„Um Mitternacht wurde vor K 4 eine feindliche Patrouille, gegen unsere
Stellung vor-gehend, beobachtet. Eigene Späher waren am Feinde. Die Nacht
verlief unheimlich ruhig.
Von 2 Uhr nachts ab war für den ganzen linken Unterabschnitt
Alarmbereitschaft befohlen. Man war auf alles gefaßt. Es wurde fleißig
geschanzt. Man konnte mit Ruhe dem Morgen entgegengehen. „Bereit sein ist
alles!“
Major v. Zeppelin führte für den beurlaubten Regimentskommandeur das
Regiment, Hauptmann d. L. Wintterlin das I. Bataillon, Rittmeister Frhr. v.
Lindenfels war Kom-mandeur des III. Bataillons.
Die Besetzung des bedrohten Abschnitts war folgende: am linken Flügel, im
Anschluß an das Regiment 246, war die 8. Kompagnie unter Leutnant Kugel
anstelle der 12. Kompagnie in der Nacht im Abschnitt K 5 eingesetzt worden.
Daran anschließend hatte die 10. Kompagnie unter Leutnant Grünewald K 4
besetzt. Im Rupprechtsgraben lag die 11. unter Leutnant Böhner, im Stützpunkt C
die 9. Kompagnie unter Leutnant Bommas. K 3 bildete den linken Flügel des rechten
Unterabschnitts. Hier lag die 4. Kompagnie unter Hauptmann Suttner.
Plötzlich 3.45 Uhr morgens, setzt auf einen Schlag heftiges feindliches
Artillerie- und Minenfeuer auf unsere Gräben von K 3 bis K 5, auf die
Zugangswege, Rupprechts-graben und Stützpunkt C ein. Es ist noch dunkel. Sofort
wird die ganze Besatzung alarmiert, durch rote Leuchtkugeln das Sperrfeuer
unserer Artillerie ausgelöst. Bald rollen und sausen unsere Geschosse über die
eigenen Gräben hinweg und platzen krachend vor der Front.
Regiment und Brigade werden durch Fernsprechmeldung in Kenntnis gesetzt.
Auch dort hinten ist alles auf dem Posten. Der ganze Regimentsabschnitt wird
alarmiert. Denn es ist kein Zweifel, es kommt ein Angriff, zum mindesten eine
größere Unternehmung.
Die artilleristische Vorbereitung ist in vollem Gang.
Gleichzeitig mit dem feindlichen Feuer gegen unseren Regimentsabschnitt
wurden in der üblichen Weise auch andere Teile der Front beschossen. Meldungen
kamen über schweres Feuer auf Abschnitt A – rechter Flügel der Armeekorps-Front
– und auf den Abschnitt der 6. Bayer. Res.-Division rechts davon; ferner wurde
schweres Feuer mit Gasgeruch von unserem linken Nachbarabschnitt – Regiment 246
– gemeldet. Also an verschiedenen Stellen der Front hatte der Engländer mit seinem
Feuer angepackt. Wo wird er nun angreifen? Bei uns! An der scharfen Ecke in K 5
bei der „Sappe“, von den Engländern „ducksbeak“, d. h. „Entenschnabel“,
genannt, war der geeignetste und darum wahrscheinlichste Punkt.
Es werden sofort die für die Abwehr eines Angriffs erforderlichen
Anordnungen getroffen. Das Regiment ist bereit.
Die Verteilung der nicht unmittelbar angegriffenen Kompagnien ist folgende:
Im Abschnitt K 1 die 1. Kompagnie, in K 2 die 2., im Deckungswall die 3.
Kompagnie.
Die 5. Kompagnie, Regimentsreserve in Gravelin, wird nach Halpegarbe,
später nach dem Deckungswall vorgezogen. Die Infanteriepioniere, ebenfalls
Regimentsreserve, werden dem III. Bataillon unterstellt.
Die Brigadereserve, 6. und 7. Kompagnie, wird nach Gravelin vorgezogen,
ebenso die dazu gehörige 2. M.-G.-Kompagnie.
