„Während der letzten Tage hatte der weitere Verlauf der großen
Brussilow-Offensive die österreichische Front östlich Jezupol über den Dnjester
nach Norden zurückgeworfen. Am 31. August wurde in der Linie Wodniki – Delejow
– Horozonka gekämpft. Der Südflügel der Armee von Bothmer war also bereits in
Mitleidenschaft gezogen worden. Nizinow hatte längst einen russischen
Oberkommandanten.
Seit den frühen Vormittagsstunden des 31. war in Halicz heftiger
Geschützdonner aus östlicher Richtung zu hören.
12 Uhr mittags erhielt die 105. Division den Befehl, sich in der Gegend von
Miedzy-horce, jenseits des Dnjester, als Rückhalt für die Front des k. und k. XIII.
Armeekorps bereitzustellen. Ein starke feindlicher Angriff war bei Lany und
Delejow im Gang.
Gegen 4 Uhr nachmittags ging jedoch die Meldung ein, „die Österreicher
würden ihre Linien unter allen Umständen halten“. Gleich darauf kam der Befehl,
sofort über Meducha nach Nordosten abzumarschieren. Da auch weiter östlich –
nördlich Byszow – der Russe mit starken Kräften angriff, sollte sich das
Füsilier-Regiment 122 (und die Regimenter 21 und 129) bei Folw. Stawiska und
Zielona für die Nacht so bereitstellen, daß jederzeit ein Gegenstoß nach Süden
möglich war.
Es wurde gerade dämmrig, als das Füsilier-Regiment von der Straße Meducha –
Draysczow nach Süden in Richtung auf Folw. Stawiska abbog.
Oberstleutnant von Alberti schickte den Regimentsadjudanten mit der Weisung
voraus, sich über die Lage südlich Folw. Stawiska zu orientieren.
Er ritt nach Süden an dem Wald entlang, der zwischen dem Gehöft und Byszow
lag. Überall standen österreichische Batterien, die schossen, was aus den
Rohren herausging. Kaum 1500 Meter konnte die Linie entfernt sein, in der der
Infanteriekampf im Gange war. Am Waldrand nordwestlich Byszow gingen kleinere
Abteilungen nach Norden zurück, und plötzlich erschien im Süden die weichende
Infanterielinie der Österreicher. Ein zurückjagender Reiter brüllte: „Die
Russen sind durchgebrochen!“ Die Batterien holten ihre Gespanne heran und
fuhren, was sehr anzuerkennen war, im Schritt nach Norden davon.
Die Lage war klar genug.
Der Adjudant ritt zurück und meldete Oberstleutnant von Alberti, was er
gesehen. Das Regiment stellte sich sofort in einer breiten Front auf den Höhen
nördlich Folw. Stawiska bereit, um, falls nötig, die zurückweichenden
österreichischen Linien, die etwa noch 1500 Meter weit weg sein mußten,
aufnehmen zu können.
Merkwürdigerweise aber verstummte jetzt allmählich der Kampflärm. Als es
dunkel war, fiel kaum noch ein Schuß.
Die Schlacht schien zum Stehen gekommen zu sein. Nach einer Stunde schickte
die Brigade den Befehl, „daß das Regiment noch in der Nacht die Höhe 339,
nördlich Byszow, zu besetzen habe. Dort sollten österreichische Teile – das
Infanterie-Regiment 78 – liegen.“
Durch Wald und Dunkel wand sich die Kolonne des Regiments nach Osten. In
der Ferne brannte das Dorf Horozanka. Ab und zu blitzte irgendwo ein Geschütz
auf.
Gegen 10 Uhr abends war die befohlene Höhe erreicht, auf der in einem
knietiefen Graben einige matte Österreicher lagen. Sie rückten nach rechts bis
in den Wald südlich Stawiska, sobald das I. und II. Bataillon die Höhe 339
besetzt hatten. Das III. biwakierte in einer Mulde hinter dem II. als Reserve.
Vom Feind war weit und breit nichts festzustellen. Links von den Füsilieren
lag das Infanterie-Regiment 129.
Noch in der Nacht kam der Befehl, Teile des Regiments in den Wald südlich
Stawiska zu schieben, da die dortigen Österreicher nur sehr schwach und
unzuverlässig seien. Das III. Bataillon wurde daher nach rechts von den
Österreichern im Walde eingesetzt, so daß bei Tagesanbruch – 1. September 1916
– das Regiment etwa in folgender Linie lag:
Wie es hell geworden, konnte man überhaupt erst feststellen, wo das
Regiment eigentlich lag. Die Höhe 399 bildete ein ziemlich breites Plateau, das
nach Süden und Westen abfiel. Der Wald, durch den die Linie der Österreicher
und des III. Bataillons führte, lag im Grunde. Byszow konnte von der Höhe aus
nicht gesehen werden. Der Feind hatte noch keine zusammenhängende Front,
sondern tauchte hier und dort in kleinen Abteilungen auf. Byszow schien in
seiner Hand zu sein. Die Linien der österreichischen Abteilung
(Infanterie-Regiment 78) und des III. Bataillons verliefen mitten im Wald. Der
Gegner hatte anscheinend den Wald noch nicht betreten.
Das I. Bataillon führte Major Bürger, das II. Hauptmann Dippert und das
III. Major Wolter. Die zwischen II. und III. Bataillon eingeschobenen
Österreicher standen unter dem Befehl von Hauptmann Prohaska, eines ganz
hervorragenden Offiziers und unerschrockenen, energischen Führers. Seine Truppen
waren bunt zusammengewürfelt, wie sie die letzten Kämpfe gerade an diese Stelle
geworfen hatten. Es waren:
2 Kompanien des
Infanterie-Regiments 78
Teile vom
Infanterie-Regiment 5
Sappeure 78
Teile des Honved-Regiments
10
zusammen etwa 400 Mann.
Die Bataillone begannen sofort die Stellung weiter auszubauen. Die Gräben
wurde vertieft und Hindernisse angelegt. Auch am Vormittag des 1. September
verhielt sich der Russe noch völlig ruhig. Erst in den Mittagsstunden kamen
einzelne Granaten.
Die Artillerie der Division schoß sich auf Abwehrfeuer ein. Denn darüber
bestand kein Zweifel: Ein neuer Angriff de Russen war in den nächsten Tagen bestimmt
zu erwar-ten.“
aus:
„Das Füsilier-Regiment Kaiser Franz Joseph von Österreich, König von Ungarn (4.
württ.) Nr. 122 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1921
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