„Am 7. August
setzte das Regiment den Vormarsch über Kraska und Mlynik fort, das III.
Bataillon als Vorhut. Zwischen den beiden Orten erhielt die Vorhut von rechts
her, von Höhe 149 östlich des Lyssa Gura Artilleriefeuer. Doch ging dasselbe
hoch über das Bataillon hinweg. Und die Sprengwirkung der damaligen russischen
Geschosse war sehr eng begrenzt, weil ihr Metall zäh war statt spröde.
Hinter dem III.
Bataillon ritt der Regimentsstab. Bei Beginn des Feuers galoppierte derselbe an
dem Bataillon entlang vor nach Mlynik. Die Vorhut sollte sich auf Befehl des
Regiments in dem Grund südlich des Dorfes, hinter einem Steilhang gedeckt
aufstellen, das I. Bataillon in dem Gehölz 400 Meter nördlich Mlynik; das II.
Bataillon und die M.-G.-K. blieben in Kraska. Während dies ausgeführt wurde,
war der Regimentsstab in Mlynik abgesessen und erkundete. Plötzlich erschien
300 Meter weiter östlich russische Infanterie, einen halben bis einen Zug
stark, der Regimentsstab verfügte über 2 Radfahrerkarabiner, sonst nur
Pistolen. Über Gartenzäune und Hecken gelang es dem Stab, zu den Pferden zu
kommen, dann ging es im Galopp nach Kraska zurück. Zwar pfiffen russische
Infanteriegeschosse hinterher, aber niemand wurde getroffen. Und nach Mlynik,
zwischen das III. und I. Bataillon hinein, wagte sich die kleine Russenschar
nicht, sie kehrte bald um und verschwand.
Alle 3 Bataillone
hatten ohne Verlust ihre Plätze erreicht, da kam der Befehl, das Regiment hat
sich auf das Südufer des Kraskabaches hinüberzuziehen und den Wald zwischen dem
Bach und der Höhe des Lyssa Gura zu besetzen; das Gelände nördlich des Baches
wird Entwicklungsraum der 75. Res.-Division. Dieses Hin- und Hermar-schieren
kostete dem I. Bataillon einige Verluste.
Noch am Abend des
7. August sollte ein Vorstoß aus dem Lypa Gurawald heraus gemacht werden. Zwar
gelang es, dabei etwas Gelände zu gewinnen, aber die eigenen Verluste waren unverhältnismäßig
groß, besonders beim I. Bataillon. Auch dessen Führer, Hauptmann d. L. a. D.
Köstlin, wurde verwundet. Hauptmann Bader war tot; von Mannschaften waren 65
gefallen, 167 verwundet, 7 vermißt.
Der Grund der
schweren Verluste lag daran, daß das Regiment den Befehl für die Unternehmung
sehr spät erhielt und die ganze Sache überhastet werden mußte. Eine derartige
Überhastung war aber umso schlimmer, als nur noch ein Bataillon des Regiments
von einem aktiven Stabsoffizier, Major Wald, geführt wurde, die beiden anderen
von Offizieren a. D. und d. L. a. D. Diese beiden Herren waren sehr tapfer,
mutig, vom besten Willen beseelt, aber Gewandtheit im Führen von Bataillonen
hatten sie nicht und konnten sie gar nicht haben. Die zahlreichen Offiziere des
Beurlaub-tenstandes leisteten im Stellungskrieg des Westens Mustergültiges. Im
Stellungskrieg muß der Offizier das Herz auf dem rechten Fleck haben, für seine
Leute sorgen und selbst durch unerschrockenen Mut ein gutes Beispiel geben.
Anforderungen an taktische Fähigkeiten treten selten an ihn heran, eilige
Anforderungen dieser Art fast niemals. Anders im Bewegungskrieg. In diesem ist
die zu wählende Stellung nicht schon gegeben, wie in den Schützengrabenkämpfen
des Westens; die Anmarschwege sind nicht ausgehoben oder wenigstens
vorbezeichnet, es muß alles durch selbständige Überlegung und raschen Entschluß
des Führers entsprechend der immer wechselnden Lage erst gemacht werden.
Und hierbei zeigte
sich die geringere Leistungsfähigkeit der Offiziere des Beurlaub-tenstandes
sehr. Es war ja gar nicht anders möglich, kostete aber manchen Verlust. Ein
Unglück für unser Vaterland würde es bedeuten, wollte man auf Grund der
Erfahrungen im Schützengrabenkrieg diese Tatsachen verkennen.“
aus:
„Das Württembergische Reserve-Infanterie-Regiment Nr. 120 im Weltkrieg 1914–1918“
Stuttgart, 1920
siehe auch Kartenskizze unter dem 2. August 1915
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