Dienstag, 8. März 2016

8. März 1916


„Als am 8. März die Sonne aufging, schien sie auf eine schneeige Landschaft, in der die einschlagenden Granaten große braune Flecken hinterließen. Schon früh geht’s los. Kaum ist der Kaffee getrunken, so kommen die ersten Granaten angesaust. Bis mittags ½4 Uhr dauert das Einschießen der französischen Artillerie, die an die 400 Granaten zu diesem Zwecke opfert. Von 4 Uhr an trommelt der Franzose auf die Stellung Exbrücke in bisher ungekannter Stärke. Man schätzt 7–8000 Granaten und Minen. Um 6 Uhr erscheint ein französischer Flieger über der Stellung, um die Wirkung der Artillerie zu kontrollieren. Gegen 7 Uhr erreicht das Feuer seinen Höhepunkt. Granaten aller Kaliber, von 7,5 cm bis zu den 15,5 cm-Langgranaten, fahren auf die Stellung nieder. Das Vor-werk sendet seine Flügelminen herüber. Das Hauptfeuer ruht auf dem linken Flügel der Stellung und reißt dort mächtige Löcher von 5 Meter Durchmesser und 1½ Meter Tiefe in die harte Straße und in die im Kies geführten Gräben, die fast völlig zusammen-geschossen sind und nur noch flachen Mulden gleichen. Auf dem linken Flügel steht ein betonierter Maschinengewehrstand. Der hält dem vernichtenden Feuer noch stand. Da drin sind am schußbereiten Maschinengewehr Sergeant Dietz und 2 Mann. Daneben befindet sich in einem weiteren betonierten Postenstand der Ersatzreservist Überle und der Landsturmpflichtige Zimmer der 9. Kompagnie, die seit Anfang Januar in Exbrücke in Stellung ist. Bei ihnen sind Leutnant Lobmiller und 2 M.-G.-Schützen, die im feind-lichen Feuer hierher aus ihrem Unterstand vorgekommen sind. Durch die engen Seh-schlitze suchen sie mit ihren Augen das schnee- und erddurchwirbelte Vorgelände ab nach dem Gegner, der kommen soll. Nichts zu sehen. Da senkt sich leise die Dämmer-ung auf das Gelände. Immer schwerer und schwerer kann das Auge unterscheiden. Da springen plötzlich vor dem völlig zerfetzten Drahtverhau 3 weiße Gestalten auf und laufen unserm Graben zu, überspringen die Mulden, in die er sich infolge der einge-schlagenen Granaten verwandelt hatte. Den dreien folgt dichtauf eine größere Schar, 40–50 Mann, alle in Weiß gekleidet. Sie waren plötzlich aus einem sonst dicht ver-schneiten Wassergraben vor der Front mit einem Schlage aufgeschnellt, Abteilung um Abteilung folgt, der größere Teil stürmt über den Graben weg und sucht die Flügel-stellung von hinten her aufzurollen, ein kleinerer hat die Aufgabe, den deutschen Graben aufzuräumen. Ehe das Maschinengewehr auf den neuen Gegner herumge-schwenkt werden kann ist der da. Leutnant Lobmiller springt mit seinen beiden Schützen dem bedrängten Maschinengewehr zu Hilfe, bricht aber nach kurzem Kampfe mit 3 Wunden schwer getroffen vor dem Maschinengewehrstand zusammen, der Rest der M.-G.-Besatzung erliegt im Handgranatenkampf. Wohl bleiben 2 Franzosen tot im Graben liegen, aber das Maschinengewehr ist verloren. Die beiden Infanterieposten wehren sich wie die Löwen. Überle schießt nach vorn, was aus dem Gewehr herausgeht, und muß sich gegen die Bajonette wehren, die durch die Schlitze hereinfahren, Zimmer schießt aus dem Eingang des Postenhäuschens auf die vorüberstürmenden Franzosen, drei Franzosen stürzen verwundet zusammen, werden aber von ihren Kameraden sofort zurückgeschleppt. Überle gelingt es, sich Luft zu verschaffen, große Blutlachen vor seinem Posten zeugen von den Verlusten der Franzosen. Eine zweite Abteilung rennt gegen die Stellung an, da fährt im Drahtverhau eine Granate unter sie und zerreißt ihre Linien.
Weiter im Graben nach rechts steht in seinem Postenhäuschen der Wehrmann Müller. Als der die Franzosen sieht, rennt er zum nächsten Unterstand und ruft die Wache gegen die von Hinten her einschwenkenden Franzosen auf. Sie haben sich inzwischen auf 70–80 Mann vermehrt. Leutnant Koch nimmt sofort mit seinen Mannschaften den Kampf auf und bei dem gutsitzenden Feuer der Neuner schwenken die Franzosen schleunigst ab und kehren um. Die Gräben werden abgesucht, da entdeckt man den Verlust des Maschinengewehrs und den Tod seiner Bedienung. Die Franzosen nehmen ihre Toten und Verwundeten auf schon bereitgestellten Tragbahren mit. Leutnant Strohm stößt sofort mit einer starken Patrouille nach. Er findet keinen Franzosen mehr, aber viele Ausrüstungsgegenstände und Blutspuren kennzeichnen den Rückweg der Franzosen. Um ¾9 Uhr lag tiefster Friede über dem Gelände. Einer der beiden im Graben zurückgebliebenen toten Franzosen hatte eine Stickgasbombe in seiner Tasche stecken, die so betäubendes Gas ausströmte, daß Assistenzarzt Dr. Pohl bei der Untersuchung des Toten die eigene Gasmaske aufsetzen mußte. Die beiden Franzosen gehörten wiederum den 8. Dragonern an, die, wie es schien, als besonderer Stoßtrupp für ähnliche Vorstöße jedesmal eingesetzt wurden. In den nächsten Nächten fühlten die Franzosen erneut gegen die Exbrückener Stellung vor, wurden aber jedesmal von der wachsamen Grabenbesatzung energisch abgewiesen.“

aus: „Das Württembergische Landwehr-Inf.-Regiment Nr. 119 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1923

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