„Im Lauf des Juni hatten sich die
Anzeichen so verdichtet, daß mit Bestimmtheit ein großer feindlicher Angriff
erwartet werden mußte.
Am 24. Juni 1916, 5 Uhr vormittags, begann die Schlacht. Ein gewaltiges
Artillerie-orchester spielte auf zum blutigen Völkerringen an der Somme. An das
Ohr des ge-spannt lauschenden Verteidigers tönt ein Brüllen und Zischen, ein
Heulen und Krachen, daß selbst die Erde bebt. Wohin das Auge blickt:
Sprengwolken und Schrapnells, gewaltige Fontänen von Rauch und Staub. Und über
die Erde schleicht giftgrüner Gas-hauch sengend und brennend. Es war, als
schwänge der leibhaftige Teufel mit diabo-lischer Lust den Taktstock in diesem
Höllenkonzert.
In die Drahthindernisse reißen Torpedominen meterbreite Gassen, wühlen hier
einen Trichter, verschütten dort den Graben; Steinschlag und Eisensplitter
schwirren durch die Luft; auf Schützen- und Laufgräben, auf Weg und Steg
prasseln Schrapnellkugeln, jedwede Bewegung lähmend. In der Kirche von
Miraumont reißt eine 24 cm-Granate das Dach vom Gestühl, Irles wird beschossen,
in Pys fällt der schwarze Adler, das altrenommierte „Hardt“-Hotel, einer
Granate zum Opfer. In der Nacht vom 24./25. erhellt ein gewaltiger Feuerstrahl
den feindlichen Horizont, ein schweres Geschoß braust durch die Lüfte,
zersplittert krachend in Bapaume, dem Sitz des Generalkom-mandos. Wo die
Reichweite der Artillerie versagt, fallen die Bomben der Flieger auf Verkehr
und Unterkunft; der Tod hält grausige Ernte; lodernde Flammen beleuchten das
Elend der von Haus und Hof geflüchteten Bewohner der Kampfzone.
So rast das Feuer vom Morgen zum Abend, rast vom Abend zum Morgen des
folgenden schönen Sommersonntags, rast in 40 km Breite von Gommécourt im Norden
bis Chaulnes im Süden. Und der Verteidiger? In den mit schwäbischer Kraft und
zähem Fleiß selbst geschaffenen unterirdischen Kasematten läßt die Infanterie
ungefährdet den Feuerwirbel sich austoben. In diese Tiefen bis zu 10 m unter
dem gewachsenen Boden, vermögen selbst die dicksten Kaliber nicht zu dringen.
Mit Sicherheit und Ruhe, selbst mit Humor harren die bewährten Kämpfer der wohl
nicht mehr fernen Stunde des Angriffs. Aber der Engländer greift eben nicht an;
weiter speit er unentwegt aus all seinen Höllenmaschinen Tod und Vernichtung.
Furchtlos und treu stehen die Leucht-kugelposten, rufen zum Alarm wenn
Leuchtkugeln steigen, wenn Gas- und Nebel-wolken gegen den Graben branden. So
zerrt der Angreifer an den Nerven der harten Verteidiger, die jede, auch die
kleinste Feuerpause fieberhaft nützen, den Graben instand zu halten. –
Sisyphusarbeit!
Doch in den Lüften tummeln sich Scharen von Fliegern. In ruhigem, sicherem
Fluge, großen Geiern gleichend, schweben die Bombengeschwader ins
Hintergelände; zischend saust ihr verderbenbringender Hagel in die Quartiere;
über den Infanterie- und vor allem Artilleriestellungen kreisen die
scharfäugigen Späher und lenken das Feuer ihrer Artillerie; im tiefsten Blau,
dem Auge kaum wahrnehmbar, stoßen die englischen Flugfalken auf die an Zahl und
Technik weit unterlegenen deutschen Flieger.
Schweres, wohlgezieltes Feuer liegt auf der Artillerie. Batterie um
Batterie wird regelrecht bearbeitet. Schwere Granaten zerreißen den Boden
unmittelbar vor und hinter den Geschützen, dazwischen fegen 12 cm mit
scharfkantigen Splittern aus feinstem, silberhell glänzendem Stahl. Doch der
Schaden ist gering, wenn auch jede einzelne Batterie mit hunderten von
Geschossen bedacht wird. Da und dort ein Volltreffer, einzelne Geschützstände
in der Beaucourt-Mulde und an der Mulin ruiné brennen aus. Im Stumpweg werden
von der 4. und 5. Batterie Geschütze aus der Stellung auf den Weg geschleudert,
aber die Unterstände halten stand, schützen Bedienung und Munition. Mitten im
Eisenhagel wachen unerschüttert Beobachtungsoffiziere und Batterieposten, und so
oft das Kommando ruft, tun die braven Kanoniere ihre Pflicht, trotz der Lücken,
die der Tod in ihre Reihen reißt. Die rückwärtigen Verbindungen und Unterkünfte
des Feindes, keck sich zeigende Engländertrupps werden mit Erfolg beschossen,
wie auch unablässig zur Entlastung der Infanterie die lästigen Minenwerfer
bekämpft und vielfach zum Schweigen gebracht werden.
Am Sonntag Nachmittag, den 25. Juni, zwischen 4 und 5 Uhr brausen in
breiter Front englische Flieger gegen die deutsche Linie. Da – ein entsetzliches
Schauspiel! Brennend stürzen im Norden und im Süden die deutschen Fesselballone
ab. Auch der Ballon der Division, bemannt mit den Artilleriebeobachtern
Leutnant d. R. Welte und Vizewacht-meister Auchter, fällt dem tückischen
Phosphorsprühregen des feindlichen Fliegers zum Opfer. Beide Beobachter finden
den Heldentod. Ein schwerer Schlag für die kämpfen-den Truppen, besonders aber
für die Artillerie, deren Auge beinahe völlig geblendet ist. Der Fesselballon
vernichtet, die eigenen Flieger in ihrer Unterlegenheit zur Ohnmacht verdammt, kämpften
die deutschen Batterien wie mit einer Binde vor den Augen, während der
luftüberlegene Gegner mit dem Habichtsblick seiner Flieger und Ballon-beobachter
jede Falte durchforschte, auch die kleinsten Ziele erspähen und wirkungsvoll
bekämpfen konnte. Die Luft war fast rein englisch. Ein für die Moral der
Truppen geradezu unerträglicher Zustand.“
aus:
„Das Württembergische Reserve-Feldartillerie-Regiment Nr. 26 im Weltkrieg
1914-1918“, Stuttgart 1929
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