„Am 13. Juni setzte gegen 2.30 Uhr morgens sofort heftiges Trommelfeuer
ein, bald darauf, 2.45 Uhr, ging beim Feind ein roter Doppelstern hoch, worauf
sofort unser eigenes Sperrfeuer einsetzte; aber auch auf die um 3.10 Uhr
morgens beim Feind hochgehenden roten Doppelsterne erfolgt kein Angriff,
hingegen schwillt sein Infanterie- und Maschinengewehrfeuer an. Gegen 3.35 Uhr
vormittags gehen auf der ganzen Linie auch bei der 27. Inf.-Division links rote
Doppelsterne hoch, das feindliche Artilleriefeuer läßt etwas nach, das eigene
macht Sperrfeuer. Aus der vorderen Linie sind von 4 Uhr morgens ab keine
Meldungen zu bekommen; sämtliche Fernsprech-leitungen sind abgeschossen und die
todesverachtenden Telephonisten noch unterwegs.
Da, 4.30 Uhr, läuft vom K.T.K.*, Major Wolff, wie vom III./125 die Meldung
und bald darauf von der Brigade die Nachricht ein, daß, nachdem 120 die
Doppelhöhe geräumt habe, auch 125 zurückgehe. Ein Meldegänger der 5./119 hatte
gleichzeitig an den K.T.K. die Meldung gebracht, daß die Kompagnie nach
Abweisung des Gegners vor der Front nun von neuem Gegner im Rücken angegriffen
worden sei, in heftigem Kampfe stehe und dringend um Unterstützung bitte.
Die Bereitschaftskompagnien (9. und 11.) treten sofort zum Gegenstoß durch
die mit Teilen sich zurückschlagende 5. und dann auch 7. Kompagnie, welche
indessen eben-falls in ihrer linken Flanke angegriffen worden war, an, konnte
aber das Gefecht hier nur noch durch Zurückbiegen des linken Flügels der alten
Front gegen die Stamm-Stellung 125 wieder herstellen. Die 6. und 8. Kompagnie
hatten durch heftiges Infanteriefeuer ihren Gegner in der Front unter
sichtbaren großen Verlusten zurückgeschlagen. Die 10. und 12. Kompagnie wurden
dem II. Bataillon auch unterstellt zur etwaigen Unter-stützung der Kompagnien in
der Front. Vornehmlich die 11. Kompagnie hatte durch wirksames Feuer das
Vorgehen des Gegners gegen Nordosten und damit das Aufrollen unserer Stellung
unterbunden.
Bei dem auf 8 Uhr vormittags festgesetzten, dann auf 8.30 Uhr verschobenen
Gegenstoß der Brigade – rechts 119 mit dem unterstellten I./121 (Major Frhr. v.
Lindenfels), links 125 und 120 – auf die Höhe 62 und 60 erreicht die 11./119
und die 1./121 in energischem Anlauf den ersten englischen Graben; die 11.
unter Leutnant Wildermuth dringt gegen 10 Uhr vormittags bis in die 2.
englische Linie vor. Die 2., 3. und 4./121 besetzten die Höhe 62 und standen
dann links rückwärts gestaffelt in der Lücke zwischen 125 und 11./119, welche
sich in der 1. englischen Linie festgesetzt und Patrouillen in der 2. englische
Linie, wo keinerlei Anschluß war, belassen hatte.
Auf Befehl der Division ging dann 119 in die alte Sturm-Stellung zurück mit
Sicherungen in der 1. englischen Linie.
Heldenhaft hatte sich am linken Flügel der Regimentsstellung der nach dem
unauf-hörlichen, Tod und Zerstörung bringenden, feindlichen Feuer verbliebene
Rest der 5. Kompagnie (Führung von Leutnant d. R. Scheurlen) gegen den Feind in
Front, Flanke und Rücken gewehrt. Nur ein kleiner Teil konnte sich rückwärts
durchschlagen, die übrigen lagen tot oder verwundet oder verschüttet oder
gerieten – meist auch verwundet oder betäubt – in Gefangenschaft. Ähnlich ging
es bei der nächstfolgenden, der 7. Kompagnie, welche ebenso wie die
anschließende 6., den linken Flügel zurückbog. In der Front des Regiments war,
wie schon erwähnt, der Gegner trotz starker Überlegenheit und Frischen
gegenüber den durch das wahnsinnige Feuer betäubten Verteidigen abgewiesen, von
denen viele im heftigen Geschoßhagel dauernd in der Stellung unterwegs waren,
um weniger beschossene Grabenteile aufzusuchen und zu warten, bis auch sie
getroffen oder verschüttet wurden.
„Da tritt kein anderer für ihn ein,
Auf sich selber steht er da ganz allein.“
Das trifft in solchen Lagen besonders zu. Hier war nicht viel mit Befehlen
zu machen. Jeder mußte der Lage entsprechend selbständig handeln. Die mit den
stärksten Nerven mußten die anderen mit
hoch halten.
Kein Wunder, daß nach der Ablösung viele Leute ernst und still
einhergingen. So Durchlebtes, der Anblick der Zerfetzten und Stöhnenden, der
durch die Wucht der großen, mit überlautem, scharfem Knall berstenden und schon
durch den Luftdruck die Besatzung umeinanderwirbelnden Granaten bleibt
nachhaltig im Gedächtnis. Man braucht Zeit zur Ruhe.
Auch dem Schreiber dieses, der sonst gute Nerven hat, ging es nach den
unerhörten Kämpfen an der Somme so. Nach dem Überstandenen war man innerlich
mürbe. Im damals nach den Kämpfen erhaltenen Urlaub traten einem mitten in der
Unterhaltung plötzlich die Bilder des Kampffeldes und die toten Kameraden in
lebhafteste Erinnerung und riefen ernste Stimmung hervor.
Am Abend des harten Tages wurde das stark mitgenommene II. Bataillon vom I.
Bataillon abgelöst.
Die Verluste des Regiments betrugen:
20 Mann tot.
9 Offiziere, 78 Mann
verwundet.
3 Offiziere, 46 Mann
vermißt.
In den schweren Tagen und Kämpfen vom 3. bis 13. Juni 1916 hatte das
Regiment einen Gesamtverlust von:
1 Offizier und 178 Mann
tot.
15 Offiziere, 519 Mann
verwundet und
72 Vermißte (zum Teil
auch gefallen oder verwundet in Gefangenschaft).“
aus: „Das Grenadier-Regiment
„Königin Olga“ (1. Württ.) Nr. 119 im Weltkrieg 1914-1918“, Stuttgart 1927
*K.T.K.: Kampf-Truppen-Kommandeur
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