Mittwoch, 29. Juni 2016

29. Juni 1916


„Abgesehen von einzelnen nächtlichen Patrouillenkämpfen und den gewohnten Beschießungen, die da und dort Zerstörung von Stellungsteilen und leider fast täglich blutige Verluste verursachten, verlief der Monat Juni im allgemeinen ruhig. Eine sogenannte „ruhige“ Stellung war die bei Richebourg allerdings nicht, vielmehr war dauernde, gespannte Aufmerksamkeit bei Tage und besonders bei Nacht geboten, aber auf einen ernstlichen, umfangreichen Angriff oder auch nur auf eine Unternehmung größeren Stils deutete nichts hin.
Da! Am 29. Juni – das Wetter war kühl, trüb, regnerisch – 12 Uhr mittags setzte schweres Minenfeuer auf K 5 ein, hauptsächlich auf die Drahthindernisse. Um 1 Uhr beginnt feindliches Artilleriefeuer, das sich mehr und mehr steigert. Augenscheinlich handelt es sich um ein feindliches Wirkungsschießen auf die Abschnitte K 3, K 4 und K 5, sowie auf Stützpunkt C. Von 3 Uhr ab tritt eine weitere Steigerung des feindlichen Artillerie- und Minenfeuers aller Kaliber ein. Um 4 und 5 Uhr je 15 Minuten Feuer-pause! Um 6 Uhr hört das Feuer ganz auf.
In K 5 lag die 12. Kompagnie unter Leutnant d. R. Stäbler. Als dieser erkannt hatte, daß es sich nicht um einen der gewohnten feindlichen Feuerüberfälle, sondern um ein planmäßiges  Wirkungsschießen handelte, ließ er, um bei Tage unnötige Verluste zu vermeiden, den größeren Teil seiner Kompagnie nach links zum Abschnitt des Nachbarregiments 246, die anderen nach rechts nach dem Abschnitt K 4 ausweichen. Wenn dann der Feind je den Abschnitt A 5 angriff, stand hier ja das durch einen Betonklotz geschützte M.-G. 8, bei dem sich noch ein Teil der 12. Kompagnie und Leutnant Stäbler selbst befanden. Hier wollte dieser das Ende des feindlichen Feuers abwarten. Als der Graben zerstört war und nur noch der betonierte M.-G.-Stand aus den Trümmern hervorragte, lenkte der Engländer sein Feuer auch auf diesen. Es traten Verluste ein: ein Mann wurde getötet, Leutnant Stäbler und einige Leute wurden verwundet. Leutnant Stäbler versuchte, nach K 4 zu gelangen, um sich verbinden zu lassen. Unterwegs stieß er im vorderen Graben auf einige Leute seiner Kompagnie, die ihn verbanden. Dort blieb er zunächst. In einer Feuerpause ging er wieder nach K 5 zurück und traf bei M.-G. 8 noch etwa 8 Mann in Unterständen. Bei diesen blieb er. Verteidigung und Abwehr war sehr erschwert, denn der Graben war großenteils zerstört, Handgranaten und Patronen waren verschüttet. Die einzige Rettung war das Maschi-nengewehr, wenn es gelang, es in Stellung zu bringen.
Zweimal war es von seinem Stande heruntergeschossen worden, ohne daß es kampf-unfähig geworden wäre, obgleich der Betonklotz durch Volltreffer schwer beschädigt worden war.
Die Gräben waren furchtbar zusammengeschossen. Leutnant Rentschler und Vizefeld-webel Kobler (Off.-Asp.), die mit ihren Leuten nach 246 ausgewichen waren, kamen zu Leutnant Stäbler, um zu berichten, daß sie mit 30 Mann den Verbindungsweg nach 246 halten. Sie erhielten den Befehl, dort zu bleiben. Leutnant Stäbler selbst sammelte die übrige Kompagnie in K 4. Als der Feind weder sein Feuer fortsetzte, noch sonst irgend etwas unternahm, besetzte die 12. Kompagnie mit etwa 60 – 70 Mann bei Einbruch der Dunkelheit wieder K 5.
Die Kompagnie, die schon 7 Tage in diesem anerkannt schwierigsten Abschnitt einge-setzt und dem schweren Feuer der letzten Tage ausgesetzt war, hatte an Gefechtskraft stark eingebüßt. Man mußte mit der Fortsetzung des Feuers und mit einem feindlichen Angriff am anderen Morgen rechnen. Da waren frische Kräfte nötig. Auf Antrag des Bataillonskommandeurs wurde daher vom Regiment befohlen, daß die 12. Kompagnie in der kommenden Nacht durch die 8. Kompagnie in K 5 abgelöst würde. 10.15 Uhr abends wurde der Befehl ausgegeben; gegen 1 Uhr morgens war die Ablösung voll-zogen.“


aus: „Das Württembergische Reserve-Inf.-Regiment Nr. 248 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1924

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