„Ein ausgesprochener Tag der Artillerie war der 7. August, an dem ein
stoßweises Feuer aller Kaliber den Kampfabschnitt zerwühlte. Mit Vorliebe lag
es auf dem schon längst gänzlich geräumten Ginchy und auf der vorderen Linie,
die eine Breite von 800 m hatte. Hauptsächlich links und rechts der Straße nach
Longueval war sie nahezu völlig zerstört worden, aber auch der rechte Flügel
des Abschnitts litt hart, und dies umso mehr, als unglücklicherweise auch
starkes eigenes Feuer hinzukam. Trotz aller Bemühungen war es tagelang nicht
wegzubringen und schmerzliche Verluste hatte es zur Folge. An zwei Tagen fielen
hier tüchtige Zugführer der 12. Kompagnie eigenen Granaten zum Opfer. Die
schwere Beschießung des 7. Augusts, die eine starke Verseuchung der Luft mit Reiz-
und Brechgasen zur Folge hatte, ließ einen gegnerischen Vorstoß als
unaus-weichlich erscheinen. Noch aber sollten die nerven nicht zur Ruhe kommen
und erst am Morgen setzte der Infanterieangriff ein, der nach solcher
Vorbereitung immer wie eine Erlösung wirkte. Er stieß auf das III. Bataillon,
das mit 12. Kompagnie rechts, ein Zug 11. in der Mitte, 10. Kompagnie links,
seit 48 Stunden eingesetzt und durch 5 Maschinengewehre der 2. M. G.-Kompagnie
verstärkt war.
Nach einer von 1 Uhr früh ab sich langsam bis zum Trommelfeuer steigernden
Artillerievorbereitung trat am 8. August früh kurz nach 5 Uhr die englische
Infanterie zum Sturme an: vor dem rechten Flügel des Regiments etwas früher,
als vor dem linken, wo die 10. Kompagnie in dem vom schweren Feuer heimgesuchten
Gelände nord-westlich Guillemont furchtbare Stunden auszuhalten hatte. Hier
gelang dem Gegner auch ein Anfangserfolg, während weiter rechts die 12.
Kompagnie, unterstützt von Teilen der 11., den Gegner vor ihrer
Trichterstellung, an die er mit einzelnen Schützen bis auf 20 m herankam, unter
schweren Verlusten abwies. Zurückflutend im gut-liegenden Sperrfeuer der
deutschen Artillerie wird nur ein kleiner Teil der Angreifer aus diesem völlig
gescheiterten Morgenangriff zurückgekommen sein. Bei der 10. Kom-pagnie dagegen
konnten die Engländer sich kurze Zeit in einem an der Straße Guillemont /
Longueval gelegenen Gehöft festsetzen, wurden aber durch das Feuer eines
Maschinengewehrs und einen anschließenden Gegenstoß zurückgeworfen. Auch weiter
links war dem Gegner in zweimaligem mit starken Kräften geführten Stoß ein
Anfangserfolg beschieden, den Unteroffizier Buck der 10. Kompagnie in einem
schneidigen Handgranatenangriff wieder wettmachte. Auf dem äußersten linken
Flügel des Regiments aber gestaltete sich die Lage schwierig. Hier hatte die
englische Artillerie in der Gegend des ehemaligen Bahnhofes eine breite Lücke
in die deutsche Linie hineingetrommelt und durch und an den Trümmern von
Guillemont vorbei bahnten sich im Nebel starke Wellen einen Weg bis hinter die
Mitte des Regimentsabschnitts, wo sie in dem zum K. T. K. führenden
Verbindungsweg fürs erste Halt machten.
Der K. T. K., Major Landbeck, hatte kurz vor 6 Uhr, als das feindliche
Artilleriefeuer nach rückwärts verlegt wurde, mit seinem ganzen Stab den
Unterstand verlassen, das bei ihm befindliche Maschinengewehr in Stellung
gebracht und mit dem Adjudanten, Ordonnanzoffizier, sowie 15 Befehlsgängern,
Burschen und Telephonisten rechts und links davon einen alten Graben besetzt.
Plötzlich tauchten im Nebel rechts rückwärts, also aus nordwestlicher Richtung,
ein Haufen von 30 – 40 Engländern auf, die lässig in freiem Gelände stehend ein
grünes Leuchtzeichen abbrannten und anscheinend berat-schlagten, was zu tun sei.
