Donnerstag, 7. Juli 2016

7. Juli 1916


„Die Bataillone erreichten nach Abbeförderung über Cambrai am 6. Juli mit Fußmarsch Bertincourt, 9 Kilometer östlich Bapaume. Das Regiment wurde zu Verfügung der Stellungsdivision – 3. Garde-Div. – gestellt. II. und III. Bataillon marschierten abends über le Transloy – Guedecourt nach Flers und wurden nach Empfang von reichlich Handgranaten in die R-Stellung zwischen Pozières und Bazentin le Petit vorgeführt.
Stockfinster und regnerisch war die Nacht, scharf bellten die eigenen Feldgeschütze in Martinpuich, als man die knietief mit Regenwasser angefüllten Gräben bezog. Dumpfer Kanonendonner schallte vom Feind herüber und fast ununterbrochenes Aufblitzen gegnerischen Mündungsfeuers umzuckte den südlichen Nachthimmel. Man mußte unterwegs starkem Artilleriefeuer ausweichen, das im besonderen auf dem Wald von Fourreau lag, doch ohne Verluste kamen die Kompagnien vor. Das III. Bataillon konnte jedoch die überwiesene Stellung, welche sich zwischen der Straße Bapaume – Pozières bis zum Wäldchen bei Bazentin erstreckte, infolge falscher Führung in der Dunkelheit, erst kurz vor Tagesanbruch besetzen.
Als es tagte, konnte man deutlich die heftige Beschießung unserer vorderen Linien sehen. Die Höhe südlich Contalmaison war in schwarze Rauchwolken einschlagender Granaten und Schrapnells aller Kaliber gehüllt. Von Zeit zu Zeit schossen mächtige Erdfontänen, herrührend von den Einschlägen schwerster Kaliber, da und dort senkrecht in die Luft, um nach wenigen Sekunden als dichter schwarzer Erdregen in sich zusammenzustürzen. Aus dem Dunst des Morgennebels schälten sich allmählich eine Unzahl feindlicher Fesselballone heraus. Das waren die Augen der feindlichen Batterien. Unbeweglich, dicht gedrängt, standen sie, einer neben dem anderen dort drüben und glotzten wie nach Beute gierig zu uns herüber. Auf deutscher Seite hingegen war nicht ein Fesselballon auf weiter Flur zu sehen. Sie waren vor den ersten großen Angriffen am 1. Juli alle den feindlichen Fliegern zum Opfer gefallen und hatten nicht wieder ersetzt werden können. Die Unterstände in der neu besetzten R-Stellung im Bereich des III. Bataillons waren noch größtenteils mit Reserven vorher in Stellung gewesener Truppen III,/bayr. Inf.-Reg. 16 und Teilen des Inf.-Reg. 163 besetzt, welche abzulösen waren. Daher mußten die Mannschaften unseres III. Bataillons in der Hauptsache im Graben stehen bleiben und hatten durch das andauernd auf dem Graben liegende heftige Artilleriefeuer schon zu Anfang Verluste. Im Laufe des Tages steigerten sich diese und betrugen bis zum Nachmittag 5 Offiziere tot, 220 Unteroffiziere und Mannschaften tot, verwundet und verletzt infolge Verschüttung. Den Leutnants Müller, Kompagnieführer der 9. Kompagnie. Lattner, Führer der 12. Kompagnie, und Lampe war der infolge Volltreffers einstürzende Unterstand zum gemeinsamen Heldengrab geworden.
Auch beim II. Bataillon waren schon in den Morgenstunden und im Lauf des Vormittags bei allen Kompagnien recht erhebliche Verluste entstanden, so daß die Kompagnieführer ihre Not hatten, den Grabendienst und die Postenaufstellung zu regeln.
Man kann sich vorstellen, daß in dieser Lage alles sich danach sehnte, bald etwas unternehmen zu dürfen, anstatt untätig im Artilleriefeuer noch lange ausharren zu müssen. Und sicherlich stellte dies tatenlose und ohnmächtige Warten und Aushalten seelisch die höchsten Anforderungen an jeden einzelnen Mann. Die langen bangen Stunden dieser Tage wird keiner von denen, die sie glücklich überlebt haben, wohl je vergessen.
Die Stellung war noch ungenügend ausgebaut, der Graben nicht vollständig durch-gehend, denn überall standen noch die breiten Übergänge für den Wagenverkehr nach vorne, über die man beim Gang durch den Graben ohne Schutz oben hinüber mußte. Unterstände waren angefangen. Doch meist erst wenige Stollenrahmen gesetzt, so daß gegen das schwere Artilleriefeuer kein ausreichender Schutz geschaffen war.“


aus: „Das Württembergische Reserve-Inf.-Regiment Nr. 122 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1922

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