„Mit einem höllischen Trommelfeuer leitet der Gegner in den frühen
Morgenstunden des 18. August den Großkampftag ein, der für das württembergische
Kaiser-Regiment ein Ehrentag werden sollte. Von der Höhe 157 östlich Ginchy
erblickt das Auge im Westen in kurzer Zeit nur noch eine Staubwolke, über der
der Himmel in seinem schönsten Blau leuchtet und riesige feindliche
Fliegergeschwader ihre Kreise ziehen. Guillemont ist nicht zu sehen, seine Lage
aber ist erkenntlich an den rötlich gefärbten Staubwolken, die vom Einschlag
der Granaten in das Mauerwerk herrühren. Unsere schwer kämpfende Artillerie tut
ihr Möglichstes, um dem Gegner seine Angriffslust zu verderben. Auf den
bekannten Bereitstellungsplätzen der englischen Infanterie sieht man
allenthalben unsere 21-cm-Granaten einschlagen. Um 3 Uhr nachmittags endlich
glaubt der Engländer mit seiner Artillerie die deutschen Truppen so zerschlagen
zu haben, daß seine Infanterie ohne Kampf nur noch in Guillemont einzurücken
brauche; aber er hat seine Rechnung ohne die Württemberger gemacht. Kaum werden
in dem Staub die verschwommenen Gestalten der feindlichen Sturmwellen sichtbar
und schon jagen unsere glänzenden Maschinengewehre von der Kiesgrube vorwärts
Guillemont aus ihre todbringenden Geschosse nach allen Seiten ihnen entgegen.
Mit eiserner Ruhe bedienen die wenigen noch kampffähigen
Maschinengewehr-Schützen ihre Gewehre; heldenmütige Leistungen, wie sie nicht
übertroffen werden können, verrichtet insbe-sondere Unteroffizier Schwarz der
M.-G.-K. Scheidler. Tapfer stehen ihnen Infanterie-abteilungen der 1. und 2.
Kompagnie zur Seite. Mit ihren Führern Leutnant d. R. Karl Schmid und Leutnant
d. R. Lott an der Spitze gelingt es den vereinten Anstrengungen der
Kiesgrubenbesatzung, den die Mitte des Regimentsabschnitts angreifenden Gegner
immer wieder mit blutigen Köpfen heimzuschicken. Auf dem rechten Flügel des
Regiments, dessen Schwäche der Engländer richtig erkannt hat, geht uns nach
hartem Kampf der Bahnhof von Guillemont verloren. Teile seiner Besatzung fallen
in Feindes-hand. Vom Regiment werden der schwer bedrohten rechten
Flügelkompagnie (3.) die Reservekompagnien des III. Bataillons zur Hilfe
gesandt. Nur kleine Abteilungen von ihnen gelangen durch das mächtige feindliche
Artilleriefeuer hindurch nach vorne, aber sie genügen, um auch hier dem
Engländer jedes weitere Vorwärtsdringen erfolgreich zu verwehren. An der Spitze
seiner 12. Kompagnie erhält Leutnant Essig seine achte, dieses Mal todbringende
Wunde. Auf dem linken Flügel der Regimentsstellung, wo die 4. Kompagnie kämpft,
bleibt der Gegner unterdessen nicht untätig. Nach zahlreichen erfolglosen
Anstürmen dringen schließlich kleine Abteilungen an der Regimentsgrenze ein.
Durch einen schneidig geführten Gegenstoß eines Zuges der 4. Kompagnie unter
Leutnant Bazing werden sie mit der blanken Waffe und mit Handgranaten alsbald
wieder herausgeworfen.
Der Tag neigt sich seinem Ende zu; blutigrot färbt die untergehende Sonne
das Schlacht-feld, über dem sich die Staub- und Pulverdampfwolken langsam
verziehen. Die heiß umstrittenen Trümmer Guillemonts werden wieder sichtbar;
sie sind vollkommen in der Hand des Regiments. Der weit überlegene Einsatz von
Menschen und Material von seiten des Gegners hat nicht vermocht, die unbeugsame
Widerstandskraft unserer Infanterie zu brechen.“
aus:
„Das Infanterie-Regiment „Kaiser Wilhelm, König von Preußen“ (2. Württemb.) Nr.
120 im Weltkrieg 1914–1918ׅ, Stuttgart 1922
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