Sonntag, 19. Juli 2015

19. Juli 1915


„Die Minenstollen vor unserer Front sollten nach Ansicht der Sachverständigen eine Gewähr gegen unbemerktes Minieren des Gegners bieten. Ein Unterfangen desselben durch tiefer gegrabene Minenstollen wurde bei dem hohen Grundwasserstand für unmöglich gehalten. Aber am 19. Juli, 8.10 Uhr abends, brachte der Engländer auf der Naht zwischen unsern Kompagnieabschnitten B und C eine Mine zur Entzündung, die einen Trichter von seither nicht gekannter Größe auswarf und über 100 Mann  der 7. und 8. Kompagnie, 2 Maschinengewehre, je 1 Infanterie- und Artillerie-Beobachtungs-stand, 1 Sprechstelle, 2 Minenschächte und 1 Handgranatendepot in die Luft sprengte bzw. verschüttete. Der Trichter hatte eine Tiefe von 12 m und einen Durchmesser von 40 m, sein Auswurf erstreckte sich 60 – 80 m rings um den Kraterrand, die Gräben je nach ihrer Entfernung von ihm ganz oder teilweise füllend. Gleichzeitig mit der Sprengung eröffnete der Gegner starkes Artilleriefeuer gegen die Abschnitte A und B und das Hintergelände, und seine Infanterie drang in einer Breite von 150 – 200 m in den Sprengtrichter und die anschließenden Stellungsgräben ein. – Hier traten ihnen jedoch sofort die Handgranatentrupps der 7. und 8. Kompagnie (Abschnitt B und C) entgegen.
Leutnant d. R. Goetze hatte erst am Nachmittag die 7. Kompagnie (Abschnitt C) von dem verwundeten Oberleutnant Küffner übernommen, der als Nachfolger des Hauptmanns Moschner seiner Kompagnie ein ebenso vortrefflicher Führer und Erzieher geworden war, wie dieser. Leutnant d. R. Goetze befand sich zur Zeit der Sprengung mit dem Unteroffizier Georgi von der 5./Pion.-Batl. 15 an der Einmündung des Schloßwegs in die Stellung. Mit einigen rasch zusammengerafften Leuten begannen sie sofort den rechts von ihnen eingedrungenen Engländer mit Handgranaten gegen den Trichter zurückzutreiben. Von einem zur Unterstützung gesandten Handgranatentrupp der 6. Kompagnie unterstützt, gelangten sie bis auf 20 m an den Trichter heran, wurden aber hier durch starkes M.-G.-Feuer des Engländers zum größten Teil außer Gefecht gesetzt. Der Rest grub sich im Trichterschutt ein.
Im Abschnitt B (8. Komp.) warf sich Leutnant d. R. Jehle dem eingedrungenen Feind mit zwei Gruppen entgegen. Hierbei fand der tapfere Offizier, der sich erst im März in einer gefahrvollen und abenteuerlichen Fahrt aus Chile nach der Heimat durchgeschlagen hatte, den Heldentod. An seine Stelle trat Leutnant d. R. Matt, dem es gelang, den Gegner in hartnäckigem Handgranatenkampf allmählich auf den Trichter zurückzutreiben. Als aber der Nachschub an Handgranaten infolge einsetzenden starken Artilleriefeuers aufhörte, errang der Engländer wieder einige Vorteile. Ein Versuch desselben, die 8. Kompagnie vom Trichter aus im Rücken zu fassen, scheiterte jedoch an der entschlossenen Gegenwehr der braven Mannschaft und bald traf auch die angeforderte Unterstützung – ein  Zug der 9. Kompagnie – ein und festigte hier die Lage.
Währenddessen besetzten die Bereitschaftskompagnien (11. und 12.) die zweite Stellung; die Regimentsreserve wurde mit der 9. Kompagnie im Geyerweg, mit der 10. in der Meisengasse bis zum Gefechtsstand des Abschnittskommandeurs vorgezogen, die Divisionsreserve (I. Batl.) in die dritte Stellung. Infolge der großen Ausdehnung des Sprenggebiets, der hereinbrechenden Dunkelheit, des starken Artilleriefeuers, das die Sprechleitungen zerstörte und die Meldegänger behinderte, dauerte es aber geraume Zeit, bis der Abschnittskommandeur, Major Blezinger, die Lage übersehen konnte.

Als erste Hilfe sandte er die 12. Kompagnie nach dem besonders gefährdeten Abschnitt C. Sie traf noch rechtzeitig ein, um die Verluste durch Verschüttungen und Artilleriefeuer zu ersetzen, den durch Leutnant Goetze vom Gegner gesäuberten Grabenteil zu sichern und bei der Abwehr eines frontalen Angriffs mitzuwirken, der vor unsern Hindernissen zusammenbrach. Auch das auf Anfordern prompt einsetzende Sperrfeuer unserer Artillerie hatte hierbei kräftig mitgewirkt.
9.25 Uhr abends erhielt Hauptmann Winghofer, der Führer der eben eingetroffenen Regimentsreserve (9. und 10. Komp.) den Befehl, mit je einer Kompagnie, im Schloßweg und Seeweg vorgehend, den Trichter von Norden und Nordosten anzugreifen, unterstützt durch die Feuertätigkeit der 8. und 7. bzw. 12. Kompagnie. 10.45 Uhr abends sollte der Sturm beginnen. Ein Zug der 9. Kompagnie wird auf Anfordern zur Verstärkung des Abschnitts B entsandt, von den gegen 10 Uhr abends eintreffenden beiden Kompagnien  des I. Bataillons die 3. an Stelle der 12. zur Beset-zung der zweiten Stellung verwendet und die 2. als Reserve des Abschnittskom-mandeurs zurückbehalten.
10.35 Uhr stehen 9. und 10. Kompagnie bereit und treten wie befohlen zum Angriff an. Während aber der Angriff der 10. Kompagnie aus dem Seeweg heraus im feindlichen Artillerie-Sperrfeuer zum Stehen kommt, scheitert der Angriff der 9. an dem starken M.-G.-Feuer aus dem Trichter.“


aus: „Das 8. Württembergische Infanterie-Regiment Nr. 126 „Großherzog Friedrich von Baden“ im Weltkrieg 1914-1918ׅ, Stuttgart 1929

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