„Die äußere Form des Kampfgebiets unterschied sich in nichts von der des
vorausge-gangenen. Das gleich öde Trichterfeld wie vordem drückte ihm den
Stempel auf, vielfach durch Artilleriefeuer eingeebnet waren zusammenhängende
Gräben nicht mehr vorhanden und höchstens durch das Auge des Zugführers war der
Mann oder günstigen-falls die Gruppe noch erreichbar. Verbindungswege gab es
nicht und nur sprungweise unter Benützung der Granattreichter war tagsüber ein
Verkehr möglich. Von Combles aus führte ein durch ein weißes Band bezeichneter
offener Fußweg zum K. T. K.; auf ihm lag buchstäblich ein tagelanges englisches
Sperrfeuer und, wer auch einmal im Dunkel der Nacht in tollem Schrapnell- und
Granatwirbel von der südlich des Leuze-waldes gelegenen Höhe den Hang hinab zum
K. T. K. um sein Leben gelaufen ist, wird niemals den Weg durch diese Hölle auf
Erden vergessen. Niemals war ein Anmarsch so gefürchtet, wie jener, und ihn zu
überwinden ging für keine Abteilung ohne Verluste, Versprengte und Verirrte ab.
Um welche Schwierigkeiten es sich dabei handelte, geht alleine aus der Tatsache
hervor, daß eine Meldung der 9. Kompagnie aus vorderer Linie am 16. abends zum
K. T. K. 7½ Stunden gebraucht hat. Wie im Zwischengelände, so lag das Feuer
auch auf vorderster Linie stundenlang unverändert und alle materiellen
Hilfsmittel, über die der Gegner in so reichem Maße verfügte, waren zur
Zermürbung der Deutschen aufgeboten, angefangen von den Flaschen- und
Kugelminen bis zur schweren und schwersten Granate.
Schon der 16. August riß böse Lücken in die Kampftruppe und in ohnmächtiger
Wut sahen die Braven einen um den andern ihrer Kameraden hinweggerissen. Aber
sie verzagten nicht und, als die Engländer um 6.20 Uhr abends in mehreren
starken Wellen, teilweise sogar in Gruppenkolonnen, ihre Infanterie zum Sturm
antreten ließen, fanden sie eine unerschütterte Besatzung, die ihnen mit
Gewehren und Maschinengewehren, unterstützt von solchen des I. R. 120 und 127,
einen blutigen Empfang bereiteten. Einzelne Abteilungen des Gegners hatten den
Mut, langsam im Schritt gegen unsere Stellung vorzugehen, und Augenzeugen
berichteten, daß man den Eindruck gehabt habe, als ob der Gegner überhaupt mit
keiner Gegenwehr gerechnet hätte. Um so furcht-barer schlug das Abwehrfeuer aus
wenigen 100 m Entfernung in seine ersten Reihen, riß sie nieder und trieb den
Rest mit deutlich sichtbaren hohen Verlusten zurück. Ein um 7.30 Uhr abends
wiederholter Ansturm von geringerer Kraft erzielte kein besseres Resultat und
auch ein weiterer um 10 Uhr abends konnte die siegbewußte Truppe nicht mehr
erschüttern. Nur bei der linken Kompagnie war ein 50 – 60 m breites Loch
ge-schossen worden, durch das es einem kleinen Engländertrupp gelang, sich
durchzu-drücken und im Hohlweg festzusetzen. Die eigenen Verluste waren schwer,
hauptsäch-lich auf dem rechten Flügel, wo am Südrand von Guillemont der
Brennpunkt des Feuers war. 9. Kompagnie allein meldete schon nach 24 Stunden
Einsatz 20 Tote, 38 Verwun-dete und bei der daneben und dahinter liegenden 12.
Kompagnie, die frühzeitig vorne verstärkt hatte, waren sie nicht viel anders.
Es fehlte an Munition, Handgranaten, Ver-bandzeug, Leucht- und Signalpatronen,
von Verpflegung und Wasser ganz zu schwei-gen. Jammernd und dürstend lagen die
Verwundeten herum und klammerten sich verzweifelnd an den letzten Trost, daß
nach Krankenträgern dringend geschickt sei. Grauenvolle Stunden: auch dem
Härtesten zwangen sie das Gesicht zum ewigen Him-mel und die funkelnden Sterne
gaben nie größere Rätsel auf, als in der über ein Schlachtfeld hereinbrechenden
Nacht.
Erst in früher Morgenstunde nahte Verstärkung; je ein Zug der 5. und 6.
Kompagnie wurde in die Hohlwegstellung vorgezogen und dem Führer der 12.
Kompagnie unter-stellt, die auf 4 Gruppen zusammengeschrumpft war. Auch von der
2. M. G. Kompagnie waren einzelne Gewehre auf dem Kampffeld erschienen, der
Rest kam des Feuers wegen bis zum Morgengrauen nicht mehr in die vordere Linie.“
aus: „Die
Ulmer Grenadiere an der Westfront“, Stuttgart 1920
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