Donnerstag, 29. September 2016

29. September 1916


„Am 28. September, 9 Uhr abends, erhielt die L.-M.-K. I/R.-F.-A.-R. 27 den Befehl, die bei der Moulin ruiné westlich Miraumont gelegenen Stellungen 777 mit 300, 713 mit 400 und 709 mit 700 Schuß sofort zu ergänzen. Kurz darauf marschierten die bereitstehenden 14 Munitionswagen unter Führung eines Offiziers von Sapignies ab. Es war eine finstere, regenschwere Nacht, nur erleuchtet von den zeitweise aufleuchtenden Signalraketen und dem Aufblitzen der Geschütze, deren dumpfes Grollen und Rollen die Stille unterbricht. Auf dunkler Straße gelangt man nach Bihucourt, von da an auf durchweichtem, tiefen Kolonnenweg nach Achiet-le-Petit, dann zur Ausladestelle Irles und nach Miraumont. Dieses einst wohlhabende, fast kleinstädtischen Charakter tragende Dorf bietet infolge der ständigen, heftigen Beschießung ein grauenhaftes Bild der Verwüstung, kein einziges der vielfach massiv gebauten Häuser, Schlößchen und Villen steht unversehrt, gespenstisch ragen die Trümmer und das des Turmes beraubten Kirchenschiff in die Luft. Auf den Straßen steht hoch das Wasser; über Balken, Dächer und Steinhaufen, die eben noch menschliche Behausungen bildeten, und tiefe Löcher kommt man mühsam hinweg. Glücklich gelangt man hinaus aus dieser Stätte der Zerstörung; an der Straße nach Beauregard zweigt man auf einen zunächst noch guten Weg ab, der aber bald durchweicht und bodenlos ist. Eine Stunde dauert es, bis eine besonders schlimme Strecke von 300 m überwunden ist, nur mit den größten Mühen und Anstrengungen sind die Pferde imstande, die Wagen über den Schlamm und die dicht nebeneinanderliegenden Granatlöcher hinweg oder daraus zu ziehen. Mehrmals müssen die Protzen ohne den Hinterwagen weiterfahren, um das Vorwärtskommen zu erleichtern, und dann die Munition der Hinterwagen nachgeholt werden. Die drei Wagen zur Stellung 777 biegen nun links ab, die übrigen haben einen durchs Feld führenden Weg einzuschlagen. Gleich zu Beginn desselben befindet sich ein Trichter, der umgangen werden muß, neben ihm geht es einen Hang hinauf, welcher infolge der Nässe und Glätte kaum zu nehmen ist. In nächster Nähe und weiter entfernt hört man Geschosse pfeifen und einschlagen. Brennzünder streuen ihre Garben aus, man ist nicht weit von den dortigen, dauernd mit schwerem Kaliber beschossenen Stellungen. Eine kleine Brücke ist zu überfahren, 6 Wagen sind drüben, die unruhig gewordenen Pferde des 7.  stutzen und sind nicht weiter zu bringen, so daß es einen Aufenthalt gibt und die letzten 4 Fahrzeuge aufrücken. In diesem Augenblick vernimmt man ein Surren und einen heftigen Krach, dann mehrere Schreie. Die Gespanne und drei Wagen liegen am Boden und rühren sich nicht. Drei Mann werden nach Suchen in der tiefen Dunkelheit schwer verwundet aufgefunden und mit Mühe auf die zwei, noch mit unversehrten Pferden versehenen Wagen gelegt. Sie müssen in Sicherheit gebracht, für die Bergung der übrigen Wagen und die Beförderung der Munition zur Batterie muß gesorgt werden. Der Offizier reitet mit einem Gefreiten, der inzwischen zwei der vorderen Wagen in Stellung geführt hatte, neue Gespanne in Sapignies zu holen. Unterwegs trifft er eine andere zurückkehrende Abteilung der Kolonne, dieser werden die Verwundeten mitge-geben und von ihr drei Gespanne weggenommen. Letztere werden rasch zu der Stelle geführt, wo die Wagen liegen, eingeschirrt und so schnell es der Zustand des Weges und der Kräfte ermöglicht, in die Stellung gebracht. Dort wurde die Munition ungeduldig erwartet, da die Batterie nur noch mit wenigen 100 Schuß versehen war. Im Morgen-grauen kehrte man auf demselben weg zurück, der Auftrag war ausgeführt, leider waren die drei Verwundeten inzwischen gestorben.“


aus: „Das Württembergische Res.-Feld-Artillerie-Regiment Nr. 27 im Weltkrieg 1916-1918“, Stuttgart 1925

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