Sonntag, 23. August 2015

23. August 1915


„Am 21. August abends lagen die Grenadiere im Kampfe mit dem westlich Spiczki eingenisteten Gegner; am folgenden Tage (22. August) wogte der Kampf hin und her. Wiederholt griffen die Russen, von ihrer auf dem nördlichen Orlanka-Ufer stehenden schweren Artillerie unterstützt, in Massen an; doch ohne Erfolg. Gegen 4 Uhr nachmittags gelang es dem Regiment, die Höhe 166 westlich Spiczki zu gewinnen, während das Inf.-Regt. 125 weiter südlich die Höhe 179 in Besitz nahm.
Am 23. August, 9 Uhr vormittags war das stark befestigte Dorf Spiczki in den Händen der Grenadiere.
In diesen Kämpfen hat sich ein Angehöriger des 3. Zuges der M.-G. 119, Anton Hudelmaier von Mögglingen OA. Gmünd, besonders ausgezeichnet. Sein Zugführer, Leutnant Hans v. Graevenitz berichtet darüber:
„Vor Spiczki waren in dem Abschnitt von 3 Infanteriekompagnien 9 Maschinengewehre eingebaut worden. Während der Nacht 22./23. August war der Russe sehr unruhig und schoß dauernd auf unsere Gräben, die wir nach Abschluß der Vorwärtsbewegung schnell aufgeworfen hatten.
Mit den 3 unter meinem Befehle stehenden Maschinengewehren befeuerte ich die am Südrand von Spiczki liegenden Russen, deren Bewegungen in der Nacht durch das dahinter liegende brennende Dorf gut zu sehen waren, ebenso die vom Ostrand von Spiczki nach Höhe 179 zurückgelegenen Staffeln des Gegners. Das Hauptaugenmerk war aber auf die Flankierungsanlage, 300 Meter südlich vom Westrand Spiczki gelegen, gerichtet; dort steckte ein feindliches Maschinengewehr. Bald nahm auch dieser Gegner das Feuer auf uns auf, es gab ein regelrechtes Feuerduell, wir hatten leider 2 Verwun-dete dabei.
Inzwischen war es hell geworden. Am linken Gewehr war der Gewehrführer ausge-fallen; ich sprang herüber und hing mich als Richtschütze an das Gewehr. In unserem gutsitzenden Feuer versuchten die Russen ihr Maschinengewehr nach rückwärts aus der Stellung herauszuziehen und in das Dorf zurückzubringen. Ihre Bewegungen brachen aber in unserem Feuer zusammen, sie standen von ihrem Versuche ab, ihr Maschinen-gewehr blieb 100 Meter links der dortigen Schanze liegen.
Mit meinem Gewehr überwachte ich das liegengebliebene Gewehr, an welchem jede Bewegung unter Feuer genommen wurde, während sie anderen Maschinengewehre des Zuges die Flankierungsanlage selbst und die dahinter gelegenen Staffeln der Russen beschossen. Das Feuer der Russen verstummte auf einmal, so daß ich dachte, sie hätten sich durch die nach rückwärts führenden Verbindungswege zurückgezogen. Ich sagte nun, das Maschinengewehr, das wir mit unserem Feuer erledigt hatten, müsse als Beute her. Anton Hudelmaier meldete sich sofort als Freiwilliger hierzu. Er pirschte sich, mit einer Pistole 08 und einem kleinen Spaten bewaffnet, derart durch das gewellte Gelände an das feindliche Maschinengewehr heran, daß ich das Maschinengewehr links der Schanze, meine 2 anderen Gewehre die Schanze selbst beschießen konnten, was auch tüchtig besorgt wurde. Als Hudelmaier auf etwa 200 Meter an die Schanze herange-kommen war, erschienen in dieser plötzlich einige Köpfe.“ –
Hudelmaier gibt über diesen Augenblick folgende Schilderung: „Im feindlichen Graben wurde es mit einem Schlag lebendig, aufgepflanzte Bajonette kamen auf die Brustwehr und ich sah den ganzen Graben voll Russen. Ich ließ mich hierdurch jedoch nicht beeinflussen und in dem Gedanken, Gott verläßt keinen Deutschen, kam ich glücklich bis an den feindlichen Graben. Der russischen Sprache unkundig, konnte ich nur durch Winke zu verstehen geben, sie möchten sich ergeben; nach einigem Besinnen kam dann auch ein Russe zu mir heraus, gab mir die Hand, und dann folgte gleich der größte Haufen p. p.“ –
Leutnant von Graevenitz berichtet weiter: „Hudelmaier zog 32 Mann und das Maschi-nengewehr aus der Russenschanze und brachte alles zu uns in den Graben. Ich saß während des Vorgangs, der sich unter meinen Augen abspielte und für den ich verant-wortlich war, wie auf glühenden Kohlen.
Unsere Artillerie setzte nun auch ein und beschoß die weiter rückwärts gelegenen russischen Gräben. Die Russen, etwa 500 Mann, liefen aus ihren Gräben zunächst zurück, dann nach rechts zu Inf.-Regt. 125 herüber. Die Schanze der Russen war sauber mit Schrapnelldach und Schießscharten ausgebaut, von 32 Mann besetzt und mit einem Maschinengewehr bestückt; ein Offizier und ein Feldwebel waren auch dabei, welche während der Gefangennahme nach rückwärts ausreißen wollten, was aber nur dem Offizier glückte, während der Feldwebel auf das von uns einsetzende Feuer sofort umkehrte. Nachdem diese Schanze genommen war, konnte der Angriff des Bataillons in östlicher Richtung und die Besitznahme des Dorfes Spiczki vonstatten gehen, was schon am 22. August beabsichtigt war.
Gegen 2 Uhr nachmittags wurde ich mit Hudelmaier zum Regiment befohlen; letzterer erhielt sofort das E. K. II. Für wiederholt bewiesene Tapferkeit ist ihm später (Januar 1917) auch das E. K. I und die württembergische Goldene Militär-Verdienstmedaille verliehen worden.“
Über die Orlanka zurückgedrängt, hatte der Gegner nach Fliegermeldungen die Höhen nordöstlich Orla besetzt.“



aus: „Das Grenadier-Regiment „Königin Olga“ (1. Württ.) Nr. 119 im Weltkrieg 1914-1918“, Stuttgart 1927

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