„Am 17. August
griff der Gegner die deutschen Stellungen südöstlich Sondernach an und es
gelang ihm, die Verteidiger, bayerische und preußische Infanterie, auf das
„Mättle“ an den Osthang des sich zwischen Sondernach und Landersbach vom
Hilsenfirst herabziehenden Höhenrückens zurückzudrängen. Der deutsche
Heeresbericht vom 18. August meldet darüber: „In den Vogesen erfolgten durch
sehr erheblichen Munitionseinsatz vorbereitete französische Angriffe gegen
unsere Stellungen südöstlich von Sondernach. Völlig zerschossene Grabenstücke
sind in den Händen der Franzosen geblieben.“ Auch die rückwärtigen
Verteidigungen bis hinunter nach Wasserburg wurden mit schwerem Artilleriefeuer
belegt.
Nachmittags um 5
Uhr wurde der Kompagnie von der Brigade Alarmbereitschaft befohlen. Um ½12 Uhr
nachts traf der Befehl ein: „Die Gebirgs-Kompagnie marschiert sofort nach
Landersbach und meldet sich am südlichen Ortseingang beim Führer des
Ortsabschnitts.“ In stockdunkler Nacht zog die Kompagnie Mann hinter Mann
hinüber zum Belchensattel und hinunter in die Längenrunz. Teile von Landesbach
und die Spinnerei standen in hellen Flammen; unheimlich beleuchtete der rote Feuerschein
den schmalen Abstiegspfad. Am Langenfeldkopf, am Schnepfenrieth, am Reichacker
und am Gachneykopf blitzten die Geschütze auf und drunten im engen
Landersbacher Tal krepierten die Geschosse, deren Krachen in vielfachen Echo
von den Berghängen widerhallte. Mitten hinein in diesen Hexenkessel führte der
Weg der Kompagnie – welcher Gegensatz zu den letzten Wochen! Gegen ½4 Uhr
morgens war das Ziel erreicht; der Kompagnie wird befohlen, am Waldrand östlich
des Mättle den Tagesanbruch zu erwarten. Vorbei an den brennenden Häusern des
Ortsausgangs ging es dorthin. Leichtverwundete kommen der Kompagnie entgegen und
verbreiten in einem seltsamen Zustand von Nervenüberreizung die tollsten
Gerüchte. In gleich-mäßigen Abständen liegen die Einschläge einer 15-cm-Haubitz-Batterie
mitten in der brennenden Ortschaft. Noch vor Tagesanbruch wird das Mättle
erreicht, eifrig machen sich die Schützen an die Arbeit und graben sich zum
Schutz gegen Artilleriefeuer Löcher hinter starken Bäumen. Handgranaten werden
gefaßt; Oberleutnant Zickwolff geht mit dem Adjudanten des
Abschnittskommandeurs in die Hauptstellung vor. Sie ist von Bayern und Preußen
besetzt, die ermattet und erschöpft von den schweren Kämpfen des Vortags in den
Gräben liegen und aufatmen, als sie hören, daß Hilfe im Anmarsch ist. Die Lage
war folgende: Um 11 Uhr vormittags hatte der Gegner überraschend die bisher
unberührte Stellung in etwa 300 Meter Breite unter Trommelfeuer genommen. Beim
nachfolgenden Angriff war ihm das völlig zerschossene Grabenstück in die Hände
gefallen; die Riegelstellung und die anschließenden Grabenstücke konnten
gehalten werden. Oberleutnant Zickwolff erhält vom Abschnittskommandeur
folgenden Befehl: „Ich habe mich entschlossen, die gestern in die Stellung
eingedrungenen Franzosen hinauszuwerfen! Die Württ. Gebirgs-Kompagnie greift
zusammen mit der 8. Bayrischen Radfahr-Kompagnie an. Die Kompagnien bauen sich
hinter der eigenen Stellung auf und werfen den Feind durch eine
Rechtsschwenkung auf den rechten Flügel der Bayern.“ Der Abschnittskommandeur
ergänzt diesen Befehl noch mündlich dahin-gehend, daß die Sache ganz einfach
sei; die paar gegenüberliegenden Franzosen seien sehr entkräftet, so daß die
Stellung mit leichter Mühe aufgerollt werden könnte.
