„An der großen,
von Südwesten nach der Festung Roshan führenden Straße hatte der Feind sich
mehrere Schanzen errichtet und mit M.-G. besetzt. Zusammen mit II./125
entfalteten sich 10. und 12. Kompagnie während der Nacht bei Regen und
arbeiteten sich bis auf 500 Meter an den Feind heran. Im Zwielicht schlängeln
sich die Schützen der 5. und 8. Kompagnie und Stabstruppe II. Bataillon
vorwärts und stellen sich mit den Reserven bereit. Schon am 19. Juli mittags
wird ein Detachement Frommann, bestehend aus 6. und 7. Kompagnie und einem Zug
M.-G. gebildet und auf Meldungen, daß der Feind über Pruschki im Anmarsch sei,
dorthin entsandt, um gleichzeitig die rechte Flanke der Angriffstruppen zu
decken.
Den Morgen
begrüßen die ersten Artillerieschüsse. Nun da es Tag war, sah man das Feld
zwischen den Kompagnien und der anzugreifenden Höhe 132 weit sich dehnen.
Vorsichtig arbeiteten sich die Schützen vor, dort ein Zug, da eine Gruppe, das
noch spärlich stehende Getreide bot wenig Deckung.
Über solch
mühsamer Annäherungsarbeit stieg die Sonne höher und höher. Es gelang allen
Teilen auf Sturmentfernung heranzukommen. Je mehr das Infanteriefeuer
verstummte, um so stärker tobte die feindliche Artillerie. Doch auch unsererseits
schlug Treffer auf Treffer in die feindlichen Erdaufwürfe und hüllte sie in
eine fahlgelbe Wolke. Jetzt war es Zeit! Um 10 Uhr vormittags kam der Befehl
zum Sturm. Gebückt in schärfstem Lauf ging es vorwärts, nur wenig
Infanteriefeuer war noch zu spüren; durch die zerschossenen Hindernisse stürzt
die Schar der Stürmenden mit brausendem Hurra auf den Feind.
Allen voran eilt
der Unteroffizier Weckerle der 5. Kompagnie – er war auf vorgeschobenem Posten
– als er seine Kompagnie zum Angriff kommen sah; so stand er mit seinen
getreuen Begleitern zunächst allein einer feindlichen Besetzung von 120 Mann,
die nachher gefangen wurde, gegenüber. Im stärksten Feuer. 30 Schritt jenseits
der Schanze, kriecht er seinem verwundeten Leutnant Eisenbraun zu Hilfe und
schafft ihn auf seinem Rücken in die Schanze, begab sich wieder nach vorne und
übernahm die Führung des Zuges. Gegen Mittag am Kopf selbst nicht unerheblich
verwundet, lehnt er es ab, zurückzugehen und bleibt bis zum andern Morgen auf
dem Gefechtsfeld. Das E. K. I belohnte sein ehrenvolles Verhalten. Zum Teil
ohne Mantel und Waffenrock, Entsetzen und Angst in den Gesichtern, flohen die
Russen ins Innere der Festung. Viele ergeben sich mit erhobenen Händen. Die
Schanzen und damit die Hauptlinie hat das Regiment in Besitz; eine Verbindung
nach rückwärts über die deckungslose Ebene war jedoch unmöglich. 42 Tote, 145
Verwundete (darunter 7 Offiziere) verloren das II. und III. Bataillon.
Wie meist, so war
auch hier der Sturm nur der Anfang eines wütenden Kampfes. Schon kamen in
weiter Ferne sichtbar starke russische Schützenlinien heran; unsere
wohlgezielten Kugeln schlugen ihnen entgegen. Ein kurz vorher erobertes M.-G.
wurde in Stellung gebracht und kräftig in Tätigkeit gesetzt. Überhaupt sparten
die Leute ihre Munition dadurch, daß sie aus den zahlreich erbeuteten Gewehren
mit russischer Munition schossen. Immer dünner wurden die feindlichen Reihen;
der Rest flutet in die Gräben zurück.
Die eroberte
Stellung wurde während der Nacht mit Sandsäcken und Hindernissen sorgfältig
ausgebaut. Im Morgengrauen waren die feindlichen Gräben leer, die Russen waren
über den Narew zurückgegangen.
Roshan, Stadt und
Festung waren in unserer Hand, der Übergang über den Fluß, der sich in wenig
eingeschnittenem Tal, breit und träge, durch Sandbänke und mehrere Läufe
getrennt, zu den Füßen der Stadt dahinzieht, gesichert.“
aus:
„Das Infanterie-Regiment „Alt Württemberg“ (3. Württ.) Nr. 121 im Weltkrieg
1914–1918ׅ, Stuttgart 1921
aus:
„Das Infanterie-Regiment „Kaiser Friedrich, König von Preußen“ (7. Württ.) Nr.
125 im Weltkrieg 1914–1918“ׅ, Stuttgart 1923
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