Mittwoch, 24. Februar 2016

24. Februar 1916


„Der große deutsche Angriff gegen die Verdunfront bereitete sich vor. Der Angriff auf dem Ostufer der Maas sollte begleitet werden durch eine gewaltige Artillerieschlacht auf dem Westufer, um feindliche Reserven zu binden und feindliche Artillerie, die nach dem Ostufer flankieren konnte, zu zerschlagen. Ein gewaltiges Leben setzte seit Ende Januar hinter unserer Front ein; Barackenlager entstanden in den Wäldern, Munitions-depots von ungeahnter Größe füllten die Trümmer von Bantheville, Förderbahnen krochen durch den Wald, und überall arbeiteten Armierungstruppen a Batteriestellungen und an Waldwegen. Die Nächte lebten; eine schwere Batterie nach der anderen hielt ihren Einzug im Wald von Montfaucon. Geschütz reihte sich neben Geschütz am Preußenweg, in der Wiesenschlänke.
Die Fahrer der Verpflegungsfahrzeuge wußten wieder alles aufs genaueste. Vauquois sollte erobert werden.
In der Stellung arbeiteten Infanterie und Pioniere Tag und Nacht am Ausbau schußsi-cherer Unterkünfte. Allein in T sollen schußsichere Unterkünfte für ein ganzes Bataillon neu geschaffen werden. Man ahnte es: Ausgangsstellungen für eine Angriffsunter-nehmung.
Immer wieder verzögerte sich der Beginn des Tanzes. Das Wetter war abscheulich; Regen, Schnee, Nebel den ganzen Tag; Dreck und Schlamm waren ärger denn je. Die Gräben fielen ein, die neuen Stollen ersoffen, trotzdem Tag und Nacht an den Pumpen gearbeitet wurde wie auf einem lecken Schiff.
Immer wieder mußte das „Konzert in Romagne“ (so hieß der Deckname für den Beginn der Artillerieschlacht) verschoben werden. Es waren kostbare Tage: schußbereit standen die Batterien; die Angriffsdivisionen lagen in weitem Kranz um Verdun; aber das Wetter war mit dem Feind verbündet. Hat er Wind bekommen von dem, was ihm droht? Sagen ihm seine Spione, seine Flieger, seine Ballons, das Auge und Ohr seiner Posten in Gräben und Fernwarten nicht, daß es in den Wäldern von Malancourt und Montfaucon nicht stimme? Hört er nicht bei Tag und Nacht Kraftwagenkolonnen auf der neuen Umgehungsstraße bei Montfaucon rattern? Wozu der Lärm, wozu die neuen Straßen, die Förderbahnhöfe, die Arbeit in den deutschen Stellungen?
Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß das Überraschungsmoment durch die Ungunst der Witterung und vielleicht, wie wir oben argwöhnten, noch durch anderes verloren war, als endlich am 21. Februar, Schlag 8 Uhr vormittags, das „Konzert in Romagne“ begann.
Und dennoch schien der Feind überwältigt. Es war ein Konzert ohne Flöten und Geigen, nur schrille Dissonanzen und wilde Bässe – das ganze Waldgebiet von Montfaucon schien zu brodeln. Aus dem wirren Hämmern der Abschüsse lösten sich die Lagen, die schwirrend und singend über unsere Köpfe weg nach Süden und Südosten eilten. Sie stürzten sich hinein in den Hessenwald, hinüber nach Parois, Recicourt und Dombasle, die Bahnlinie zu sperren, die dort von Clermont nach Verdun führt und die Maasfestung mit dem französischen Hinterland verbindet. Die ganze Luft war erfüllt von einem unentwirrbaren Krachen und dumpfen Hämmern. Der Hessenwald dampfte von weißem Gischt der Einschläge, über Avocourt hingen schwarze Sprengpunkte, an den Lauf-gräben, die vom Eulenwald nach der Straße Avocourt – Esnes führten, stieg Erdfontaine neben Erdfontaine auf.
Tag und Nacht zischte, heulte und pfiff es über uns weg, ohne Pause. Allmählich antwortete auch der Franzose. Auch er hatte seine Kräfte verstärkt. Neben den Feuerüberfällen der Feldbatterien traten schwere Kaliber ins Gefecht, stürzten sich auf Montfaucon, auf Straßen und Wälder. Die Feldwachen vor Q und S wurden ein beliebtes Ziel dieser unheimlichen Gäste, die sich tief in den Boden wühlen, ohne Explosionsknall an den Grundfesten des Bodens rütteln.
Heftiger Artilleriekampf – das blieb das Kennzeichen der nächsten Wochen. Und immer dicker schienen auf beiden Seiten die Batterienester zu werden. So oft man in Stellung zog, glaubte man eine neue Batterie am Preußenweg, am Landwehrweg oder an der Wiesenschlänke zu finden – und immer gehässiger wurden die Feuerüberfälle der Franzosen bei Tag und Nacht. Die Nächte zuckten vom Blitz der Abschüsse weit in der Runde, und im Osten drüben stand feurige Lohe am Nachthimmel. Consenvoie, Brabant, Samogneux, Regniéville brannten. Wieder war der herrische Krieg aufgestan-den, hatte die Gräben verlasen, stürmte über Berg und Tal, Wälder zerpflückend und Dörfer in den Staub legend. Drüben auf dem Ostufer der Maas tobte die Schlacht um den Caureswald, um Louvemont und die Höhen bei Samogneux.“

aus: „Das Württembergische Landw.-Inf.-Regiment Nr. 120 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1922

aus: „Die Württemberger im Weltkriege“, Stuttgart 1927

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