Der Angriff mußte
ohne Artillerievorbereitung erfolgen, da die deutschen Batterien auf diese
Stelle nicht wirken konnten. Lautlos rückt die Kompagnie in die
Sturmausgangs-stellung. Der ganze Hang ist sehr dicht bewaldet und mit starkem
Unterholz durchsetzt. Deutlich erklingt aus dem Dickicht das Arbeiten der
französischen Spaten. Kein Schuß fällt. Die drei ersten Züge schwärmen aus, die
Seitengewehre werden aufgepflanzt. Nachdem die rechts von der Gebirgs-Kompagnie
aufgestellten Radfahrer ebenfalls Sturmbereitschaft gemeldet haben, gibt
Oberleutnant Zickwolff 8.20 Uhr vormittags das Zeichen zum Angriff. Der erste
Zug unter Offizierstellvertreter Wörn ersteigt als erster die Straßenböschung,
überquert die Straße und geht über das jenseits befindliche Drahthindernis
gegen den Hochwald vor; Offizierstellvertreter Mühlenstedt schließt sich mit
dem zweiten Zug an, während der dritte Zug unter Vizefeldwebel Lindenbauer
etwas später nach links verlängert. Offizierstellvertreter Schild bleibt mit
dem vierten Zug als Reserve zurück, die Maschinengewehre baut Oberleutnant
Cranz am Straßenrand auf. Erst wenige Meter haben sich die Stoßtrupps im
Dickicht vorgearbeitet, da bricht die Hölle los. Ein Hagel von Geschossen
überschüttet die Angreifer; Handgranaten, von unsichtbaren Händen geschleudert,
sausen durch die Luft, detonieren krachend und streuen ihre Splitter nach allen
Seiten. Schon liegt die Radfahr-Kompagnie fest, während sich die
Gebirgsschützen noch Schritt um Schritt vorkämpfen. Nur langsam kommen die
Schützen im dichten Buschwerk, in dem kaum der nächste Nachbar zu sehen ist,
vorwärts. Von Granatloch zu Granatloch springend, erreicht der linke Flügel die
verlorene Stellung. Mitte und rechter Flügel kommen trotz rücksichtslosem
Draufgehen vor den starken Stützpunkten des Gegners nicht mehr weiter. Bis
jetzt sind die Verluste noch verhältnismäßig gering, als einer der ersten fällt
Unteroffizier Großhans durch Kopfschuß. Nun setzt heftiges Flügelminenfeuer
ein. Die Teufelsdinger krepieren an den Bäumen hoch über dem Boden und als nun
auch noch zahlreiche Batterien ihre Feuerschlünde öffnen, rast ein Orkan über
das Mättle und bringt Tod und Verderben. In ungestümem Anlauf gelingt es dem
Zug Lindenbauer, über zwei feindliche Grabenlinien vorzudringen, dann bietet
auch ihm der wachsende feindliche Widerstand halt. Der Gegner ist stark in der
Übermacht, die Verluste der Kompagnie mehren sich; alle seitlichen Verbindungen
sind unterbrochen, man kämpft in einzelnen Gruppen und verteidigt das Erreichte
in zähem Festhalten. Nur wenige Schritte liegen die Franzosen entfernt, man
hört das Stöhnen ihrer Verwundeten und die Kommandorufe ihrer Führer. Leutnant
Reutter, der Führer der bayerischen Radfahrer, macht Oberleutnant Zickwolff
Meldung, daß seine Kompagnie nicht mehr weiter vorwärts komme und die befohlene
Rechtsschwenkung nicht durchführen könne. Oberleutnant Zickwolff meldet
seinerseits über die Gefechtslage an den Abschnitts-kommandeur und erhält den
Befehl, den Angriff unter allen Umständen durchzuführen. Nun müssen die letzten
Reserven heran. Zur Deckung des in der Luft hängenden linken Flügels wir ein
Halbzug des vierten Zuges in der bedrohten Flanke eingesetzt. Mit großer
Kühnheit dringt Offizierstellvertreter Schild bis über den jenseitigen Weg vor
und setzt sich in einer dritten feindlichen Stellung fest. Immer mehr
feindliche Geschütze, darunter auch 15er und 22er, greifen in den Kampf ein. In
der linken Flanke werden Umgehungsversuche des Gegners bemerkt; wenn sie
gelingen, ist die Kompagnie erledigt. Die Schützen kämpfen mit dem Mut der
Verzweiflung; ihre Reihen lichten sich beängstigend, Verwundete schleppen sich
zurück oder werden von den unerschrocken vorgehenden Krankenträgern
zurückgeschafft. Allen voran „Onkel Paul“, wie der treue Kamerad Stuhlinger
genannt wurde; aus den Reihen der Kämpfenden heraus holt er einen Verwundeten
nach dem andern und bringt sie zum Verbandplatz. Nun tritt in vorderster Linie
auch noch Munitionsmangel ein, Nachschub ist beinahe unmöglich! Weitere Kräfte
zum erneuten Einsatz sind nicht da und damit wird die Lage unhaltbar. Es gibt
nur noch zwei Möglichkeiten: entweder aufgerieben werden, oder zurück in die
bessere Verteidigungsmöglichkeiten bietende Sturmaus-gangsstellung. Zur Abwehr
eines erwarteten feindlichen Flankenstoßes wir auch noch de letzte Halbzug
unter Vizefeldwebel Oppold auf dem linken Flügel eingesetzt. Oberleutnant
Zickwolff befiehlt höchste Feuergeschwindigkeit auf de ganzen Linie, damit
alles, was an Toten und Verwundeten noch draußen liegt, geborgen werden kann.