Währenddessen wird das feindliche Feuer auf K 4 und K 5 immer stärker und
steigert sich zum Trommelfeuer. Die anderen Stellungsteile erhalten nur
Abriegelungs- oder Ablenkungsfeuer, K 3 wird mit Brandminen, die 15 Minuten
lang weiterbrennen, beschossen; auf Rupprechtsgraben und Stützpunkt C liegt
schweres Feuer.
Es ist kein Zweifel mehr, der Angriff kommt gegen uns.
Gleich bei Beginn des feindlichen Artillerie- und Minenfeuers auf K 4 und K
5 setzen die auf erhöhten Punkten aufgestellten Maschinengewehre im
rückwärtigen Gelände mit überhöhendem Feuer ein und verstärken so über unsere
vorderen Gräben hinweg das Sperrfeuer unserer Artillerie. Dieses Schießen hatte
jedenfalls die gute Wirkung, daß sich unsere Leute im vordersten Graben darüber
freuten, und sie konnten wahrlich die Herzensstärkung brauchen.
Kurz vor 4 Uhr bemerkt der Schütze Notter der 1. M.-G.-Kompagnie bei M.-G.
6, wie einzelne Engländer gegenüber K 4 aus ihrem Graben heraussteigen. Schon
vorher hatten scharfe 248er Augen beobachtet, wie einzelne Tommies an unsere
Drahthindernisse heranschlichen und sie mit Drahtscheren durchschnitten.
Jeden Augenblick können sie kommen. Das sind Minuten höchster Spannung!!
Das feindliche Feuer wird vorverlegt! Dunkle Gestalten übersteigen die
Brustwehr des englischen vordersten Grabens und zeigen sich nun in voller
Größe. Das M.-G. 6 feuert und setzt ihrem weiteren Vorgehen ein Ziel. Ein Teil
der Stürmenden fällt in den eigenen Graben zurück, zahlreiche bleiben vor ihrem
Graben oder in ihrem Hindernis liegen, nur wenige kommen vorwärts und auch
diese werden von unserem Hindernis erledigt oder laufen zurück.
„Sechsmal machte der Gegner den Versuch, dem M.-G. gegenüber aus seinem
Graben hervorzubrechen, jedesmal aber brach er in unserem vernichtenden
M.-G.-Feuer glatt zusammen“, so berichtet Vizefeldwebel Spahr.
Auf dem linken Flügel von K 4 bei M.-G. 7 lag Leutnant Kochendörffer mit
seinen Leuten. Auch hier sah man gegen 4 Uhr, wie einzelne Engländer an unseren
Graben heranschlichen. Sofort wurden Handgranaten geworfen und das Gewehrfeuer
eröffnet. Rechts und links von M.-G. 7 greifen die Engländer als zweite Welle
ihres Angriffs in dichten Reihen und in Gruppenkolonne an. Hier kommen sie
vorwärts. Dem M.-G. 7 gelingt es zwar, die Feinde, die bereits dicht vor
demselben sind, außer Gefecht zu setzen, doch weiter links dringen Einzelne in
unsern Graben ein. Es kamen drei bis vier Linien hintereinander, mit kleineren
Gruppen dazwischen, sprungweise heran. Die tapferen Schützen der 10. Kompagnie
unter Leutnant Kochendörffer, tatkräftig unter-stützt durch M.-G. 7 und durch
flankierendes Feuer des M.-G. 6, wehren sich aufs hartnäckigste. Leutnant
Kochendörffer fällt hierbei.
Als im Vorgelände bei M.-G. 6 keine kampfkräftigen Engländer mit dem M.-G.
mehr zu fassen sind, greifen die M.-G. Schützen unter dem Gefreiten Abele und
dem Schützen Notter zum Gewehr und zur Handgranate, um Seite an Seite mit den
Infanterieschützen im Nahkampf den immer zahlreicher von links und bald auch von
hinten heran-stürmenden Feinden erfolgreich entgegenzutreten. Die Mehrzahl der
Gegner fällt im Nahkampf.
Die 8. Kompagnie hatte unter dem Feuer schwer gelitten. Dazu lag sie in
einem Tags zuvor „Furchtbar zusammengeschossenen“ Abschnitt. Sie hatte einen schweren
Stand.
