„Am 1. Juli 5.45 Uhr morgens teilte das Generalkommando mit, daß auf der
ganzen Front ein Angriff erwartet werde.
Von 7 Uhr vormittags ab trommelte der Gegner mit allen Kalibern bis zu 24
cm und mit schweren Minen auf den ersten und zweiten Graben des Regimentsabschnitts,
um 8.00 Uhr vormittags verlegte er sein Feuer auf die rückwärtigen Stellungen
sowie gegen unsere Artillerie und gleich darauf griff die englische Infanterie
an. Welche Erlösung aus der Spannung, in der wir uns während des achttägigen Trommelfeuers
mit schwers-ten Kalibern und Minen und wiederholten Gasangriffen befanden!
Mit einem solchen Massenaufgebot von Munition und Gas glaubten die
Engländer unsere Widerstandskraft vollständig gebrochen zu haben, sie sollten
aber eine ebenso große Enttäuschung erfahren, wie sie es in diesem Kriege
politisch und militärisch schon so oft erleben konnten. Mit starken Kräften
gingen sie vor, in dicht hintereinander folgenden, teilweise bis zu 7 Wellen.
Unsrerseits wurde mit dem Zurückverlegen des feindlichen Artilleriefeuers der
Angriff sofort erkannt. Alles stürzte aus den Unter-ständen heraus, besetzte die
Granatlöcher und Grabenteile, soweit sie noch einiger-maßen erkenntlich und
benutzbar waren, die Maschinengewehre kamen in Stellung, rote Leuchtkugeln forderten
unser Artilleriesperrfeuer an und ein rasendes Infanterie-, Maschinengewehr-
und Artilleriefeuer brachte den Angriff zum Stocken.
Vor dem rechten Flügel von P 5, vor P 6 und P 7 brach der Angriff restlos
zusammen. Der Gegner hatte außerordentlich starke Verluste. Am linken Flügel
von P 5, wo das Drahthindernis völlig beseitigt und die Unterstandseingänge
durch das letzte Trommel-feuer verschüttet waren, drang der Gegner in dichten
Haufen in den ersten Graben ein und suchte nach rechts und links Boden zu
gewinnen und nach dem zweiten Graben durchzustoßen.
Die 9. und 10. Kompagnie sperrten den ersten Graben sofort ab und schickten
Hand-granatentrupps an die bedrohten Stellen. Der gegen den zweiten Graben
vorgedrungene Gegner wurde durch flankierendes Feuer der Unterstützungstrupps
aus der Kuhm- und Baum-Sappe erfolgreich aufgehalten. Um ihn vollends
aufzureiben, ging ein Zug der 6. Kompagnie auf Befehl des Abschnittskommandeurs
vom dritten Graben aus über freies Feld, zwischen Baum- und Leichen-Sappe vor,
die Unterstützungstrupps der 10. Kom-pagnie gingen ebenfalls vor und so gelang
die Vernichtung dieses Feindes in kurzer Zeit. Unterstützt wurde diese
Säuberung des linken Flügels von P 5 außerdem noch durch flankierendes Feuer
der 2. Kompagnie (P 4), sowie durch ihre Handgranatentrupps, welche teils im
ersten Graben über Kronen- und Kuhm-Sappe hinaus, teils in der Kronen-Sappe
vorrückten. Die letzten zurückflutenden Engländer wurden durch Infan-terie- und
Maschinengewehrfeuer aus dem ersten Graben vollends niedergemäht.
Gleichzeitig mit diesem Angriff auf Ovillers-Süd griffen die Engländer auch
P 4 und die nördlich davon gelegene Höhe 141 an. Der Angriff gegen P 4 kam ins
Stocken, als nach eingesetztem Artilleriesperrfeuer eine der ersten Granaten in
die vorderste Schützen-welle einschlug. Der Gegner suchte nun den Hohlweg zur
Annäherung zu benutzen, wurde daran aber durch das Feuer eines rasch auf dem
hinteren Erdaufwurf des ersten Grabens in Stellung gebrachten Maschinengewehrs
verhindert. Die im Hohlweg zusam-mengedrängte Abteilung in Stärke von etwa 150
bis 200 Mann wurde buchstäblich niedergemäht. Zur Deckung seines Vorgehens im
Hohlweg hatte der Gegner ein Maschi-nengewehr in Stellung gebracht; es gelang
aber einer unserer Patrouillen, die Bedie-nungsmannschaften abzuschießen und das
Maschinengewehr einzubringen. Dadurch, daß der Angriff gegen P 4 im Keime
erstickt wurde, war es möglich, daß die 2 Kompag-nie in P 4 der 9. Kompagnie in
P 5 Hilfeleisten konnte. Dies wurde sofort selbständig durch den Kompagnieführer
angeordnet.