Eine Garbe aus dem M. G. des Leutnants Wizemann machte ihrem Zweifel ein
rasches Ende und, was sein Leben
behalten hatte, verschwand eilends im Morgendunst oder verkroch sich in
Granatlöchern. Die Lage für den K. T. K. blieb aber in ihrer Unsicherheit
bedrohlich und er schoß die vier verabredeten Leuchtkugeln zum Antreten der
Bereitschaftskompagnien bei Ginchy ab, was jedoch bei der Unsichtigkeit der
Luft erfolglos war. Der K. T. K. blieb somit auf sich selbst gestellt und in
mehrstündigem Kampf mit dem vorwärts, seitwärts und rückwärts eingedrungenen
Gegner war hier der Bataillonskommandeur zum Führer des Feuergefechts der
vorderen Linie geworden. Die einzige wertvolle Unterstützung brachte ihm ein
durch 1 Maschi-nengewehr verstärkter Infanteriezug des I. R. 124, der in seiner
Nähe im Stollen unter-gebracht war und mit in das Gefecht eingriff. Lange blieb
die Lage ungeklärt und erst als sich der Nebel nach 8 Uhr verzog, wurde
erkannt, daß der Gegner in dem zur vordersten Linie führenden Verbindungsgraben
saß, wo er wenig Deckung fand und im Flankenfeuer Verluste erlitt. Aber auch
die Besatzung des K. T. K. Stollens lichtete sich und 4 Tote, 2 Verwundete vom
Bataillonsstab sanken neben ihrem Kommandeur zu Boden.
Glücklicherweise aber war auch von der vorderen Linie der eingedrungene
Gegner erkannt worden und alsbald drückte die 12. Kompagnie auf seine linke
Flanke von vorn, während von Süden her der Bataillonsstab ihn unter Feuer nahm
und ein Gegenstoß der 124er im östlichen Guillemont durchgebrochene Engländer
ebenfalls in den Verbin-dungsweg hineintrieb. So mochte der Gegner an der
Rettung aus seiner Umklammerung verzweifelt sein und erst einzeln, dann in
stärkeren Gruppen kamen Engländer mit hocherhobenen Händen auf den K. T. K. zu,
von wo aus man durch Zuruf ihnen den Entschluß zur Übergabe erleichterte. Über
200 Mann ergaben sich hier dem Bataillons-kommandeur und mit den vom I. R. 124
gemachten Gefangenen waren es insgesamt 8 Offiziere, 352 Mann. Als sie nach
rückwärts in kleineren Trupps den Marsch antraten, wurden sie von unserer
Artillerie und Maschinengewehren für durchgebrochene Engländer gehalten und
längere Zeit unter Feuer genommen, bis sich der Irrtum aufklärte. Auch vom
Regimentsgefechtsstand aus wurde der Anmarsch dieser Engländer beobachtet, was
Veranlassung gab, Teile des Bereitschaftsbataillons (II.) nach vorwärts zu
ziehen. Aber weder sie, noch 2 Kompagnien des Reservebataillons, die auf
Divisionsbefehl nach Morval entsandt wurden, kamen zu einer Gefechtsverwendung,
da der Gegner sich mit dem Scheitern seiner Frühangriffe zufrieden gab.
Unmittelbar nach der Kapitulation der eingedrungenen Engländer hatte sich
die vordere Linie wieder geschlossen, die Verbindung zum I. R. 124 wurde
aufgenommen und die Gefahr konnte zunächst als beseitigt gelten. Die Kompagnien
des II. Bataillons rückten daher mittags 12 Uhr an ihre alten Plätze wieder
zurück und nur die 9. und 11. Kompagnie, die bei Ginchy lagen, erhielten den
Befehl, sich mit dem K. T. K. in Verbindung zu setzen und zu seiner Verfügung
bereit zu bleiben. Aber erst am späten Abend war eine Verstärkung der
Kampftruppe nötig geworden, die durch im schwersten Feuer vorgehende Teile der
9. Kompagnie erfolgte. Diese Auffrischung reichte bei dem Kräfteverbrauch des
Kampfbataillons und den bedeutenden Verlusten, die im ganzen aus 41 Toten, 145
Verwundeten und 15 Vermißten sich zusammensetzten, jedoch nicht aus, und so war
eine Ablösung des ganzen Kampfbataillons dringend nötig geworden.“
aus: „Die
Ulmer Grenadiere an der Westfront“, Stuttgart 1920
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