauptmann Jäckh, der Kommandeur der III. Abteilung,
ein erprobter Artillerist, scharfe Wacht auf der Mühle von Pozières. Weit
reichte der Blick ins feindliche Land, tief drang das Auge in das Tal der Somme,
selbst die Spitze des Kirchturms von Amiens war bei schönem Wetter zu sehen. Da
meldeten anfangs Juni die spähenden Artilleristen wiederholte Bewegungen von
Süd nach Nord auf den Höhen nördlich von Albert. Nun stand es fest, daß der
Feind gegen den rechten Flügel der Division, bzw. die rechte Nachbardivision
etwas im Schilde führe. Die Infanterie wollte nicht so recht dran glauben, es
war ja so schön ruhig an der Front. Und die preußischen Kameraden der rechten
Nachbardivision meinten, daß eben der Feind überflüssige Munition „verballere“.
–
In aller Stille
und Heimlichkeit wurden nun die artilleristischen Vorbereitungen getroffen, um
für den als bevorstehend erkannten Angriff gewappnet zu sein. An der Moulin
ruiné wurden die Verstärkungsstellungen für 2 Haubitzbatterien mit Sorgfalt
ausgebaut, peinlich abgedeckt gegen Fliegersicht; nicht einmal Geleise
verrieten das Anfahren, das auf dem zu den Stellungen führenden Feldweg bei der
Moulin ruiné erfolgte. Die deckenden Äste von harmlosen Weidenbäumen verbargen
die geradezu kunstvoll angelegten, selbst in der Nähe kaum zu erkennenden
Bauten. Schon in den Tagen vom 2. bis 4. Juni 1915 wurden die 7. und 9./26,
beides leichte Feldhaubitz-batterien, vom nicht gefährdet erscheinenden linken
Flügel weggezogen, gingen an der Moulin in Stellung und schossen sich ein. Hinter der Höhe 143 wurde ein weiterer Zug
Feldartillerie, der Zug Mühlen, eingerichtet. Östlich der leichten
Feldhaubitzen fand eine zur Verstärkung eingetroffene 10 cm-Batterie, die
Batterie Nickel, ihre Stellung. Nun konnten sie kommen, die Artilleristen waren
vorbereitet.
Und sie kamen!
Während in den ersten Junitagen das Feuer von wechselnder Stärke war, an
einigen Tagen sogar ganz abflaute, nahm es am 6. Juni derart zu, daß die Gräben
der 52. Inf.-Division beiderseits der Toutvent-Ferme schwer litten und die
Hindernisse nahezu weggefegt wurden. In der Dämmerung des nebeligen 7. Juni
steigerte sich das feindliche Feuer zum Trommelfeuer, um bald darauf wesentlich
abzuflauen.
Was war geschehen?
Dichter Nebel hinderte jede Sicht, bis gegen 9 Uhr vormittags die steigende
Sonne die Lage erhellte. Nun aber an die Geschütze! Keine Sekunde war zu
verlieren. Hart nördlich der Straße Serre–Mailly war der Feind bei der
Nachbardivision in Kilometerbreite in die Stellung eingedrungen, die
Toutvent-Ferme genommen. der Nahkampf war abgebrochen, aber in und hinter der
feindlichen Stellung wimmelte es von Verstärkungen wie im Ameisenhaufen.
Munitions- und Schanzzeugträger drängten zur Front, das Gewonnene zu halten und
auszubauen. Da bellten die Geschütze nördlich der Ancre allzumal heiser auf wie
gereizte Hunde. Die Gruppe Bornemann in Grandcourt legte halb flankierend einen
Feuerriegel mit den 3 Batterien der I. Abteilung und dem Zug Mühlen vor die
zurückgebogene Linie unserer Nachbarn, und die 2 leichten Feldhaubitzbatterien
an der Moulin unter Hauptmann Graf v. Preysing hoben die Maskierungskulissen
von den Rohren und jagten Schuß auf Schuß in die feindliche Stellung. In
Puisieux lenkte hoch oben vom Baum Hauptmann Nickel das Feuer seiner 10 cm auf
die feindlichen Kolonnen hinter der Front. Und aus dem Ancre-Tal ertönt der
tiefe Baß der 15 cm-Batterie Köhler: Ein dickes Pflaster um das andere wird in
die Signy-Ferme und Zuckerfabrik gesetzt. Auch die feindliche Artillerie wird
bedacht, wobei in der Mitte die II. Abteilung unter Major Stump und selbst die
linke Flügelhaubitzbatterie bei Pozières gegen das lästige Artillerienest bei
Mesnil wirksam in den Kampf eingreifen. Das gut geleitete Feuer lähmt den Elan
der schwer leidenden französischen Infanterie, die nunmehr ihre Artillerie um
Hilfe angeht. Da legt sich auf all unsere Batterien ein schweres, mit
Fliegerbeobachtung gut geleitetes Feuer. Schrapnellkugeln pfeifen wie Hagelschauer
um die Ohren der hemdärmelig mit schweißbedeckten Gesichtern die glühend heißen
Rohre bedienenden Kanoniere. Jagte doch die I. Batterie allein 1350 Schuß in
den Feind! Was macht’s, wenn des Feindes Geschosse ringsum krachend bersten,
die Splitter der Granaten klirrend auf Lafetten und Rohre fallen! Sie haben
nicht Zeit, darauf zu achten, die braven Kanoniere, immer neue Geschosse
liefern die bombensicheren unerschöpflichen Munitionskammern, es gilt den
braven 180ern vom Bataillon Scupin zu helfen, die um die Mittagsstunde frei
über das Feld vorgehend dem Feind den mühsam errungenen Boden streitig machen.
Gegen Abend läßt das Feuer nach. Mutig fahren in der Dämmerung die leichten
Kolonnen durch das lebhafte Streufeuer bis zu den harrenden Batterien; die
Munition ist ergänzt; nun sind sie wieder gewappnet für den kommenden Tag. Auch
die Gulaschkanone findet ihren Weg, von den wackeren Kanonieren freudig
begrüßt. Doch können die Braven kaum der Ruhe pflegen nach dem heißen Tag; die
ganze Nacht rollt das Feuer der Geschütze, den Feind zu stören.“
aus:
„Das Württembergische Reserve-Feldartillerie-Regiment Nr. 26 im Weltkrieg
1914-1918“, Stuttgart 1929
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