Der Angriff der Engländer gegen Höhe 141, also rechts (nördlich) des
Regiments-abschnitts, besetzt durch das Res.-Inf.-Reg. 99, verlief
folgendermaßen:
9.10 Uhr vormittags meldete die 3. Kompagnie, daß der Gegner in C 8 und C 9
einge-drungen sei, und daß P 1 von rechts umgangen werde. Zunächst mußte sich
die Kom-pagnie gegen einen frontalen Angriff wehren, der aber schon 9.35 Uhr
vormittags vollständig abgeschlagen war. Mittlerweile trat eine Entlastung
gegen die Flankenbe-drohungen ein, als Teile der 7. Kompagnie von der Lemberger
Stellung in die vorderen Gräben vorgezogen waren. Der Gegner zog nunmehr
Verstärkungen in Zielabschnitt 59 und 70 zusammen. Vorgehende Bewegungen
setzten 9.54 Uhr vormittags ein. Das Auffüllen der Gräben in Abschnitt 59
dauerte an. Bei der Unmöglichkeit, das eigene Artilleriefeuer dahin zu leiten,
erhielten die Kompagnien der Abschnitte P 2. P 3 und P 4 Befehl, so weit als
möglich mit Maschinengewehr den Angriff niederzuhalten. In C 6 drangen ständig
kleinere feindliche Trupps ein. 10.40 Uhr wurden der 3. Kompagnie die noch in
der Lemberger-Stellung befindlichen Gruppen zur Verfügung gestellt. Um 11 Uhr
vormittags bliesen die Engländer aus Abschnitt 58 und 59 Gas ab, das aber in
die englischen Gräben zurückschlug.
Nochmals greift der Gegner zwischen 11.35 und 11.50 Uhr vormittags mit
überlegenen Kräften P 1 bis P 3 an, wird aber restlos abgewiesen.
Der rechte Flügel von P 1 hielt sich unentwegt, gegen C 9 zu wurde die
Stellung abgedämmt. Die 4. Kompagnie schickte 11.56 Uhr vormittags 3
Handgranatentrupps zur Unterstützung nach P 1.
Von 12 Uhr mittags drang der Gegner von 58 und 59 aus vor. Der Druck gegen
den rechten Flügel des Regiments verstärkte sich immer mehr. Um 1 Uhr mittags
lief die Meldung ein, daß Hauptmann Merkel schwer verwundet sei. Leutnant
Beisenwenger übernahm die Führung der Kompagnie. Zu ihrer Verstärkung erhielt
die 7. Kompagnie Befehl, aus der Hindenburg-Stellung alles Verfügbare in den
ersten Graben von P 1 zu werfen. Das Res.-Inf.-Regt. 99, zum gemeinsamen
Gegenstoß aufgefordert, sagte seine Beihilfe 1.40 Uhr mittags zu. Um 1.45 Uhr zog
die 4. Kompagnie alle verfügbaren Kräfte aus dem zweiten Graben in den ersten
vor. Auf dem rechten Flügel von P 1 mußte der Graben in einer Länge von 100 m
geräumt werden. Im weiteren Verlauf der Nachmittagsstunden wurde um die
Wiedererlangung des verloren gegangenen Graben-stücks gekämpft, wobei Leutnant
Beisenwenger fiel und Leutnant Borst die Führung der 4. Kompagnie übernahm. Um
4.10 Uhr nachmittags war der ganze erste Graben von P 1 im Besitze des Gegners.
die 4. Kompagnie hatte in ihrem rechten Flügel Barrikaden errichtet. Die
Hindenburg-Stellung war jedoch bis zur Regimentsgrenze fest in unserer Hand und
4.40 Uhr in ihr die Verbindung mit Res.-Inf.-Regt. 99 hergestellt. Um 5 Uhr
nachmittags erhielt Oberleutnant Gleis den Befehl, rechts der Mulde den
Gegenangriff auf P 1 anzusetzen. Schon früher hatte die 5. Kompagnie sechs
Gruppen der 7. Kompagnie zur Verfügung gestellt. Um 5.15 Uhr ging die 5.