An der Regimentsgrenze gegen Res.-Inf.-Regt 246, auf dem äußersten linken
Flügel des Regiments 246, gelang es den Engländern, durchzustoßen. Frontal
kamen in dem zerschossenen Grabengewirr und durch die Trümmer von
Drahthindernissen und Gra-benteilen nur vereinzelte Feinde durch, die vom
M.-G-Feuer nicht erfaßt wurden..
Als einige Leute der 8. Kompagnie auf dem äußersten linken Flügel des
Regiments-abschnitts beobachteten, daß die Engländer rechts und links von ihnen
durchzubrechen drohten, glaubten sie, nach dem rechten Flügel von 246
ausweichen zu können. Um durch die engen Gräben leichter durchzukommen,
stellten sie ihre Gewehre weg und arbeiteten sich mühsam nach links durch die
zerstörten Grabenreste. Dabei stießen sie auf schon durchgebrochene Engländer,
denen sie sich, da sie waffenlos waren, ergaben. Sie wurden gefangen genommen,
mußten ihr Lederzeug ablegen und wurden ohne Bewachung in die englischen Gräben
hinübergeschickt. Die von dort vorgehenden hinteren Wellen der Engländer hielten
sie im Morgendunst für anstürmende Deutsche und schossen auf sie. Es sollen
hierbei einige Leute gefallen sein, zwei Mann wurden verwundet und später von
ihren Kameraden in die eigene Stellung hereingeholt, vier fielen in englische
Gefangenschaft. Sie mußten es büßen, daß sie, wenn auch nach berechtigter
Überlegung, ihre Gewehre weggestellt hatten, anstatt sie mitzunehmen und
gegebenenfalls im Nahkampf auf kurze Entfernung zu gebrauchen.
Es waren dies die einzigen Gefangenen, die das Regiment in diesem Gefecht,
überhaupt in der Stellung vor Richebourg, verloren hat.
Nachdem alle Munition verschossen war, versuchte die Bedienungsmannschaft
des M.-G. 6, ihr M.-G. zurückzuschaffen und zu retten, damit es nicht in
Feindeshand falle. Unterwegs schlug ein Schrapnellvolltreffer mitten in die
Bedienung, riß das M.-G. in zwei Teile und dem Träger, dem Schützen Grad, den
Kopf weg. Tief ergriffen bringen die Kameraden die Reste ihrer stolzen Waffe,
aus der ohne jede Hemmung 6500 Schuß verschossen worden waren, zurück.
Unterdessen war es bei M.-G. 7a blutiger zugegangen. Kaum waren einige
Schuß daraus verfeuert, saß der Gegner schon im Rücken. Mutig wirft sich
Unteroffizier Krug, der an diesem Tage Geburtstag hatte, mit Pistole und
Handgranaten ihm entgegen – bald liegt er bleich und todwund am Boden. Sein tapferer
Richtschütze wird durch einen Bauchschuß hingestreckt, die beiden anderen
Schützen Schwegler und Weber wehren erfolgreich die Feinde ab, aber das
Maschinengewehr selbst bleibt stumm. Es hatte eine Ladehemmung gehabt.
M.-G. 7 beteiligte sich, wie schon oben erwähnt, aufs wirkungsvollste am
Kampfe. Hier war es der tapfere Unteroffizier Allmendinger, der mit seinem
M.-G. reihenweise die feindlichen Schützen niedermähte. Bald aber machte sich
auch hier der Druck des Gegners von K 5 her fühlbar und nötigte die Bedienung
zum Nahkampf mit Gewehr, Pistole und Handgranate. Leider fanden dabei Schütze
Idler und Nannega den Tod, Unteroffizier Allmendinger und sein Richtschütze,
Gefreiter Ernst, wurden verwundet. 4500 Schuß hatte er mit seinem M.-G.
abgegeben. Er wurde mit dem E. K. I ausge-zeichnet und als „Auszeichnung vor dem
Feinde“ zum Vizefeldwebel befördert.
