„Bis zum Abend des
21. Oktober hatte das Regiment durch die eingeleiteten Erkun-dungen von der Lage
beim Feind folgendes Bild:
Die
Schlüsselpunkte der Serbenstellung bildeten zwei scharf ausgeprägte Bergkuppen,
die vom Gegner zu starken Erdwerken ausgebaut und mit breiten Hindernissen
geschützt waren. Vor diesen beiden Stützpunkten zog sich ein zusammenhängender
Schützengraben von West nach Ost, ebenfalls durch ein Hindernis verstärkt. Am
Ost-ende dieses Grabens war das Dorf Ticevac in die Verteidigungsanlage eingezogen
und von starker feindlicher Infanterie besetzt. Besonders erschwerte den
Angriff bei Tag der tief eingeschnittene Lipar-Grund, der 600 Meter vor der
feindlichen Stellung lag und von den Gräben aus durch Feuer völlig beherrscht
wurde.
Am Abend des 21.
Oktober wurde der Befehl für den Angriff ausgegeben, der im allgemeinen in
ähnlicher Weise geplant war, wie der Angriff am 18. Oktober gegen die Höhe 213,
südlich Pozarevac, Bis zum Morgengrauen sollte sich die Infanterie mög-lichst
nahe an die feindliche Stellung heranarbeiten, dann während der Zeit, in der
die gesamte Artillerie den Gegner in seiner Stellung niederhielt, der Angriff
sprungweise vorgetragen und der Sturm durchgeführt werden.
Um 5 Uhr morgens standen
die vordersten Linien des I. und III. Bataillons bereits im Grund des
Lipar-Baches, hatten bei diesem Vorgehen zahlreiche feindliche Abteilungen
geworfen und 40 Serben gefangen. Als es Tag wurde, lag das Regiment 400 Meter
vor der feindlichen Hauptstellung und erhielt von dort starkes Feuer. In den
beiden Erd-werken rasselten serbische Maschinengewehre.
Auch kam jetzt von
links her aus dem Dorfe Ticevac unangenehmes Flankenfeuer gegen das III.
Bataillon. Gleichzeitig bewarf der Gegner aus südöstlicher Richtung die
angrei-fenden Schützenlinien mit Schrapnells und Granaten, so daß gerade dem
linken Flügel des Regiments, wo die 11. Kompanie unter Leutnant d. R. Alber
eingesetzt war, der Angriff sehr erschwert wurde. Es mußte deshalb mit dem
weiteren Vorgehen so lange gewartet werden, bis der Feind in seinen
überhöhenden Stellungen durch das Feuer unserer Artillerie niedergehalten
wurde. Die Artillerie aber konnte ihrerseits mit dem Schießen erst beginnen,
nachdem sich der auf der Höhe liegende Nebel soweit verzogen hatte, daß eine
klare Beobachtung möglich war.
Gegen 7.30 Uhr
vormittags schlugen die ersten schweren Mörsergranaten bei den feind-lichen
Schützengräben ein. Deutlich war zu erkennen, wie in den Rauchsäulen Balken und
Brettstücke der Befestigungen in die Luft geschleudert wurden. Schon nach
wenigen Schüssen sah man, wie die Serben durch ihre Verbindungsgräben die
Stellen der vorderen Linie räumten, die am stärksten unserem schweren
Granatfeuer ausgesetzt waren. Als einige Volltreffer der Mörser unmittelbar in
das Erdwerk vor dem I. Batail-lon schlugen, verließ der Feind vor dem rechten
Flügel des Regiments seine Stellung.
Das gesamte
Füsilier-Regiment ging jetzt zum Angriff vor. Es gelang den Kompanien des I.
Bataillons unter Hauptmann v. Seel, sich in den Besitz des rechten feindlichen
Erdwerks zu setzen.
Das war kurz nach
10 Uhr vormittags gewesen. Vor dem linken Regimentsflügel und besonders vor dem
daran anschließenden Infanterie-Regiment 21, hielt der Serbe noch seine
Stellung. Der rechte Flügel des III. Bataillons schwenkte daher von westen her
gegen das linke feindliche Erdwerk ein. Und als die dort eingesetzte
Gebirgs-Maschi-nengewehr-Abteilung die feindlichen Gräben unter flankierendes
Feuer nahm, mußte der Gegner auch diesen Teil seiner Stellung räumen.
Um 11 Uhr
vormittags war der Serbe auf der ganzen Front am Zurückgehen. Die Füsiliere
hielten die geräumte feindliche Stellung besetzt. Der Rückzug der geworfenen
Abteilungen war völlig ungeordnet. Überall fluteten einzelne Gruppen zurück.