Kompagnie vom rechten Flügel von P 2 aus im Handgranaten-Angriff gegen P 1 vor,
während unsere Artillerie Sperrfeuer um 59, 58 und 57 legte. Um 6.35 Uhr abends
meldet Oberleutnant Gleis, daß der erste Graben von P 1 bis zur Einmündung von
V 3 gesäubert sei, ein weiteres Vordringen müsse aber unterbleiben, weil die
Reste der Kompagnie für die Besetzung und Behauptung eines größeren Abschnitts
nicht ausrechen würden. Während sich diese Kämpfe abspielten, erzielte der
Gegner im rechten Nebenabschnitt des Regiments weitere Erfolge, so daß vom
Res.-Inf.-Regt. 99 die Bitte um Unterstützung einlief, um in der
Hindenburg-Stellung nach rechts auf die Flanke des Gegners zu drücken. 6.25 Uhr
abends tobten am linken Flügel von C 8 in der Hindenburg-Stellung heftige
Handgrana-tenkämpfe. Leutnant Borst erhielt 6.30 Uhr den Befehl, mit zwei
Gruppen nach rechts in der Hindenburg-Stellung mit Res.-Inf.-Regt. 99
Verbindung zu suchen und diese Verbindung auf alle Fälle aufrecht zu erhalten.
Die dem Regimentsabschnitt gehörigen Teile der Hindenburg-Stellung sind nach
wie vor fest in unserem Besitz. Der linke Flügel des Nachbarabschnitts ist
ebenfalls von uns durch einen Zug der 7. Kompagnie besetzt. Leutnant Borst
fällt im Handgranatenkampf. Das Kommando über die Leute der 3. und 7. Kompagnie
übernimmt Leutnant Wüterich. Der Angriff kommt zum Stillstand. weil die
Unterstützung des Res.-Inf.-Regts. 99 ausbleibt; und der Gegner hält sich in C
9. 10.30 Uhr abends teilt zwar Res.-Inf.-Regt. 99 mit, daß eine Kompagnie zum
Gegenstoß im Anmarsch sei, diese trifft jedoch nicht ein und um 11 Uhr nachts
wird Res.-Inf.-Regt. 99 gebeten, den in seinem Abschnitt in C 9 vorgedrungenen
Zug der 7. Kompagnie abzulösen.
Am Ende des Tages befindet sich der ganze Regimentsabschnitt restlos in
unserer Hand. Nach Gefangenenaussagen wurde der Abschnitt Ovillers-Süd von
einer Brigade angegriffen, und zwar von den Bataillonen Lincoln, Lincolnshire,
Yorkshire und Lancashire. Zwei Maschinengewehre, welche die Engländer nach dem
Abschnitt P 5 vorgebracht hatten, wurden ihnen mit stürmender Hand genommen.
Vormittags wurde ein Zug der 8. Kompagnie aus dem Harrer-Graben in den
dritten Graben des Abschnitts Ovillers-Süd vorgezogen und dafür der im vierten
Graben liegende Zug der 8. Kompagnie in den Harrer-Graben verlegt. Der Rest der
8. Kompagnie kommt vor der II. Stellung in das Nordwerk.
Bei dem großen Verbrauch von Munition und Handgranaten war Nachschub
dringend notwendig, und obwohl die Engländer während des ganzen Tages die
rückwärtige mit starkem Artilleriefeuer
belegten, so war es dem Nachschuboffizier doch möglich, bis 5 Uhr nachmittags
genügend Munition und Handgranaten heranschaffen zu lassen.
Die Verluste an diesem schweren Kampftage waren: Leutnant d. R. Veser,
Leutnant d. R. Beisenwenger, Leutnant d. R. Drehmann, Leutnant Borst gefallen.
Hauptmann Merkel, Leutnant d. R. Köster, Leutnant d. R. Zörner schwer verwundet,
79 Tote, 181 Verwundete, 13 Vermißte.“
aus:
„Das 10. Württ. Infanterie-Regiment Nr. 180 in der Somme-Schlacht 1916“,
Stuttgart 1917
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