„16. August.
Abmarsch nach Mjen, woselbst die 1. Eskadron einrückt. Die 3. Eskadron wird dem
Detachement Keller zugeteilt. Das Regiment übernimmt dessen Flanken-schutz von
Punkt 146 nordöstlich Domanowo aus. Von Punkt 146 nördlich Bransk wird die 4.
Eskadron entsandt zur Säuberung des Waldgeländes Poletyli. Sie besetzt den
Ostrand. Nach Eintreffen von 2 Bataillonen 125 rückt es nach dem Waldrand
westlich Poletyli. Die 3. Eskadron rückt ein, ohne den in Frieden und Krieg in
seiner verant-wortlichen Stellung hochbewährten Wachtmeister Ungerer.
Nach den bei der
Infanterie eingegangenen Meldungen konnte die Division mit Sicherheit annehmen,
daß am heutigen Tage mit einem bewaffneten Widerstand der Russen nicht mehr zu
rechnen war. Sobald der Vormarschbefehl beim Regiment eingetroffen war, wurde
angetreten. Für die Major Keller zugeteilte 3. Eskadron galt es nun, vom
Sammelplatze aus schleunigst den gebotenen Vorsprung zu gewinnen. Im Galopp
begaben sich Patrouillen vor der Spitze vornweg, die Schwadron folgte im Trab.
Ganz korrekt meldete der Führer der Spitze von Kalnica aus, der Westausgang sei
frei. Neben dem Eskadronführer befand sich der Ordonnanzoffizier der Division,
Fürst Wittgenstein – dieser um ein Stabsquartier auszusuchen. Vor dem Ausgang
links befanden sich einige Häuser mit etwas Abstand von der Straße und dem
Dorfe. In dem Zwischenraum fiel beiden auf, daß die Bewohner ganz russisch, mit
langem Kopf- und Barthaar, flehend nach uns gerichtet, auf den Knien lagen.
Kaum hatten wir sie passiert, wurde uns auch schon klar, weshalb sie glaubten,
unsere Rache fürchten zu müssen, denn von der Höhe südlich, etwas westlich des
Dorfes, setzte auch schon ein ganz sorgfältig gezieltes Feuer auf die Schwadron
ein, so daß mangels jeder Deckung nichts übrig blieb als das Kommando „Zu
vieren linksum kehrt, Galopp Marsch“. Wacht-meister Ungerer, bisher
Schließender, befand sich nunmehr am Anfang der galoppieren-den Kolonne, hätte
somit nach menschlichem Ermessen, wenn der Gegner nicht sehr stark vorhielt, am
sichersten sein müssen, und doch wollte es das Schicksal, daß gerade er einen
Infanterieschuß in die Halsschlagader erhielt. Nach wenigen hundert Metern, als
die Schwadron bereits wieder in Trab gesetzt war, fanden die beiden am Ende
reitenden, Fürst Wittgenstein und der Eskadronchef, ihn bereits mit einem der
Trompeter links herausgezogen, auf den Hals seine Pferdes gestützt, schwer aus
seiner Wunde blutend. Er wurde sofort in den Straßengraben gedeckt
niedergelegt. Aber ohne daß ein sofort herbeigeholter
Infanterie-Sanitätsunteroffizier ihm helfen konnte, starb er in wenigen
Minuten, ohne das Bewußtsein wieder erlangt zu haben, an Verblutung.“
aus:
„Bilder aus der Geschichte de Ulanen-Regiments König Wilhelm I (2. Württ.) Nr.
20“, Stuttgart 1934
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