Bei dem sehr klaren Wetter sah man deutlich, wie die feindliche Artillerie ihre
Geschütze mit Ochsengespannen wegzog. Leider war infolge der schwierigen Boden-
und Wegever-hältnisse ein rasches Nachziehen unserer Artillerie nicht möglich
gewesen, so daß der Feind an vielen Stellen unbehelligt in Kolonnen abziehen
konnte, da die Entfernungen für Infanteriefeuer zu groß waren.
Der Angriff am
Vormittag hatte die Verbände stark vermischt. Vor allem war zwischen dem
Füsilier-Regiment und seinem rechten Nachbarn, dem Infanterie-Regiment 129, eine
große Lücke entstanden. Um diese auszufüllen, setzte Oberst von Triebig das
noch in Reserve liegende II. Bataillon rechts vom III. ein und befahl um 2 Uhr
nachmittags die Fortsetzung der Verfolgung. Während des weiteren Vorgehens
sollte das I. Bataillon allmählich als Reserve ausscheiden und das II. an das
rechte Nachbarregiment Anschluß finden.
Die Verfolgung
führte über ein tief eingeschnittenes Tal östlich Aleksandrovac. Zahlreiche
Bäche hatte sich hier oft 2 – 3 Meter tief in den Lehmboden eingefressen und
bildeten erhebliche Hindernisse. Obwohl der Gegner keinen Widerstand mehr
leistete, konnten die durch die letzten Kämpfe sehr ermüdeten Truppen des
Regiments bis zum Abend nur noch 2½ Kilometer weit vorwärts kommen. Bei
Einbruch der Dunkelheit erstiegen die vorderen Linien aus dem am Nachmittag
durchquerten Tal heraus die Höhen bei Oreovica, die gleichen Höhen, auf denen
man am Vormittag die serbischen Kolonnen im Rückzug gesehen hatte.
Als die Schützen
des Regiments noch 200 Meter vom oberen Rand der Höhe entfernt waren, erhielten
sie von dort erneutes heftiges Feuer.
Die Serben hatten
diese beherrschende Höhe doch nicht ohne weiteres aufgegeben, sondern sich
nochmals zum Widerstand gestellt.
Von einem weiteren
Angriff an diesem Tag mußte mit Rücksicht auf die Übermüdung der Truppe
abgesehen werden. Das II. und III. Bataillon schanzte in den erreichten Linien.
Das I. verblieb hinter der Mitte des Regiments in einer Schlucht als Reserve.
Das war der 22.
Oktober gewesen, ein Tag, an dem die Kompanien wieder einmal Vor-zügliches
geleistet hatten. Ein besonderer „Sachverständiger“ im Regimentsstab meinte
damals: „Es war einmal wieder ein 22.!“ So ganz unrecht hatte er nicht. Romain
war am 22. August 1914 gewesen, Montblainville am 22. September. Bei Radingham
ging’s am 22. Oktober heiß her. Am 22. Juni 1915 hatte der Dnjesterübergang
begonnen. Der 22. August 1915 war bei Ogorodniki am Bug ein blutiger Tag.
Dieser „22.“ hatte es entschieden auf sich!
Drei starke
Infanterieangriffe, die der Serbe noch am Abend gegen das III. Bataillon
richtete, bewiesen, daß der Feind zu erneutem Widerstand entschlossen war.
Zwar wichen die
feindlichen Abteilungen am folgenden Morgen, als der deutsche Angriff
fortgesetzt wurde, nach Süden zurück. Aber nur für kurze Zeit. Als um die
Mittagsstunden die vorderen Linien des Füsilier-Regiments dem zurückgehenden
Feinde nachdrängten, erhielten sie plötzlich ein so schweres und heftiges
Artilleriefeuer, wie es während der bisherigen serbischen Kämpfe noch niemals
beobachtet worden war. Der Gegner hatte anscheinend in den weiter südlich
liegenden Bergen einige Batterien so aufgestellt, daß sie flankierend wirken
konnten. Dieses Feuer machte ein weiteres Vorkommen unserer Infanterie an
diesem Tag unmöglich, obwohl nur schwache feindliche Infanterie vor der Front
des Regiments lag. Besonders das III. Bataillon auf dem linken Flügel wurde in
einem Bachgrund beim Dorfe Sibnica derartig mit schweren Granaten zugedeckt,
daß ein Angriff aus der Schlucht heraus gegen die Höhe aufge-geben werden mußte.
So verblieb das Regiment in der Nacht zum 24. Oktober in seinen Stellungen
östlich Rakinac, das II. Bataillon rechts oben auf der Höhe 254, das III.
Bataillon links im Grunde bei Sibnica. Das I. hatte sich weiter rückwärts als
Reserve in kleinen Mulden und Schluchten eingenistet.“
aus:
„Das Füsilier-Regiment Kaiser Franz Joseph von Österreich, König von Ungarn (4.
württ.) Nr. 122 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1921
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