„Eine lange
Eisenbahnfahrt durch die ganze Donaumonarchie brachte das Füsilier-Regiment bis
zum 20. September 1915 nach Werschetz in Südungarn, wo die Ausla-dungen
erfolgten. Anschließend bezog das Regiment in den beiden Orten Honokszil und
Izbiste Unterkunft.
Nach den schweren
Gefechten in Polen, wo die ununterbrochenen Verfolgungskämpfe ganz gewaltige
Anstrengungen für Führer und Truppe gebracht hatten, war schon die
Eisenbahnfahrt mit ihren wechselnden Bildern und Eindrücken eine Erholung
gewesen. Die nun folgenden Tage der Ruhe waren besonders wertvoll. Es war seit
langen wieder einmal eine Zeit richtigen Ausruhens. Daneben wurde der
Ausbildung und der Instand-setzung von Ausrüstungen und Bekleidung besondere
Beachtung geschenkt. Ein großer Ersatztransport von 4 Offizieren und über 1600
Mann erhöhte die Gesamtstärke des Regiments wieder auf 67 Offiziere und 4096
Mann.
Es war zwar noch
nicht „amtlich“ bekannt, aber für jedermann außer Zweifel, daß der nächste
Gegner, mit dem es die in Südungarn versammelten Truppen zu tun haben sollten,
die Serben waren, und daß der neue Kriegsschauplatz in jenen Bergen lag, die
jenseits der Donau aus dunstiger Ferne herübergrüßten.
Das Regiment wurde
für den Gebirgskrieg ausgerüstet. Zwei Gebirgs-Maschinen-gewehr-Abteilungen
traten in seinen Verband. Sämtliche schweren Fahrzeuge wurden durch
landesübliche, leichtere ersetzt, eine Maßnahme, die bei den jeder Beschreibung
spottenden Wegeverhältnissen des neuen Kampfgebietes später sich als unbedingt
erforderlich erwiesen hat.
Serbien ist ein
ausgesprochenes Gebirgsland. Die wenigen Niederungen, die man dort findet, sind
die Täler einiger Flüsse. Der Krieg, der in diesem Land geführt wird, hat daher
den Charakter des Gebirgskriegs. Ein großer Teil des Geländes schließt Kämpfe
aus.
Einer der
natürlichen Zugänge, die von Norden her nach Serbien hineinführen, ist das Tal
der Morava, das in seinem nordöstlichen Teil etwa 16 Kilometer breit ist. Zu
beiden Seiten dieses Tales ziehen sich langgestreckte Bergrücken aus dem Inneren
des Landes heraus nach der Donau hin und grenzen die völlig flache Morava-Niederung
nach West und Ost scharf ab.
Es war natürlich,
daß bei der deutsch-österreichischen Offensive im Oktober 1915 das Moravatal
ebenso wie die beiden Höhenzüge, die dieses Tal einschließen, eine bedeut-same
Rolle spielten.
Der östliche
dieser Bergrücken, der als ein Ausläufer des großen Gebirgsstockes Nordserbiens
sich zwischen Morava und Mlava hinzieht, ist etwa 2 Kilometer breit. Bei dem
Dorfe Kostolac reicht er als schmale Bergnase bis an den Spiegel der Donau
heran und trennt wie eine Mauer die Täler der beiden genannten Flüsse.
Dieser schmale
Bergrücken war der Schauplatz der Kämpfe, die die Füsiliere am Anfang des
Serbenfeldzuges durchgefochten haben, bis sie in der Gegend von Svilajnac die
Morava überschritten und auf dem Höhenrand des westlichen Flußufers am weiteren
Verlauf des Feldzuges teilnahmen. Die Straße, die eine Reihe reicher serbischer
Ortschaften zwischen Pozarevac, Aleksandrovac und Svilajnac verbindet, und von
dort über die Morava nach Bagrdan, Jagodina und Krusevac führt, bezeichnet
zugleich den Weg der Kämpfe, auf dem das Regiment im Rahmen der großen
Offensive in der Zeit vom 7. Oktober bis 12. November nach Süden vordrang.
Die deutschen und
österreichischen Truppen, die den Angriff gegen Serbien ausführen sollten,
wurden Ende September und Anfang Oktober nördlich der Donau bereitgestellt. Die
105. Division, zu der das Füsilier-Regiment nach wie vor gehörte, bildete
zusam-men mit der 11. bayrischen Infanterie-Division das IV. Reservekorps unter
dem Befehl des Generalleutnants von Winkler.
Rechts vom IV.
Reservekorps stand das III. Armeekorps, links das X. Reservekorps zum Angriff
bereit. Die unmittelbaren Kampfnachbarn der 105. Infanterie-Division waren rechts
die 11. bayrische und links die 107. Division (rechter Flügel des X.
Reser-vekorps). Der Plan, nach dem am 7. Oktober der Donauübergang und der
Angriff gegen das Innere des Landes durchgeführt werden sollte, war folgender:
Die Vorbereitungen
für den Donauübergang, der auf großen Fähren ausgeführt wurde, waren am 4.
Oktober beendet. An diesem Tag begann auf der ganzen Front das Heran-schieben
der Truppen an das nördliche Ufer und das Übersetzen auf die Insel Temes-ziget,
von deren Südrand aus der Angriff seinen Anfang nahm.
Das Überschreiten
des Flusses wurde im Abschnitt der 105. Division durch die Insel Temesziget
erleichtert, die mit ihren ausgedehnten Gebüschen und Wäldern nicht nur ein
Übersetzen der Truppen über den nördlichen Donauarm, vom Feind ungesehen,
ermöglichte, sondern auch eine günstige Bereitstellu8ng zum Angriff über den
schma-leren südlichen Flußarm zuließ.