Für die 1. M.-G.-Kompagnie war der 30. Juni ein besonderer Ehrentag
gewesen. Stolz konnte sie auf ihre Leistungen zurückschauen und dankbaren
Herzens erkennen wir 248er auch heute noch, nach Jahren, an, was wir unseren
Maschinengewehrlern an diesem Tage verdankten.
Als 3.45 Uhr morgens plötzlich das feindliche Feuer mit gewaltiger Wucht
einsetzte, war die Besatzung von K 5 keinen Augenblick im Zweifel, daß ein
Angriff gegen diesen Abschnitt bevorstand. Alle Vorbereitungen zur Abwehr
wurden getroffen.
Leutnant Kugel führte die Kompagnie, die Leutnants Buck und Schulz, sowie
der Offizierstellvertreter (Off.-Asp.) Reck führten die Züge.
Im roten Feuerschein der krepierenden Geschosse entdeckte der Landsturmmann
Stöhr vom Zuge Reck eine feindliche Schützenlinie zwischen unserem und dem
englischen vordersten Graben. Alles macht sich schußbereit. Im Morgengrauen –
es war etwa ½5 Uhr –, tritt die Schützenlinie an, nachdem die feindliche
Artillerie ihr Feuer vorverlegt hatte. „Schnellfeuer!“ ertönt das kurze
Kommando. Nur wenige Engländer kamen bis an unser Drahthindernis. Die meisten
ereilte ihr Schicksal. Was noch übrig war, flutete zurück. Die erste Welle war
abgeschlagen.
Bald dringen weiter links durchgebrochene Engländer von halblinks rückwärts
gegen die Besatzung vor. Schnell nehmen einige Leute in einem Stichgraben die
Front gegen sie auf und zwingen den etwa 20 Mann starken Gegner durch
Gewehrfeuer zum Zurückgehen.
Bei dem lebhaften Feuern wird die Munition immer knapper, zumal da die
bereitgelegte Grabenmunition verschüttet ist. Die Leute benutzen daher eine
kurze Kampfpause und suchen Patronen und Handgranaten in den zerschossenen
Grabenteilen. Es wird 5.30 Uhr morgens. Alarm!! Eine weitere Welle verläßt den
feindlichen Graben, gleich darauf noch eine. Inzwischen ist es heller Tag
geworden. Man kann nunmehr sicherer zielen und besser treffen.
„Ruhig zielen!“ – „Munition sparen!“ rufen die Zugführer. Fast jeder wohlgezielte
Schuß der tapferen Schützenschar sitzt. „Unsere Leute schreien vor Freude und
Wut, wenn wieder einige purzeln,“ schreibt Offizierstellvertreter Reck in
seinem Bericht.
Halbwegs zwischen den beiden Stellungen bricht der Angriff zusammen. Was
nicht fällt, läuft zurück in den schützenden Graben.
Wiederum tritt eine Kampfpause ein. Die Hälfte der Leute beobachtet, die
anderen suchen nach Patronen und Handgranaten, reinigen die Gewehre, verbinden
Verwundete, legen die Toten zur Seite, alles arbeitet und ist beschäftigt, denn
jeden Augenblick kann eine neue Welle kommen. Schon strecken sie drüben im
englischen Graben vereinzelt die Köpfe über die Brustwehr. Da sausen auch schon
ein paar Volltreffer unserer Artillerie mitten in sie hinein. Schnell sind sie
verschwunden. Die Munition wird immer knapper, die 8. Kompagnie ist ohne
Verbindung mit den Nachbarn und nach rückwärts.
Leutnant Schulz schickt nun den Offizierstellvertreter Reck nach rechts, um
Verbindung mit K 4 und K 5 zu suchen und Unterstützung bzw. Munition zu holen.