Dann zieht sich die Kompagnie auf die alte Stellung am Ostrand des Weges
zurück. Auch die Radfahrer schließen sich dieser Bewegung an. Als letzter kommt
Vizefeldwebel Lindenbauer mit 10 Mann seines Zuges, sie sind mit knapper Not der
Gefangennahme entgangen. Da mit einem Vorstoß der Franzosen gerechnet werden
muß, wird sofort mit Hochdruck an den Stellungausbau gegangen, die
Schützenlöcher werden zu Gräben erweitert, Maschinengewehre eingebaut und
Horchposten über den Weg vorgeschoben. Gegen Mittag hört das feindliche
Artillerie- und Minenfeuer fast gänzlich auf, nachdem noch eine der letzten
Granaten zwei Schützen getötet, Offizierstellvertreter Schild und Feldwebel
Lindenbauer verwundet hat. Leider sind auch ein paar Vermißte zu melden. Vom
ersten Zug fehlt Unteroffizier Hecht, ein lieber Kamerad von der
Schneeschuh-Kompagnie, ebenso Henninger vom Beobachtungstrupp, der vorne fiel
und nicht mehr zurückgebracht werden konnte. Erst ein Jahr später ist eine
bayerische Patrouille im Niemandsland auf seine Überreste gestoßen. Inzwischen
hat sich die Kompagnie weiter eingeschanzt; um 2 Uhr nachmittags melden die
über die Straße zurückkriechenden Horchposten, daß der Gegner sich mit starken
Kräften vorsichtig heranarbeite und allem Anschein nach einen Angriff
vorbereite. Nun wurde der Stiel umgedreht. Handgranaten und starkes
Maschinengewehrfeuer würgen den feindlichen Sturm ab, du als nun auch noch die
deutsche Mörserbatterie vom Kahlen Wasen in die französische Stellung funkt und
die französische Artillerie eine Serie zu kurz gehende Treffer in die eigenen
Reihen setzt, gibt der Gegnernach einer halben Stunde den Versuch auf.
Der Nachmittag
verläuft ruhig; ein leichter Regen bringt Abkühlung; das Artilleriefeuer liegt
mehr auf den Anmarschwegen und den beiderseitigen Batteriestellungen. Abends
7.30 Uhr wagt der Franzmann noch einmal einen überraschenden Vorstoß, diesmal
bei den Radfahrern auf dem rechten Flügel. Aber die Bayern sind auch auf der
Hut und weisen ihn ab. Um 10 Uhr gibt es abermals einen Feuerzauber; dann wird’s
ruhig. Pioniere gehen vor und bauen jenseits der Straße ein Drahtverhau. Kurz
vor Mitternacht wird die Kompagnie durch das I. Bataillon Bayer. Res.-Inf.-Regiments
18 abgelöst. Sie marschiert in ihr Lager am Kleinen Belchen zurück. Über 70
fehlen, darunter sind 13 Tote und drei Vermißte, die heute auch zu den
Gefallenen gerechnet werden müssen.“
aus: „Die
Geschichte der Württembergischen Gebirgsschützen“ׅ, Stuttgart 1933
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