„Die Bataillone erreichten nach Abbeförderung über Cambrai am 6. Juli mit
Fußmarsch Bertincourt, 9 Kilometer östlich Bapaume. Das Regiment wurde zu
Verfügung der Stellungsdivision – 3. Garde-Div. – gestellt. II. und III.
Bataillon marschierten abends über le Transloy – Guedecourt nach Flers und
wurden nach Empfang von reichlich Handgranaten in die R-Stellung zwischen
Pozières und Bazentin le Petit vorgeführt.
Stockfinster und regnerisch war die Nacht, scharf bellten die eigenen
Feldgeschütze in Martinpuich, als man die knietief mit Regenwasser angefüllten
Gräben bezog. Dumpfer Kanonendonner schallte vom Feind herüber und fast
ununterbrochenes Aufblitzen gegnerischen Mündungsfeuers umzuckte den südlichen
Nachthimmel. Man mußte unterwegs starkem Artilleriefeuer ausweichen, das im
besonderen auf dem Wald von Fourreau lag, doch ohne Verluste kamen die
Kompagnien vor. Das III. Bataillon konnte jedoch die überwiesene Stellung,
welche sich zwischen der Straße Bapaume – Pozières bis zum Wäldchen bei
Bazentin erstreckte, infolge falscher Führung in der Dunkelheit, erst kurz vor
Tagesanbruch besetzen.
Als es tagte, konnte man deutlich die heftige Beschießung unserer vorderen
Linien sehen. Die Höhe südlich Contalmaison war in schwarze Rauchwolken
einschlagender Granaten und Schrapnells aller Kaliber gehüllt. Von Zeit zu Zeit
schossen mächtige Erdfontänen, herrührend von den Einschlägen schwerster
Kaliber, da und dort senkrecht in die Luft, um nach wenigen Sekunden als
dichter schwarzer Erdregen in sich zusammenzustürzen. Aus dem Dunst des
Morgennebels schälten sich allmählich eine Unzahl feindlicher Fesselballone
heraus. Das waren die Augen der feindlichen Batterien. Unbeweglich, dicht
gedrängt, standen sie, einer neben dem anderen dort drüben und glotzten wie
nach Beute gierig zu uns herüber. Auf deutscher Seite hingegen war nicht ein
Fesselballon auf weiter Flur zu sehen. Sie waren vor den ersten großen
Angriffen am 1. Juli alle den feindlichen Fliegern zum Opfer gefallen und
hatten nicht wieder ersetzt werden können. Die Unterstände in der neu besetzten
R-Stellung im Bereich des III. Bataillons waren noch größtenteils mit Reserven
vorher in Stellung gewesener Truppen III,/bayr. Inf.-Reg. 16 und Teilen des
Inf.-Reg. 163 besetzt, welche abzulösen waren. Daher mußten die Mannschaften
unseres III. Bataillons in der Hauptsache im Graben stehen bleiben und hatten
durch das andauernd auf dem Graben liegende heftige Artilleriefeuer schon zu
Anfang Verluste. Im Laufe des Tages steigerten sich diese und betrugen bis zum
Nachmittag 5 Offiziere tot, 220 Unteroffiziere und Mannschaften tot, verwundet
und verletzt infolge Verschüttung. Den Leutnants Müller, Kompagnieführer der 9.
Kompagnie. Lattner, Führer der 12. Kompagnie, und Lampe war der infolge
Volltreffers einstürzende Unterstand zum gemeinsamen Heldengrab geworden.
Auch beim II. Bataillon waren schon in den Morgenstunden und im Lauf des
Vormittags bei allen Kompagnien recht erhebliche Verluste entstanden, so daß
die Kompagnieführer ihre Not hatten, den Grabendienst und die Postenaufstellung
zu regeln.
Man kann sich vorstellen, daß in dieser Lage alles sich danach sehnte, bald
etwas unternehmen zu dürfen, anstatt untätig im Artilleriefeuer noch lange
ausharren zu müssen. Und sicherlich stellte dies tatenlose und ohnmächtige
Warten und Aushalten seelisch die höchsten Anforderungen an jeden einzelnen
Mann. Die langen bangen Stunden dieser Tage wird keiner von denen, die sie
glücklich überlebt haben, wohl je vergessen.
Die Stellung war noch ungenügend ausgebaut, der Graben nicht vollständig
durch-gehend, denn überall standen noch die breiten Übergänge für den
Wagenverkehr nach vorne, über die man beim Gang durch den Graben ohne Schutz
oben hinüber mußte. Unterstände waren angefangen. Doch meist erst wenige
Stollenrahmen gesetzt, so daß gegen das schwere Artilleriefeuer kein
ausreichender Schutz geschaffen war.“
aus:
„Das Württembergische Reserve-Inf.-Regiment Nr. 122 im Weltkrieg 1914–1918“,
Stuttgart 1922
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