In K 4 trifft Reck etwas 10 bis 12 Mann der 8. Kompagnie ohne Führer, aber
wacker auf ihrem verlorenen Posten aushaltend. Er geht mit seinem Begleiter,
Musketier Kolb, nach rückwärts auf die Förderbahn, um rascher vorwärts zu
kommen. Plötzlich werden sie lebhaft beschossen aus einem Wassergraben, in dem
sich etwa 15 bis 20 Engländer vorgearbeitet hatten. Sie müssen umdrehen. Unter
steter Gefahr, von den feindlichen Schützen oder von der eigenen Artillerie,
die inzwischen nach K 5 und K 4 das Feuer aufgenommen hatte, getroffen zu
werden, arbeiteten sie sich zu 246 durch. Es hatten sich ihnen noch einige
Leute angeschlossen. Reck erstattet über 246 seine Meldung an das Regiment und
das Bataillon, dann tritt er mit seinen Leuten den Rückweg nach K 5 an, nachdem
sie sich Handgranaten und Gewehrmunition verschafft hatten. Mit 4 Mann
arbeitete er sich auf der Förderbahn
zunächst nach K 3 durch und kam zur Kompagnie, als der Feind erledigt war.
Unterdessen hielt sich Leutnant Schulz, von allen Seiten bedroht und
angegriffen, mit einer kleinen Schar Getreuer auf verlorenem Posten im
Abschnitt K 5 aufs tapferste gegen wiederholte Versuche der Engländer, ihn
auszuheben. Mit Gewehr, Pistole und Handgranate wehrte sich das Häuflein,
ringsum von den Nachbarn abgeschlossen und vom Feinde eingeschlossen. Die
kaltblütige Ruhe des Führers und seine fortgesetzten Ermahnungen zum Haushalten
mit den Patronen und zum scharfen Zielen verhinderten, daß die spärliche Munition
vorzeitig zu Ende ging. Heldenmütig hielten sie durch, bis Hilfe kam und der
Feind vertrieben war. Leutnant Schulz wurde als Anerkennung für sein und seiner
Leute Verhalten das E. K. I. Klasse verliehen. Die 8. Kompagnie hatte sehr
schwere Verluste. Der Kompagnieführer, Leutnant d. R. Kugel, war als tapferer
Held gefallen, mit ihm gar viele seiner treuen Mannen. Die Kompagnie wurde von
mir dadurch geehrt, daß Leutnant d. R. Buck, der nach dem Heldentod des
Kompagnie-führers die Kompagnie stellvertretungsweise geführt hatte, als
Auszeichnung außer der Reihe mit der Kompagnieführerstelle beliehen wurde.
Die Front des Abschnitts K 4 und des rechten Flügels von K 5 stand fest.
Hier kamen die Engländer nicht durch. Dagegen waren sie auf dem linken Flügel von
K 5 und an der Regimentsgrenze gegen 246 in unsere Stellung eingedrungen und
gingen auf der Förderbahn und entlang dem Wassergraben flankierend vor. Als der
stellvertretende Führer der 10. Kompagnie, Leutnant Grünewald, dies
beobachtete, befahl er dem Leutnant Kucher mit 3 Gruppen des rechten
Flügelzuges in einer Flankenstellung senkrecht zur Förderbahn dem Feinde
entgegenzutreten. Leutnant Kucher besetzte die Stellung und verhinderte hier
ein weiteres Vordringen der Engländer.
Leutnant Grünewald, der sich Leutnant Kucher angeschlossen hatte, fand
später hier den Heldentod. Sobald erkannt worden war, daß es sich nicht nur um
eine kleinere Patrouillenunternehmung, sondern um eine größere
Gefechtstätigkeit handelte, waren Verstärkungen nach vorn geeilt. Die 11.
Kompagnie war schon um 5 Uhr auf die Nachricht. daß die Engländer in K 4 und K
5 eingedrungen seien, selbständig unter ihrem Führer, Leutnant Böhner, vom
Rupprechtsgraben aus durch den Lipper-Weg nach K 3 gerückt und hatte den linken
Flügel dieses Abschnitts besetzt. Leutnant Lang mit dem Handgranatentrupp wurde
der 10. Kompagnie in K 4 zu Hilfe geschickt.
