„Ein sonniger
heiterer Herbsttag versprach der 8. September zu werden, als er in
morgendlicher Kühle heraufkam. Er stimmte nicht überein mit den Gedanken der
Menschen, deren ernstes Spiel pünktlich 8 Uhr mit einer gewaltigen Kanonade
program-mäßig abzulaufen begann. Eine Minute zuvor wurden zwei Sappenköpfe durch
elektrische Zündung gesprengt, deren Knall in das ohrenbetäubende Feuer der
Granaten und Minen überging. Alles verschwand bis auf wenige Beobachtungsposten
in den bombensicheren Unterständen und lauschte auf das Trommelfeuer, dessen
Einschläge nur als unheimliche Erschütterungen zu vernehmen waren. 2½ Stunden
lang ging es so fort, bis die Zeit zum Aufbau der Sturmtruppen gekommen war.
Die Franzosen waren unterdessen nicht müßig und Schuß um Schuß schlug ihr Feuer
um und in die deutschen Gräben herein. Auch hörte man immer wieder das Tak-Tak
ihrer Maschinengewehre und vereinzeltes Gewehrfeuer durch den Lärm hindurch,
das beängstigend darauf hinwies, daß der Gegner noch keineswegs erschüttert war. Schlag 11 Uhr, als die ersten Wellen auf den
Sturmleitern hinausstiegen, zeigte sich denn auch sofort, daß eine völlige
Niederhaltung des Gegners nicht überall gelungen war. Beim rechten, III.
Bataillon, wo die Leutnants d. R. Ungerer und Popp, sowie Fähnrich Henßler
führten, wurde verhältnismäßig leichte Arbeit getan. Sie überrannten mit ihren
ersten 3 Wellen befehlsgemäß die vorderen französischen Gräben und setzten sich
im dritten fest, mit dessen Ausbau sie sofort begannen. Gleichzeitig hatte die 4.
und 5. Welle die zweite französische Stellung, Reservezüge die erste besetzt
und überall wurde der feindliche Widerstand rasch gebrochen, sowie unter
Benützung von vorhandenen Gräben Verbindung nach vorne geschaffen. Auch
Leutnant d. R. Schabel war mit Maschinen-gewehren rasch in vorderster Linie und
schon nach einer Stunde konnte die zu erreichende Linie hier als völlig
gesichert in unserer Hand angesehen werden. Leider war dieser schöne Erfolg
unter herben Verlusten erkauft worden. Leutnant d. R. Vogt, der Führer der 9.
Kompagnie, war im Sturm, kurz ehe er die 3. Stellung erreichte, durch
Handgranate tödlich getroffen worden, Fähnrich Henßler (9. Kompagnie) wurde
durch Zertrümmerung des Oberschenkels schwer verwundet, Leutnant d. R. Ungerer
(11. Kompagnie) brach in der vordersten Linie schwer getroffen zusammen; der
Gefreite Gruber seiner Kompagnie, der ihn zurücktragen wollte, teilte sein
Schicksal und hauchte in der gleichen Stunde wie sein Führer die Seele aus.
Einen schweren
Kampf hatte das II. Bataillon zu bestehen, in dessen Abschnitt die Sappenköpfe
5 und 7 unter einem rasenden Maschinengewehrfeuer lagen. Hier hatte das
deutsche Feuer, wie sich nachher zeigte, in der ersten französischen Linie so
gut wie keinen Erfolg erzielt und der Angriff der 6. Kompagnie, die als rechte
des Bataillons angesetzt war, wollte nicht vom Fleck kommen; wer aus dem Graben
hinausstieg, stürzte tot, verwundet zusammen oder flüchtete zurück. Auf dem
äußersten rechten Flügel gelang es schließlich beherzten Männern, wie
Vizefeldwebel Hoch, Unteroffizier Kohlhammer und Leutnant d. R. Egelhaaf mit
Teilen ihrer Züge einige Minentrichter vor der französischen Stellung zu
erreichen, von dort aus einen verlustreichen Handgranatenkampf mit der
französischen Besatzung aufzunehmen und ein feuerndes Maschinengewehr außer
Gefecht zu setzen. Auch bei Sappe 6 war trotz mehrmaliger Versuche einige
Minuten lang ein Stocken in den Angriff gekommen. Als der Führer der Kompagnie,
Leutnant Eisenbach, dies sah, sprang er selbst auf die Böschung und mit dem
Rufe „Vorwärts“ stürzte er dem Feind entgegen. Nur wenige Schritte – dann lag
auch er mit durchschossener Brust im Walde und neben ihm seine getreue
Gefechts-ordonnanz, Gefreiter Heß. Leuchtendes Vorbild edler Aufopferung, das
seine Wirkung nicht verfehlte!
