„Den Stellungen viel gefährlicher war der pikardische Winter. Mit
ungeheuren Regengüssen setzte er im November ein. Die Gräben standen voll
Wasser. Die Wände stürzten ein. In den Unterständen fing es an zu tropfen. Die
hinteren Gräben waren bald ungangbar, die Laufgräben verwandelten sich in
Schlammbäche. Mit ungeheurer Anstrengung hielt die Infanterie den vordersten
Graben und die Hauptverbindungswege offen. Am übelsten sah es am rechten Flügel
beim Minenfeld und auf der Höhe vor Beaumont aus, wo die 9. und 7. und die 12.
und 2. Komp. lagen. Wochenlang wurden die Leute nicht mehr trocken, ihre
Kleider waren von Schlamm durchtränkt. Mit Messern und Holzstücken wurden die
Stiefel, deren Formen unter den klebenden Erdklumpen Elefantenfüßen glichen,
sehr summarisch gereinigt. Gar manchem mögen Seufzer ähnlicher Art aufgestiegen
sein, wie jenem Bibelkundigen, der der Division als Morgenmeldung den Hinweis
auf Psalm 69, Vers 2 und 3 schickte, worin es heißt: „Gott hilf mir, denn das
Wasser gehet mir bis an die Seele. Ich versinke in tiefem Schlamm, da kein
Grund ist; im bin im tiefen Wasser und die Flut will mich ersäufen.“ Dem Regen
folgte Kälte. Die Erde gefror. Die Stellungen wurden in Ordnung gebracht. Schon
atmete man auf. Da brach der Frost; alles stürzte zusammen. Das alte Spiel
begann aufs neue. Mit Faschinen wurde dem wandernden Boden zu Leibe gerückt.
Als endlich alles faschiniert und gefestigt war, war auch der Regen und der
Winter vorbei und die Faschinen sollten auf höheren Befehl wieder entfernt
werden.“
aus:
„Das Württembergische Reserve-Infanterie-Regiment Nr. 119 im Weltkrieg
1914–1918“, Stuttgart 1920
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