In K 3 hatte Hauptmann Suttner, Führer der 4. Kompagnie schon gleich bei
Beginn des feindlichen Feuers, das sich bis in diesen Abschnitt ausdehnte,
seine Kompagnie alarmiert. Leutnant Banz führte den linken Flügelzug. Es war
noch dunkel. Um etwa vor dem eigenen Drahthindernis liegende Engländer erkennen
zu können, wurden Leucht-kugeln abgeschossen, um sie zu vertreiben wurden
Handgranaten geworfen. Leutnant Banz, auf dem Auftritt stehend, beobachtete
währenddessen über Bank. Da kam ein Schrapnellvolltreffer und schleuderte ihn
in den Graben hinab. Um sich zu erholen, ging er in seinen Unterstand zurück.
Hierbei sah er auf der Förderbahn zwei Engländer daherkommen, gleich darauf
noch mehr. Flugs flogen ihnen Handgranaten entgegen und taten ihre Wirkung.
Durch einen Unteroffizier und zwei Mann ließ Leutnant Banz die Förderbahn
absperren. Dann nahm er 8 beherzte Leute der 4. und 11. Kompagnie und arbeitete
sich mit ihnen im „aufrollenden Handgranatenangriff“ nach links bis zu der
Stelle vor, wo Leutnant Grünewald und Leutnant Kucher mit ihren Leuten im
heftigen Abwehrkampf gegen die Engländer lagen. Dort beteiligte er sich mit
seinen Leuten am Gefecht mit Gewehr und Handgranate.
Unterdessen war auch Leutnant Lang mit dem Handgranatentrupp der 11.
Kompagnie zur Verstärkung der 10. Kompagnie angerückt. Während Leutnant
Grünewald und Leutnant Kucher die Engländer festhielten, drückte Leutnant Lang
mit seinem Trupp im Hauptkampfgraben vor bis in Höhe von M.-G. 6. Hier
leisteten die Engländer heftigsten Widerstand, hier hatten sie auch ein M.-G.
in Stellung gebracht und einen Stichgraben bis zur Förderbahn stark besetzt.
Besonders hartnäckig verteidigten sie sich an einer Schulterwehr. Schließlich
gelang es aber doch, sie zurückzudrängen. Leutnant Lang verlor dabei fast
seinen ganzen Trupp. Vizefeldwebel (Off.-Asp.) Kobler und Unteroffizier
Gschwend wurden durch englische Handgranaten schwer verwundet, ebenso wurden
Vizefeldwebel Kurz (11.), 2 Mann der 11. Kompagnie (Oehl und Kick) und 2 Mann
der 4. Kompagnie verwundet. Die Schulterwehr ging wieder verloren. So ging es
zweimal hin und her. Mindestens 40 bis 50 Handgranaten waren geworfen worden. 5
tote Engländer lagen an dieser Stelle. Da Mangel an Handgranaten eintrat, mußte
man sich auf die Verteidigung beschränken.
Auch Leutnant Banz hatte unter seinen Leuten Verluste, auch bei ihm gingen
die Handgranaten zur Neige. Er eilte nach K 3 zurück, um bei Hauptmann Suttner
einen weiteren Handgranatentrupp zu erbitten und Handgranaten zu holen. Hierbei
wurde er wieder zweimal durch Volltreffer verschüttet. Trotzdem kehrte er mit
Verstärkung zu Leutnant Kucher zurück. Mit Leuten verschiedener Kompagnien
arbeitete er sich über M.-G. 6 hinaus, dauernd Handgranaten werfend, gegen die
Engländer vor und drängte sie Schritt für Schritt zurück.
Während dieser Kämpfe rückten die Verstärkungen von rückwärts heran: die 5.
Kompagnie besetzte den Rupprechtsgraben, die Infanteriepioniere den
Deckungswall, die 6. und 7. Kompagnie wurden nach Halpegarbe vorgezogen, ebenso
die 2. M.-G.-Kompagnie.
Die 9. Kompagnie im Stützpunkt C erhielt etwa um 6.45 Uhr morgens vom
Bataillons-kommandeur den Befehl, am Betonweg entlang vorgehend, den in K 4 und
K 5 eingedrungenen Feind wiede4r hinauszuwerfen. Hier lag aber schweres
feindliches Abriegelungsfeuer, so daß ein Vorgehen unmöglich schien. Auf Befehl
des Bataillons rückte sodann die Kompagnie durch den Mindener Weg nach vorn, um
den Rupprechts-graben zu besetzen. 7.35 Uhr morgens war dieser besetzt. Später
rückte die Kompagnie zur Verstärkung der 10. Kompagnie nach K 4 vor und beließ
einen Zug als Sicherheits-besatzung im Rupprechtsgraben.
