„Der 13. Juli
brach an, es war ein regnerischer und naßkalter Tag, wie die vorher-gehenden.
2.30 Uhr
vormittags traf der Regimentsstab auf seinem Gefechtsstand bei Punkt 164 ein.
Um die gleiche Zeit besetzten die vordersten Kompagnien der Bataillone Frhr. von
Hügel (I.) und Frhr. von Crailsheim (III.) mit ihren Sturmwellen die
Sturmgräben, mit ihren Reserven die Zwischenstellung und die Verbindungswege,
das Bataillon Sproesser (II.) rückte als Reserve in die Hauptstellung.
Fröstelnd, in Mäntel, Decken oder Zelte gehüllt, an den Grabenwänden kauernd,
wartete das Regiment der Dinge, die da kommen sollten.
4.30 Uhr
vormittags setzte das Feuer der eigenen Artillerie ein, ging ganz allmählich in
planmäßiges Wirkungsschießen über und verstärkte sich schließlich zu ungeheurem
Trommelfeuer. Die Feldgeschütze dreier Armeekorps und 60 schwere Batterien
überschütteten den Gegner mit ihrem Eisen aller Kaliber, die Erde zerfetzend.
Die feindliche Stellung war ganz in Gasschwaden, Rauch, Schmutz und Staub
gehüllt, der Boden bebte. Die Antwort seitens der Russen war schwach.
Plötzlich nach
diesem Höllenlärm trat Totenstille ein. Wenige Minuten zuvor – 8.39 Uhr vormittags,
mit der Minute, wie befohlen – verließen die ersten Sturmwellen den Graben.
„Mit diesem Augenblick,“ sagt Albert Leopold in seinem Werkchen „Im
Schützengraben“ so trefflich, „war das bewußte Einzelleben gleichsam
ausgelöscht, es gab nur noch eine geschlossene, irgendwie zusammengeschweißte
Einheit von Kämpfern, es gab nur noch einen Willen, von dem alle gleichermaßen
erfüllt waren, und der alle gleich trug und leitete. Jeder wußte was not tat.“
Trotz des
verheerenden Artilleriefeuers waren die Drahthindernisse nicht so lückenlos
zerschossen, wie wir vermutet und gehofft hatten und die feindliche Stellung
zeigte durchaus noch Leben. So wurden beim Vorgehen die äußeren Flügel der
Bataillone aus den Flanken heftig von Maschinengewehren befunkt, so daß sie zum
Teil dorthin die Front nehmend, kurze Zeit in ihrem Drange nach vorwärts
aufgehalten wurden, im großen Ganzen ging aber alles programmäßig.
Die erste Welle
durschnitt das Drahthindernis und bewarf den Gegner mit Handgranaten, die
anderen Wellen folgten und setzten die Säuberung der Gräben fort. 10.15 Uhr
vormittags hatten wir die befohlene Linie erreicht und waren damit Herren von
Osowiec und der Schanze östlich Osowiec. Die Stellung wurde umgedreht,
Schutzschilde wurden aufgestellt, Drähte vor die Gräben geworfen, die
Maschinen-gewehre aus der Sturmstellung nachgezogen, Annäherungswege zur neuen
Stellung ausgehoben, die Telephonleitungen nachgebaut.
Daß dies nur der
Anfang unserer blutigen Arbeit war, wußten wir nur zu genau, hatte doch der
Russe das ganze Vorgelände, Felder, Brachland und Sümpfe meilenweit bis zur
Narewfront mit einem kunstvollen Netz von Schanzen und Gräben durchflochten, in
dem er unserem weiteren Vordringen die Stirn bieten konnte und es wohl auch
versuchen würde.
Um 3 Uhr
nachmittags rückte das Regiment in die Linie Osowiec-Süd – Wegegabel zu Szla
vor und verblieb dort die Nacht, mit dem Befehl, diese Linie unbedingt zu halten.
Die Russen griffen nicht an. Bestürzt von der Przasnysz drohenden Umklammerung
gaben sie Przasnysz auf, opferten alle Zwischenstellungen und zogen sich auf
ihre südlich und östlich von Przasnysz verlaufende zweite Hauptstellung – ungefähre
Linie Zjechanow – Sjeljona – Krasnosielc – zurück. Als die Sonne sank, sah man
lange Kolonnen auf Makow zurückfluten, umleuchtet vom Feuerschein brennender
Dörfer. Um diese Zeit durchschritten auch schon starke Kräfte der Armee
Gallwitz die Trümmerstätte von Przasnysz, der Feind durfte nicht zur Ruhe
kommen.
Der Erfolg des
Tages kostete dem Regiment 70 Tote und 237 Verwundete. Zwei von den erst bei
Czarzaste ins Feldregiment eingestellten Fähnrichen – Gräter und Höschele –
erlagen ihren vor Osowiec erhaltenen Wunden am 14. bezw. 17. Juli.“
aus:
„Das Infanterie-Regiment „Kaiser Friedrich, König von Preußen“ (7. Württ.) Nr.
125 im Weltkrieg 1914–1918“ׅ, Stuttgart 1923
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