Mit neuer Tatkraft
gingen die Leute ans Werk und allmählich gelang es dem zweiten und dritten Zug
rechts und in der Mitte der französischen Stellung eine Bresche zu schlagen,
von wo aus in aufrollendem Handgranatenkampf die hartnäckig sich wehren-den
Franzosen überwunden wurden. Über die zweite Stellung hinweg ging es dann in
flottem Vorgehen in die dritte, wo in einem Bataillonsunterstand ein
französischer Offizier gefangen wurde. Alsbald wurde Augenverbindung nach
rechts mit dem III. Bataillon aufgenommen und links waren inzwischen Teile der
8. Kompagnie unter Leutnant d. R. Ernst auf gleiche Höhe vorgekommen. Diese
Kompagnie hatte bei ihrem Sturm anfänglich ähnliche Schwierigkeiten zu
überwinden, wie ihre rechte Nachbar-kompagnie, da Maschinengewehre die
Sappenköpfe ihres Abschnitts gleichfalls unter vernichtendem Feuer gehalten
hatten. Da ging Tambour Heisele von Sappe 6 aus flankierend dagegen vor, setzte
eines der Maschinengewehre mit Handgranaten außer Gefecht und erteilte den
überlebenden französischen Maschinengewehrschützen auf gut schwäbisch den
Befehl, das Maschinengewehr abzuschrauben und nach hinten zu verbringen. Die
verängstigten Franzosen erfaßten den Sinn und taten also. Die Sturmtruppen am
weitesten links hatten es etwas leichter und kamen über den ersten
Franzosengraben mit geringen Verlusten hinweg. Jetzt aber erhielten sie aus
einzelnen Unterständen heraus Flanken- und Rückenfeuer, wobei der bewährte
Führer der 8. Kompagnie, Leutnant d. R. Schäfer, beim Überschreiten des ersten
Grabens durch einen Schuß in den Kopf aus nächster Nähe fiel. In wildem Ingrimm
machten die ihn begleitenden Ordonnanzen, Gefreiter Zeeb und Hornist Gefreiter
Hägele, die Graben-besatzung durch Schüsse und Handgranaten nieder. Auch sonst
sorgten die hinter den Sturmtruppen folgenden Reserven, unter denen sich als
erster Unteroffizier Rahn mit Maschinengewehren befand, dafür, daß aus solchen
im Sturm übersehenen Franzosen-nestern kein Schaden mehr angerichtet werden
konnte.
In raschem Anlauf
wurde auch auf dem äußersten linken Flügel die dritte Stellung bald erreicht,
über die im Anschluß an die 67er einige besonders schneidige Gruppen ein
erkleckliches Stück hinausgedrungen waren. Damit hatten alle am Sturm
beteiligten Teile ihr Ziel, das 200–250 m vor der Ausgangsstellung lag,
erreicht und 312 Gefangene, sowie eine Menge Maschinengewehre, Minenwerfer,
Mörser fielen dem Regiment in die Hand. Die Harazée beherrschende Höhe war jetzt
endgültig in deutschem Besitz und bereits sah man von einzelnen Punkten des
Grabens aus nach den jenseitigen Höhen des Biesme-Tales, wo Kornfelder und
Wiesen eine wohltuende Abwechslung fürs Auge waren, das seit Jahresfrist nur
Wald und immer wieder Wald vor sich gehabt hatte. So hatte auch dieser letzte
Sturm in den Argonnen zu einem großen Erfolg geführt und bis weit über den
Charmes-Bach hinüber waren die Franzosen überall noch einmal vernichtend
geschlagen. Schmerzlich war nur wiederum die traurige Arbeit des Bergens der
Gefallenen und des Zurückschaffens der Verwun-deten, von denen man insgesamt 179
zählte. 52 hatten den Heldentod gefunden und selten waren die trauernden
Grenadiere so erschüttert, wie in jener Stunde, wo man die beiden beliebten
Kompagnieführer Schäfer und Eisenbach als treue Freunde im Leben nun auch im
Tode vereint neben einander ins Grab legte.“
aus: „Die Ulmer
Grenadiere an der Westfront“, Stuttgart 1920
Sehr interessant!
AntwortenLöschenvirtuelle datenräume
Danke!
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