„Aus den weiteren
Meldungen über das Verhalten des Feindes ergab sich für den 15. August die
Aufgabe für das Regiment, Verfolgung durch den Wald westlich Mien gegen die
Mianka und Wegnahme von Mien.
Starkes
feindliches Artilleriefeuer erschwerte die Erkundungen von Übergangsstellen
über die Mianka ganz ungemein. Der reiche Geschoßsegen war auch der Grund,
weshalb das Legen von Brückenstegen über den Bach mit seinen breiten, sumpfigen
Ufern nicht gelingen wollte. Mien war stark besetzt und der Russe nicht zu
bewegen, durch unser, zeitweilig zu großer Heftigkeit anschwellendes
Infanterie- und Artillerie-feuer die Brücke von Mien freizugeben. Also mußte zum
Sturm auf Mien geschritten werden.
Nachdem die Feuerkraft
des I. Bataillons noch durch zwei Haubitzen, in vorderer Linie eingesetzt,
verstärkt worden war, wurde gegen 3 Uhr nachmittags aus den Waldrändern
nordwestlich Mien, II. Bataillon rechts, I. Bataillon links, in heftigem
feindlichem Feuer auf Sturmentfernung an Mien herangegangen. Dabei stieß man
auf die dem Ort unmittelbar vorgelagerten, etwa hundert Meter breiten
Sumpfstrecken, mit deren fast vollständiger Ungangbarkeit man nicht gerechnet
hatte. Die Lage wurde bedenklich. Da dringt Vizefeldwebel Ott der 4. Kompagnie,
seinen Zug mit sich fortreißend, ohne Rücksicht auf das wütende feindliche
Feuer über die Brücke in den Ort ein. Diese Darstellung ist einem
Gefechtsbericht des I. Bataillons entnommen. Nach der „Schwä-bischen Kunde“
erfolgte der Einbruch Otts in den Ort Mien auf einem zufällig entdeckten,
vorher nicht bemerkten und von den Russen unbeachtet gelassenen Steg. Es ist
Sache späterer Forschungen klarzulegen, welche Schilderung die zutreffende ist.
Hier genügt festzustellen, daß der rasch in die Tat umgesetzte Entschluß des
Vizefeldwebels Ott ausschlaggebend war. Das ging zu rasch für die schwerfällig
denkende Russenseele, mit solcher Tapferkeit und solchem tollkühnem Wagemut
hatte der Feind nicht gerechnet, er gab den Widerstand auf, 100 Gefangene in
unserer Hand lassend. Der Versuch der Russen, die 40 m lange Holzbrücke über
die sumpfige Mianka durch Feuer zu zerstören, wurde durch Patrouillen der 4.
Kompagnie vereitelt. Die Brücke war nur auf einer Seite zur Hälfte
durchgebrannt, sie konnte in diesem Zustand für Truppen-bewegungen noch gut
benutzt werden.
Das Regiment
überschritt die Mianka, grub sich auf den Höhen östlich Mien ein und wehrte
hier verschiedene Angriffe der Russen ab, die, in ihrer Hoffnung getäuscht, uns
durch die günstige sumpfgeschützte Lage von Mien längeren Aufenthalt zu
bereiten, den erforderlichen Zeitgewinn für ihre zurückmarschierenden Kolonnen
auf andere Weise, durch Gegenangriffe, zu erreichen suchten. Da wir aber nun
einmal das östliche Miankaufer als Sieger betreten hatten, konnten sich die
Russen hier nicht mehr lange halten. Dies einsehend, verschwanden sie auf der
ganzen Linie in den ersten Morgen-stunden des neuen Tages.“
aus:
„Das Infanterie-Regiment „Kaiser Friedrich, König von Preußen“ (7. Württ.) Nr.
125 im Weltkrieg 1914–1918“ׅ, Stuttgart 1923
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