Samstag, 15. August 2015

15. August 1915


„Aus den weiteren Meldungen über das Verhalten des Feindes ergab sich für den 15. August die Aufgabe für das Regiment, Verfolgung durch den Wald westlich Mien gegen die Mianka und Wegnahme von Mien.
Starkes feindliches Artilleriefeuer erschwerte die Erkundungen von Übergangsstellen über die Mianka ganz ungemein. Der reiche Geschoßsegen war auch der Grund, weshalb das Legen von Brückenstegen über den Bach mit seinen breiten, sumpfigen Ufern nicht gelingen wollte. Mien war stark besetzt und der Russe nicht zu bewegen, durch unser, zeitweilig zu großer Heftigkeit anschwellendes Infanterie- und Artillerie-feuer die Brücke von Mien freizugeben. Also mußte zum Sturm auf Mien geschritten werden.
Nachdem die Feuerkraft des I. Bataillons noch durch zwei Haubitzen, in vorderer Linie eingesetzt, verstärkt worden war, wurde gegen 3 Uhr nachmittags aus den Waldrändern nordwestlich Mien, II. Bataillon rechts, I. Bataillon links, in heftigem feindlichem Feuer auf Sturmentfernung an Mien herangegangen. Dabei stieß man auf die dem Ort unmittelbar vorgelagerten, etwa hundert Meter breiten Sumpfstrecken, mit deren fast vollständiger Ungangbarkeit man nicht gerechnet hatte. Die Lage wurde bedenklich. Da dringt Vizefeldwebel Ott der 4. Kompagnie, seinen Zug mit sich fortreißend, ohne Rücksicht auf das wütende feindliche Feuer über die Brücke in den Ort ein. Diese Darstellung ist einem Gefechtsbericht des I. Bataillons entnommen. Nach der „Schwä-bischen Kunde“ erfolgte der Einbruch Otts in den Ort Mien auf einem zufällig entdeckten, vorher nicht bemerkten und von den Russen unbeachtet gelassenen Steg. Es ist Sache späterer Forschungen klarzulegen, welche Schilderung die zutreffende ist. Hier genügt festzustellen, daß der rasch in die Tat umgesetzte Entschluß des Vizefeldwebels Ott ausschlaggebend war. Das ging zu rasch für die schwerfällig denkende Russenseele, mit solcher Tapferkeit und solchem tollkühnem Wagemut hatte der Feind nicht gerechnet, er gab den Widerstand auf, 100 Gefangene in unserer Hand lassend. Der Versuch der Russen, die 40 m lange Holzbrücke über die sumpfige Mianka durch Feuer zu zerstören, wurde durch Patrouillen der 4. Kompagnie vereitelt. Die Brücke war nur auf einer Seite zur Hälfte durchgebrannt, sie konnte in diesem Zustand für Truppen-bewegungen noch gut benutzt werden.
Das Regiment überschritt die Mianka, grub sich auf den Höhen östlich Mien ein und wehrte hier verschiedene Angriffe der Russen ab, die, in ihrer Hoffnung getäuscht, uns durch die günstige sumpfgeschützte Lage von Mien längeren Aufenthalt zu bereiten, den erforderlichen Zeitgewinn für ihre zurückmarschierenden Kolonnen auf andere Weise, durch Gegenangriffe, zu erreichen suchten. Da wir aber nun einmal das östliche Miankaufer als Sieger betreten hatten, konnten sich die Russen hier nicht mehr lange halten. Dies einsehend, verschwanden sie auf der ganzen Linie in den ersten Morgen-stunden des neuen Tages.“


aus: „Das Infanterie-Regiment „Kaiser Friedrich, König von Preußen“ (7. Württ.) Nr. 125 im Weltkrieg 1914–1918“ׅ, Stuttgart 1923

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