Die Serben
schienen die Absicht der deutsch-österreichischen Truppen nicht zu erken-nen.
Die wenigen Posten, deren Wachsamkeit durch die monatelange Untätigkeit
allmählich eingeschlafen war, hielten einen Angriff über ein solch starkes
Hindernis wie die kilometerbreite Donau für unmöglich. Als am 5. Oktober die
ersten deutschen Abteilungen sich auf Temesziget einnisteten, konnte man die serbischen
Posten noch teilweise in beschaulicher Ruhe angeln sehen. Und als sie am 6.
oder 7. Oktober all-mählich erkannten, was vor ihrer Front vorging, war es zu
spät. Die alarmierten Reser-ven kamen an, als der Feind bereits auf dem Südufer
sich festgesetzt hatte.
Der Beginn des
serbischen Feldzuges ist ein Musterbeispiel für einen restlos geglückten
Überraschungsstoß. Ohne das Moment der Überraschung wäre ein Angriff über ein
Hindernis wie die Donau kaum durchführbar gewesen.
Am 2. Oktober war
das Füsilier-Regiment von seiner ersten Unterkunft nach den Orten Karasjezenö
und Duplaja vorgezogen worden. Am 4. begann das Übersetzen des III. Bataillons
auf die Temesziget. Es folgte am 5. Oktober das II. und am 7. vormittags der
Regimentsstab und das I. Bataillon.
Für den 7.
Oktober, 3 Uhr nachmittags, war auf der ganzen Front der Beginn des Angriffs,
das heißt das Überschreiten des südlichen Flußarmes und die Besitznahme des
feindlichen Ufers festgelegt, nachdem von 2 bis 3 Uhr nachmittags ein
überraschend einsetzendes Wirkungsschießen sämtlicher Batterien gegen die
feindlichen Höhen vorausgegangen war.
Dem
Füsilier-Regiment wurde, nachdem alle seine Teile auf der Temesziget versammelt
waren, als Angriffsziel die Bergnase und Glasfabrik bei Kostolac und das
feindliche Flußufer 1 Kilometer östlich davon zugewiesen. Diese Bergnase, die
den Fluß beherrschte, war von den Serben zu einem starken Stützpunkt ausgebaut.
Sie mußte zuerst fallen, da sie das Morava- und Mlawa-Tal beherrschte. Auf
diese Höhe war daher eines besondere 30 cm-Batterie angesetzt worden.
Am Morgen des 7.
Oktober lagen die Kompagnien des II. und III. Bataillons im Gebüsch versteckt
am Südrand der Temesziget. Das I. Bataillon hielt Oberst von Triebig hinter der
Mitte als Reserve dicht bei seine Gefechtsstand. Der Gegner schoß ab und zu von
der Kostolacer Höhe herüber. Auch einige Schrapnells kamen aus südwestlicher
Richtung. Die Pontons zum Übersetzen lagen bei den Kompanien mit Mannschaften
der Pionier-Kompanie 209 bereit.
Um 2 Uhr
nachmittags schlug die erste deutsche Granate drüben auf der Höhe ein. Krachend
fuhr ein schwarzer Rauchbaum zum Himmel. Und nun begann auf der ganzen Front
die Kanonade. Jede Gegenwirkung von den Serben hörte sofort auf. Punkt 3 Uhr
glitten die Pontons ins Wasser und brachten die ersten Abteilungen Füsiliere
ans Südufer. Um 4 Uhr hatten sich bereits 2 Kompanien des Regiments dort
festgesetzt und sich nördlich der Glasfabrik von Kostolac eingegraben. Entgegen
allen Erwartungen wurden die Pontons so gut wie gar nicht beschossen. Das
Südufer war vom Feind überhaupt nicht besetzt. Nur von der Kostolacer Höhe
schossen serbische Abteilungen nach der Donau herunter. Gegen 5 Uhr aber nahm
dieses Feuer plötzlich zu, so daß das Übersetzten eingestellt werden mußte,
besonders da einige Boote beschädigt worden waren. Erst mit Einbruch der
Dunkelheit wurden die übrigen Teile des II. und III. Bataillons auf das
serbische Ufer hinübergefahren. Die beiden Bataillone gruben sich dicht am Ufer
zur hartnäckigen Verteidigung ein.
Die Lage dieser
Truppen, die die Donau im Rücken hatten, war nicht sonderlich günstig, zumal da
es der 107. Division am 7. Oktober noch nicht gelungen war, südlich der Donau
Fuß zu fassen. Vor der Front des rechten (III.) Bataillons lag die von den
Serben stark besetzte Glasfabrik und die Stellungen auf den Höhen. Das II.
Bataillon hatte vor sich eine weite Fläche von Maisfeldern, die eine
Feststellung über den Verbleib des Gegners in der Dunkelheit nicht mehr
zuließen. Das I. Bataillon lag noch auf der Temesziget.
Dem
Fernsprechtrupp des Gefreiten Sandel gelang es, eine Leitung über den südlichen
Flußarm zu legen und dadurch eine Verbindung mit den übergesetzten Teilen
herzu-stellen.
In der Nacht zum
8. Oktober griffen serbische Kompanien aus der Glasfabrik heraus sowie aus den
angrenzenden Maisfeldern dreimal hintereinander die Stellungen der beiden
Bataillone mit Handgranaten an, wurden aber jedesmal unter schweren Verlusten
zurückgeworfen.“
aus:
„Das Füsilier-Regiment Kaiser Franz Joseph von Österreich, König von Ungarn (4.
württ.) Nr. 122 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1921
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