Teile der 3. Kompagnie waren um 7 Uhr mit Handgranaten und Munition zur
Unter-stützung der 4. Kompagnie nach K 3 vorgeschickt worden, mit dem
Bataillonsbefehl an die 4. Kompagnie, mit allen zu Gebote stehenden Kräften
einen Gegenstoß gegen die in K 4 eingedrungenen Engländer zu führen. Diesem Befehl
war die 4. Kompagnie durch Entsendung von Leutnant Banz schon zuvorgekommen.
Nach 7 Uhr traten zeitweise Kampfpausen ein. Die Engländer schienen sich in
K 4 und K 5 festsetzen zu wollen, ja sie hatten schon mit einem
Verbindungsgraben von ihrer Stellung nach der unsrigen begonnen. Die Kompagnien
in K 4 und K 5 waren in die Verteidigung gedrängt, die Verstärkungen teilweise
erst im Anrücken, die Handgrana-tenkämpfer ermüdet; es herrschte
Munitionsmangel.
Die Nachrichten, die nach hinten zum Bataillon und Regiment kamen,
widersprachen sich. Der Kommandeur des III. Bataillons gewann auf Grund der
Meldungen und Beobachtungen die Überzeugung, daß K 5 und der linke Flügel von K
4 nur vom Feinde besetzt seien. Von den in K 5 eingeschlossenen Resten der 8.
Kompagnie unter Leutnant Schulz wußte er nichts. Er bat die Artillerie, ihr
Feuer auf K 4 und K 5 überzulenken, um den Feind mit beobachtetem
Artilleriefeuer von dort zu vertreiben. Die brave 8. Kompagnie in K 5 kam
dadurch in eine schwere Bedrängnis, ins eigene Artilleriefeuer, ohne die
Möglichkeit des Ausweichens oder eines Schutzes, vom Feinde schwer bedroht.
Leutnant Banz wurde bei seinem Vordringen in K 4 durch das eigene
Artilleriefeuer aufgehalten. Er hatte nur noch 3 Leute bei sich, die andern
waren tot und verwundet. Er sah sich daher gezwungen, zurückzugehen und
Verstärkung zu holen. Unterwegs beobachtete er, wie die Engländer in und vor
ihrem vordersten Graben sich K 3 gegenüber sammelten und vermutete einen
Angriff gegen K 3. Ein solcher erfolgte jedoch nicht. Immerhin machte er
Hauptmann Suttner davon Meldung. Im Unterstand von Hauptmann Suttner traf er
mit Leutnant Grießer, Joseph, zusammen. Dieser erhielt von Hauptmann Suttner
den Befehl, an Stelle von Leutnant Banz den Handgranaten-kampf weiterzuführen,
da dieser infolge Prellschusses und Verschüttung sehr erschöpft war. Mehrere
Leute hatten sich freiwillig bereit erklärt, mit Leutnant Grießer zu gehen und
Handgranaten mit vorzutragen. Es waren dies die Musketiere Maier, Baumeister
und Nenninger der 4. Kompagnie, Gefreiter Sauter der 2. Kompagnie und
Kriegsfrei-williger Stehle der 11. Kompagnie. Unterwegs trafen sie mit Leutnant
Lang zusammen, der Leutnant Grießer zurief, er werde gleich nachkommen, sobald
er sich etwas erholt habe, man dürfe keinen Schritt zurückweichen. Leutnant
Lang war auf dem Weg zur 4. Kompagnie, um Unterstützung zu holen, denn von
seinem Handgranatentrupp von 18 Mann waren nur noch 3 übrig.
