„Wie am 1. Juli verlief die Nacht verhältnismäßig ruhig und es war wie ein
letztes Atemholen. In B 5 lag die 6. Komp., in B 6 die 4. und in B 7 die 1.
Komp. im ersten Graben. Im 2. und 3. Graben lagen die 7., 3. und 2. Komp.6 Uhr
morgens setzte heftiges Trommelfeuer aus allen Kalibern auf drei
Kompagniebreiten ein, während die angren-zenden Abschnitte mit Schrapnellfeuer
niedergehalten wurden. Die Telephonkabel waren zerschossen. Aber das Sperrfeuer
der aufmerksamen Artillerie setzte pünktlich und mit großer Heftigkeit ein.
Eine Viertelstunde später verlegte die englische Artillerie ihr
Zerstörungsfeuer nach rückwärts und dichte Schützenwellen entstiegen den feindlichen Gräben. Vor B 6 und B 7
hatten sich die Engländer, von der Dämmerung geschützt, in Massen in der Mulde
aufgebaut. Am linken Flügel der 6. Komp. war das Hindernis durch die
Beschießung noch nicht ganz zerfetzt. Die kümmerlichen Reste genügten, den
Gegner aufzuhalten und der Besatzung Zeit zu geben ihn zu vernichten. Dagegen
gelang es ihm rechts in den vordersten Graben einzudringen. Einzelne
Sturmtruppen versuchten auch zum zweiten durchzustoßen. Aber die Mannschaft der
6. Komp. hatte sich zum Teil hinter dem Graben in Granatlöchern geborgen, zum
Teil war sie dem Angriff nach rechts ausgewichen. Als die Engländer nun über
den gewonnenen Graben vorzudrängen versuchten, wurden sie vom zweiten Graben
aus, wo einige Gruppen der 7. Komp. lagen, zusammengeschossen. Die nach rechts
und links auseinan-dergesprengte Kompagnie faßte sich aber rasch, ging von
rechts und aus den Granat-löchern hinter dem Graben zum Gegenangriff vor und
hatte nach halbstündigem Handgranatenkampf ihr ganzes Grabensystem wieder im
Besitz. Dabei zeichneten sich besonders der Vizefeldwebel Traub, Unteroffizier
Hilligard, Gefreiter Kuno Müller und die Reservisten Klaiber und Speidel aus.
Vier weitere Angriffe brachen restlos vor dem ersten Graben zusammen. Einem
sechsten Stoß um 12.15 nachmittags gelang es noch einmal, in den ersten Graben
zu gelangen, Wieder warfen Handgranatentrupps den Gegner wieder hinaus. Zwei
weitere Stöße um ½1 Uhr und ½3 Uhr wurden sofort aufgefangen, so daß um 3 Uhr
hier Ruhe eintrat.
Der Hauptstoß war aber gegen die südlich angrenzende Stellung gerichtet.
Der rechte Flügel der 4. Komp. vermochte standzuhalten und den Angriff vor
seinem ersten Graben aufzuhalten. Aber am „Junkergraben“ drangen die Engländer
in den ersten Graben ein, stießen gegen den zweiten vor, durchbrachen ihn und
kamen bis in den dritten, wo sie verhielten. In scharfem Handgranatenkampf
hielt Leutnant d. R. Beißwenger mit seinen Tapferen den Gegner, der sich nach
rechts auszubreiten versuchte, auf, drängte ihn sogar zurück und riegelte den
Graben ab, als ihm die Handgranaten ausgingen. Immer neue Wellen stürmten an
und gelangten in die eroberten Grabenteile. Im dritten Graben ging nun
Hauptmann Taute, vom Generalstabe des Korps, der statt in Urlaub in die
Kampf-front geeilt war und sich eine Kompagnie erbeten hatte, mit einigen Leuten
der 3. Komp. zum Gegenangriff vor und vernichtete die Eindringlinge. Im zweiten
Graben stürmte der Zug Malblanc und erbeutete dabei 1 Maschinengewehr. Nach 9
Uhr waren hier die hinteren Gräben wieder in deutschem Besitz.
