Mittwoch, 30. September 2015

30. September 1915


„In der Nacht vom 29. auf 30. September wurde das Regiment alarmiert und rückte nach Trydany. Die beiden sächsischen Infanterie-Regimenter waren in dieser Nacht in den Wäldern vorwärts Trydany in vorderer Linie gestanden, wir in Kruty dahinter. Da hatten die Russen angegriffen.
Ob die Sachsen von den Russen überrascht worden waren oder wie die Sache zuge-gangen, das erfuhr man nie. Warum die Division, nachdem sie glücklich vom Feind sich losgelöst, bei Kruty so lange wieder hielt, ebensowenig. Aber jetzt war die Panik da, alles schien den Kopf verloren zu haben.
Der Brigadekommandeur setzte persönlich, ohne den Regimentskommandeur zu be-nachrichtigen, zuerst die 8./R. 120, gleich nachher das III./R. 120 zur Unterstützung von Regiment 106 ein. Als die Württemberger in den Wald kamen, begegneten ihnen einzelne Leute von 106, von Russen war zunächst nichts zu sehen. Erst nach einiger Zeit erfolgten schwache, ja geradezu scheue russische Angriffe.
Der Rest von R. 120 war hinter Trydany geblieben. Und nun kam Schreckensbotschaft über Schreckensbotschaft. Regiment 107 sei vernichtet, Regiment 106 gefangen. Au-genscheinlich ohne höheren Auftrag langten auf eigene Faust einzelne Leute, Offiziere, Meldereiter, Radfahrer, auch ein Arzt an und wollten Unterstützung nach irgendwohin. Ein klares Bild der Lage, einen Befehl gab niemand.
Oberstleutnant Fromm, an unnötige Rufe nach württembergischer Hilfe gewöhnt, ließ sich nicht aus dem Konzept bringen. Er wartete, bis sich alle Kolonnen und die Artillerie auf der Marschstraße nach Nowosiolki eingefädelt hatten, dann folgte er mit dem Regiment. Den letzten, der von ihm Hilfe wollte, fertigte er mit dem schwäbischen Gruß ab.
Das Regiment bezog dann zwischen Nowosiolki und Bojari eine Aufnahmestellung, durch welche die noch vorne befindlichen Teile der Division abzogen. Auch beim Regiment gelang der Abzug ohne Verlust, die Russen wagten nicht anzugreifen.
Die Verluste der Sachsen bei Trydany waren nicht von Bedeutung. Also ist ein rechter Grund zu der dortigen Panik nicht klar.“


aus: „Das Württembergische Reserve-Infanterie-Regiment Nr. 120 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1920

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