„Die 11. Komp. hatte vor V zwei Unteroffiziersposten vorgeschoben, den
einen an das Ostende der Spinne, den anderen an den südlichen Waldrand. Kurz
vor 5 Uhr vormittags setzte plötzlich starkes feindliches Artilleriefeuer aller
Kaliber auf Zugangswege und Bereitschaften des Regimentsabschnitts ein. Heftige
und langanhaltende Feuerüberfälle legten sich auf das Artilleriegelände am
Landwehrweg und an der Wiesenschlänke. Es dämmerte leise, der Morgennebel
verhängte die Aussicht. Und plötzlich waren die Franzosen da; sie warfen sich
in dichten Haufen auf die Südwestecke der Achselklappe, auf den Südrand des
Waldes, auf das 22. Bayr. Regiment. Gegen die 61 Mann der 11. Komp. mochten
mindestens drei feindliche Kompagnien in den Kampf getreten sein. Unser
Unteroffiziersposten an der Spinne wurde vom Rücken gefaßt, abgeschnitten und
blieb verschwunden; der andere Posten hielt sich in seinem Postenloch unentwegt
unter heftigen Handgranatenkämpfen. Gewehrkugeln schwirrten, Handgranaten
bellten. Hilfe-suchend zischten die roten Leuchtraketen in den Nebel, Sperrfeuer
fordernd. Aber es war zu spät, als die ersten Lagen kamen; die feindliche
Übermacht hatte die Achsel-klappe überrannt. Am linken Flügel zwar war der
Angriff abgewiesen; Leutnant Künlen, der mit ganzen 13 Mann hier focht, hatte
sich behauptet. Der Unteroffiziersposten am Waldrand, der nicht wankte, brach
die Welle; zwei Maschinengewehre in der vordersten Linie taten das Ihre. Aber
bereits saßen, von Westen her vordringend, die Franzosen im Rücken des Zugs
Künlen. Zusammen mit etlichen Pionieren der 1./L.-Pion. 13, die tapfer
mitfochten, teilte Leutnant Künlen seine Schar; die eine Hälfte hielt mit dem
Maschinengewehr den Feind in der Front ab, die andere Hälfte schuf nach
rückwärts Luft. Bei diesem Kampfe wurde Leutnant Künlen durch ein
Maschinengewehr, das unter Führung des Vizefeldwebels Dimpfl von der Einmündung
des Wiesengrabens in die Achselklappe in richtiger Erkenntnis der Lage nach
Osten feuerte, trefflich unterstützt. Nach 30 Minuten heißen Handgranatenkampfes,
in dessen Verlauf die Franzosen erhebliche Verluste an Toten und Verwundeten
erlitten, warf der Rest die Waffen weg und ergab sich (insgesamt 22 Mann).
In der Mitte der Kompagnie war der Feind in erheblicher Stärke eingedrungen;
er saß in unserem Graben, darüber hinaus in den Trichtern des Buschfeldes. Aber
die Kompagnie hatte sich nicht in den Stollen überraschen lassen. Um ihre
Führer geschart, stand sie am Graben. Wohl waren die beiden Maschinengewehre
des Vizefeldwebels Dimpfl schußbereit gewesen, als der Angriff losbrach; sie
bekamen den Feind, der von den ihn schützenden Gräben und vom Höhenkamm aus in
einem Sprung im deutschen Graben war, nur einen Augenblick vor die Mündung und
wurden dann durch ein feindliches Maschinengewehr, das aus der Achselklappe
heraus feuerte, beschäftigt. Sie machten sich sofort an die Bekämpfung dieses
Gegners, ob auch bei dem einen Gewehr ein Mann nach dem andern, der es
bediente, im spritzenden, pfeifenden Zischen der Geschosse mit blutigem Kopf
nach rückwärts wankte. Aber sie wurden des Gegners Herr, den gleichzeitig
eigenes Maschinengewehrfeuer von der Schunkspitze her kräftig anpackte.
Während diese Szenen sich abspielten, waren Leutnant Völter, der Führer der
11. Komp., und Leutnant Schmid schon lang daran, sich Luft zu schaffen. Sie
dachten an kein Zurückgehen etwa in Richtung auf den Maschinengewehr-Zug oder
auf den linken Flügel, der, wie wir sahen, noch stand, sie warfen sich auf den
Feind wo er am dichtesten stand. Schritt um Schritt wurden die blauen Männer
auf den Waldrand zurückgedrängt. Im Nahkampf, Mann gegen Mann, Handgranaten
werfend, fiel hier Vizefeldwebel Kull. Teile des Feindes wurden gegen den Zug
Künlen abgedrängt, gerieten so zwischen zwei Fäuste und streckten die Waffen.
Der Rest entwich. Die Stellung war wieder unser, auch der Unteroffiziersposten
am Südrand des Waldes fand sich wieder ein. Die kleine Schar des Leutnants
Völter war schwer zusammenge-schmolzen: 33 Mann standen noch aufrecht; dafür
waren 65 Gefangene in ihren Händen geblieben. Mußte nicht ein zweiter Angriff
kommen? Auf Anfordern von Leutnant Völter schickte Major Ziegler den Zug Cluß
der 9. und den Zug Gangel der 10. Komp. nach der Achselklappe vor. Der
Regimentskommandeur hatte die 3. Komp. vom Neger-dorf nach deutsch T
vorgeschoben. Der Zug Seitzer dieser Kompagnie ging ebenfalls nach der
Achselklappe vor. So verfügte Leutnant Völter über eine verhältnismäßig
zahlreiche Truppe. Er brauchte das, denn das feindliche Gewehrgranaten- und
Maschi-nengewehrfeuer, das auf der Achselklappe lag, forderte Opfer und ließ
einen erneuten Angriff befürchten. Vizefeldwebel Gangel der 10. Komp., in
stärkstem Feuer von Mann zu Mann eilend, seine Leute anstellend, ordnend,
befehlend, fiel. Leutnant Völter trieb wiederum einen Posten im Laufgraben zur
Spinne hinüber vor, ein zweiter wurde an den Südrand des Waldes vorgeschoben.
So war hier alles zum Besten geordnet. Man kauerte im Graben, saß auf den
Stollentreppen mit schußbereitem Gewehr, mit entsicherter Handgranate. Die Maschinengewehre
standen geladen, die Posten dahinter. Die Lage war wieder hergestellt. Nicht so
bei den links anschließenden Kompagnien des 22. bayr. Regiments. Zwar war auch
hier die eigene Linie behauptet worden, doch saßen die Franzosen nahe
aufgerückt am Waldrand, durchweg 50–60 m vor unserer Linie in alten Gräben und
Granattrichtern, bis zum linken Flügel von V herüber. Es war bedauerlich, daß
das 22. bayr. Regiment mit seinen schwachen Kräften nicht in der Lage war,
sofort zum Angriff überzugehen und den Feind vor den Waldrand hinauszudrücken,
obwohl ihm die volle Unterstützung durch das Regiment Nick zugesagt war. So
blieb der Fran-zose hängen, und die Stellungen V bis X und Z blieben
Nahstellungen mit dauernden Handgranatenkämpfen, steter Unruhe und der
Möglichkeit überraschenden feindlichen Angriffs.“
aus:
„Das Württembergische Landw.-Inf.-Regiment Nr. 120 im Weltkrieg 1914–1918“,
Stuttgart 1922
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