Bei der 1. Komp. in B 7 vermochte die Mitte den Gegner aufzuhalten, während
er rechts und links eindrang und sich in einem unvollendeten Vorgraben
festsetzte, von wo aus er die Besatzung unter heftiges Maschinengewehrfeuer
nahm. Die eingeschlossene Besat-zung ging zwar zum Gegenangriff vor und schaffte
sich nach rechts Luft, konnte aber keine Verbindung mit eigenen Truppen
bekommen; denn die Engländer saßen auf eine zu breite Strecke im Graben. Am
linken Flügel der Bergstellung waren die Eingänge durch das Trommelfeuer
verschüttet worden. Noch ehe sich die Besatzung ausgraben konnte, standen die Angreifer
vor den Unterständen. Was herausgetreten war, fiel im Nahkampf. Die
Unterstandsbesatzungen wehrten sich in den Stollen so gut sie konnten. Versuche
des Feindes, sich nach rechts auszudehnen, scheiterten an der tapferen
Besatzung der Mitte. Unterdessen entspannen sich heftige Kämpfe am Berghang
gegen das Ancretal. Hier lag der Zug Weitz im sogenannten „Tunnelstollen“. Als
der Angriff losbrach, schwärmte der Zug am Bahndamm aus und beschoß den den Hang
herunter-drängenden Feind. Als der Zug aber durch Handgranaten starke Verluste
erlitt, zog er sich in den „Tunnelstollen“ zurück und verhinderte den Gegner am
Vordringen im Tal. Tapfer hielt sich die Besatzung des sogenannten
„Schleusingerhauses“, deren Feuer den Bahndamm bestrich und die mit einem
Priestergranatwerfer wirksam in den Kampf eingriff. Gegen 7 Uhr ging
Oberleutnant Schafferdt, der Kompagnieführer, in den ersten Graben von B 7 vor,
um sich Klarheit über die Lage zu verschaffen. Da erfolgte ein neuer Vorstoß
des Gegners. Im Infanterie- und Maschinengewehrfeuer brach er zusammen; aber
Oberleutnant Schafferdt fiel durch den Kopf geschossen kämpfend neben seinem
Burschen, Ulrich Bauer. Leutnant d. R. Mörk, der sich schon vorher im
Handgranatenkampf ausgezeichnet hatte übernahm die Führung; eine halbe Stunde
später fiel auch er bei Erkundung des eingedrungenen Gegners. Wiederholte
englische Angriffe führten zu keiner Ausdehnung des Eroberten und es trat gegen
10 Uhr eine Kampfpause ein.
Die Engländer bauten die gewonnenen Grabenteile aus und richteten sich zur
Verteidigung ein. Das I. Batl. erhielt aber von Beaumont her Hilfe. Die 11.
Komp. war im Anmarsch und traf nach 10 Uhr ein. Nun wurde der Gegenangriff
sorgfältig vorbereitet und vor allem Handgranaten herbeigeschafft: denn alle
Wiedereroberungs-versuche hatten nur deshalb zu keinem vollen Erfolge geführt,
weil die Handgranaten vorzeitig zu Ende gingen. Noch ehe der deutsche
Gegenangriff erfolgte, griffen die Engländer die 1. und 4. Komp. kurz vor 12
Uhr in Massen ohne Erfolg an. Das Sperrfeuer der Artillerie zerschmetterte ihre
Angriffswellen. Als der Angriff abgeflaut war, stellte sich Leutnant d. R.