Das Feuer unserer Artillerie auf die Abschnitte K 4 und K 5 machte es auch
Leutnant Grießer unmöglich, vorwärts zu kommen. Er bat daher, daß das Feuer
vorverlegt werde. Das geschah auch. Nun ging’s vorwärts. An einer Schulterwehr
leistete ein Engländer Widerstand. Er wurde erledigt. Die ersten hundert Meter
waren leicht zurückgelegt. Dann aber stieß Leutnant Grießer mit seinen Leuten
auf heftigen Widerstand: aus einem Grabenstück, das die Engländer besetzt
hatten, wurden sie mit Gewehrfeuer und mit Handgranaten empfangen. Es entspann
sich der übliche Handgranatenkampf, bei dem etwa 50 Handgranaten geworfen
wurden. Derselbe endigte mit einem vollen Erfolg. Die Engländer, etwa 40 Mann
stark, verließen schließlich den Graben, Grabenstück um Grabenstück waren sie
zurückgedrängt worden. In einem Unterstand wurden 3 gefangen genommen. Leutnant
Grießer war etwa 150 m kämpfend vorwärts gekommen, als die Handgranaten zur
Neige gingen. Er befahl dem Musketier Baumeister und zwei anderen Leuten, ein
Vordringen der Engländer zu verhindern, und ging zur Kompagnie zurück, um
Handgranaten und Verstärkung zu holen.
Inzwischen war Leutnant Lang, ziemlich erschöpft, bei der 4. Kompagnie
eingetroffen und traf dort Leutnant Banz, zu dem er sagte: „Wir müssen
unbedingt nochmals, vor sie sind noch nicht draußen.“ Nach kurzer Ruhepause
rafften die beiden alle Hand-granatenkämpfer, die zur Verfügung waren, zusammen
– es war soeben auch der Trupp der 3. Kompagnie eingetroffen – und gingen mit
den Trupps der 4., 11. 3. und 10.
Kompagnie wieder vor. Leutnant Grießer schloß sich ihnen an. Die Mannschaften
wurden angewiesen, eine Kette zu bilden und dieser entlang von Mann zu Mann die
Handgranaten zum Abziehen fertig weiterzureichen. Leutnant Kucher und Banz
gingen, ununterbrochen Handgranaten werfend, gegen die Engländer im Graben vor
und nahmen nach kurzer Zeit das von ihnen besetzte Grabenstück. Etwa 20
Engländer versuchten, den englischen Graben zu erreichen, sie wurden unterwegs
abgeschossen. Ein anderer Teil wich nach rückwärts hinter unsere Gräben aus.
Sie fielen oder wurden gefangen genommen.
Nun ging es ohne Widerstand vorwärts, bis der Anschluß an die 8. Kompagnie
gewonnen war. Hier trafen sie auf Leutnant Schulz, als die Retter aus der Not
freudigst begrüßt.
Leutnant Strodtbeck hatte vom Bataillon Befehl erhalten, mit Teilen der 3.
und 9. Kompagnie und einem Teil der Infanteriepioniere nach K 5 zum Gegenstoß
vorzugehen und die Engländer, die dort etwa noch saßen, hinauszuwerfen. Als er
mit seinen Leuten ankam, fand er K 5 schon frei von Engländern. Er ließ seine
Leute wieder abrücken, denn die 5. Kompagnie hatte schon die 8. Kompagnie
abgelöst und K 5 besetzt. Auf dem Rückweg beobachtete er in einem Wassergraben
noch einige Engländer. Er ging auf sie zu und rief sie an. Da sie nicht
herauskamen, ging er näher auf sie zu. Leutnant Schumann und Leutnant Lang,
sowie zwei Mann, die zufällig des Weges kamen, schlossen sich ihm an. Die
Engländer legten auf sie an und drohten zu schießen, sahen aber bald die
Aussichtslosigkeit ein. Als sie keine Rettung sahen, warf erst einer, dann alle
andern, die Gewehre weg und hoben die Hände hoch. Ohne Kampf wurden sie
gefangen genommen und abgeführt. Der Kampf war zu Ende.“
aus:
„Das Württembergische Reserve-Inf.-Regiment Nr. 248 im Weltkrieg 1914–1918“,
Stuttgart 1924
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