Beißwenger mit 8 Mann zum Gegenangriff bereit. Es waren der Pioniergefreite
Finkbeiner, ein Unteroffizier der Minenwerferkompagnie, die Unteroffiziere
Schick und Fröhlich und die Landsturmleute Glück, Mauser, Fiedler und Koß. Auf
kurze Entfernung hatte der Gegner ein Maschinengewehr und einen Minen-werfer in
Stellung gebracht. Leutnant Beißwenger stellte sich auf eine Schulterwehr und
forderte die Engländer zur Übergabe auf. Es waren über 400 dicht gedrängt im
Graben. Als keiner Mine dazu machte, hob er wie auf dem Übungsplatz die Hand
zum Zeichen, daß der Angriff beginne. Die deutschen Handgranaten flogen in die
angrenzenden Grabenstücke, wo sie krachend explodierten. Der Gegner erwiderte
das Feuer, überwarf aber die kleine Gruppe. Mit Hurra stürzte sie sich auf das
Maschinengewehr und den Minenwerfer. Finkbeiner riß ein Lewisgewehr an sich
und schoß in die überraschten Engländer, die zurückwichen. Heftig drängten
ihnen die wackeren neun nach und warfen ihre tödlichen Geschosse mitten in die
geballten Menschenhaufen, furchtbare Wunden reißend. Da floh, was noch laufen
konnte. Finkbeiner feuerte mit seinem Beutegewehr hinter ihnen her und von links
und rechts prasselte Maschinengewehrfeuer flankierend in die Flüchtlinge. In
wenigen Minuten war der ganze Graben gesäubert und auch ein Verbindungsgraben
nach rückwärts erstürmt. Die eroberte Stellung war mit Leichen gefüllt. Fast
100 Tote lagen in ihr, 20 unverwundete Gefangene wurden zurückgebracht und 10
eigene Leute, die gefangen in einem Unterstand saßen, befreit. Sie waren von
den Engländern überrascht worden, hatten sich ergeben und mußten zusehen, wie
die Sieger sich die aufgestapelten Vorräte, Konserven, Wasser und Zigar-ren,
schmecken ließen. Den Wächtern schien es aber im tiefen Unterstand auch
bequemer und sicherer als im Nahkampfe. Als die Gefangenen nun das Krachen der
Handgranaten vernahmen und die deutsche Hilfe erkannten, schnallten sie ihr
Leder-zeug wieder um und bedeuteten den Wächtern, daß die Rollen nun vertauscht
würden. Die Engländer sahen das Nutzlose eines Widerstandes und schnallten ab.
Gegen 1 Uhr war die ganze Stellung wieder in deutschem Besitz. Nur in dem
vorgeschobenen Graben saßen noch die Engländer und gruben sich ein. Man sah die
Bajonette blitzen und erwartete den weiteren Angriff. Das Artilleriefeuer
verstärkte sich wieder, Flieger mit schwarzen Abzeichen lenkten mit Horn- und
Hupenzeichen das Feuer. Um 1.30 brach der letzte Massenangriff gegen die 1.
Komp. los. Heftiges Infanterie- und Maschinen-gewehrfeuer schlug den Engländern
entgegen und das deutsche Sperrfeuer setzte so mächtig und genau ein, daß nach
wenigen Minuten alles zurückflutete. Um 2 Uhr war der Angriff wieder abgewiesen
und bald flaute auch das Artilleriefeuer ab. Die Beute betrug an Gefangenen: 3
Offiziere und ungefähr 100 Mann, 3 Minenwerfer, 5 Maschinengewehre, 9
Lewisgewehre, 2 Telephonapparate und viele Waffen. Aber das Regiment hatte
wieder 3 tote und 8 verwundete Offiziere, 107 tote und 191 verwundete
Unteroffiziere und Mannschaften zu beklagen. Hauptmann Taute, telephonisch zum
Generalstab des Korps zurückgerufen, fiel noch am Abend, als er vor seinem
Weggang die zurückeroberte Kampfstellung besichtigte.“
aus:
„Das Württembergische Reserve-Infanterie-Regiment Nr. 119 im Weltkrieg
1914–1918“, Stuttgart 1920
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