Leutnant d. R. Oßwald (rechts)
„Die Engländer hatten sich mit aller Macht auf die „Feste Schwaben“
geworfen, sie umgangen, von Norden her angegriffen und die Verteidiger in den
Nordwestteil gedrängt, wo sie von drei Seiten umklammert waren. Zu gleicher
Zeit hatten sie St. Pierre-Divion heftig angegriffen, südlich des Dorfes den 1.
und 2. Graben genommen und waren bis in die „Straßburgersteige“ vorgestoßen.
Die Division befahl dem Inf.-Reg. 66, das bei St. Pierre-Divion eingesetzt
war, noch in der Nacht vom 28. auf 29. September die „Schwabenfeste“ zu nehmen
und stellte ihm hierzu zwei Kompagnien des II. und das ganze III. Batl. der
119er zur Verfügung. Während das I. Batl. an den Westausgang von Grandcourt
rückte, schob sich das III. Batl. an den Ostausgang heran. Anmarschwege und
Dorf lagen unter englischem Schrapnellfeuer. Zwei Volltreffer schlugen in die
11. Komp. und setzten einen ganzen Zug außer Gefecht. Die 1. 2. und 9. Komp.
mit zwei Zügen der 3. M.G.K. gingen in die „Hansastellung“, von der aus der
Angriff 6 Uhr morgens beginnen sollte. Aber der Graben war vollständig
eingeebnet. Mit Handgranaten, Munition und Maschinen-gewehren schwer beladen
sprangen die Leute von Granatloch zu Granatloch. Drei Kompagnien unter
Hauptmann Stapf, die 7./180, 5./180 und 9. Res.-Reg. 119, sollten von Norden
her, zwei andere Gruppen von Nordwesten und Südosten angreifen. Störun-gen und
Stockungen aller Art ließen den Angriff nicht rechtzeitig zur Entwicklung
kommen. Die 7./180, die an der Spitze ging, stieß im „Schwabenriegel“ auf ein
Engländernest, das sie aushob. Vom Nebel begünstigt, erreichte die 9. Komp.
gegen 10 Uhr morgens ihren Platz. Artilleriefeuer lag ununterbrochen auf dem
Hügel und seinem Ostabhang. Die 9. Komp. erlitt starke Verluste. Eine schwere
Granate verschüttete den Handgranatentrupp der Spitze und vernichtete die
mitgeführten Nahkampfmittel. Zum Angriff war es zu spät. Niemand kannte sich in
dem durchwühlten Gelände aus und so begnügten sich die Kompagnien, die
feindlichen Gräben und die eigene Stellung zu erkunden, sich einzugraben und
Verbindung mit den Nachbartruppen zu nehmen. Gegen 10 Uhr morgens wurden noch
zwei Züge der 1. Komp. des Res.-Reg. 119 zur Verstär-kung der 5./180
vorgeschickt, während der dritte für den Nachschub zu sorgen hatte. An ihren
Platz in der Hansastellung trat mit zwei Zügen Maschinengewehren die 10. Komp.
Res.-Reg. 119, die noch am Ostausgang von Grandcourt lag. Abends rückte auch
der dritte Zug der 1. Komp. auf die Feste Schwaben, so daß dort mit der 5./180
die ganze 1. und 9. Komp. eingesetzt war. Als Hauptmann Stapf abends tödlich
verwundet wurde, übernahm Oberleutnant d. R. Zettler den Befehl über die Feste.
Ohne Deckung, im zerschossenen Graben und in Granatlöchern verbrachten die
Truppen die kalte Nacht. Am Morgen des 30. September gingen sie zum Angriff vor.
Die 1. Kompagnie unter Leutnant d. Res. Hahn säuberte in hartnäckigen Kämpfen
ein Grabenstück von 280 Metern und vernichtete die eingedrungenen Engländer,
erlitt aber selber schwere Verluste. Heftig einsetzendes Sperrfeuer machte
ihrem Vordringen ein Ende, Die 9. Komp. stieß vom „Lachweg“ aus in den
„Auwärterweg“ ein und überwältigte die sich hartnäckig zur Wehr setzenden
Engländer. Aber beide Gruppen gerieten nun mit einem selber zum Angriff
schreitenden Gegner zusammen, der sie Schritt für Schritt wieder zurückdrängte.
Zum Unglück gingen ihnen auch noch die Handgranaten aus. Wohl rückte die 10.
Komp. gegen 10 Uhr zur Verstärkung nach. Aber nun setzte heftiges Trommelfeuer
ein, das einen neuen englischen Angriff vorbereitete. Die Verluste mehrten sich
in erschreckendem Maße, die meisten Führer waren gefallen oder verwundet. Nach
5 Uhr erfolgte ein starker englischer Vorstoß. Die 1. Komp. wurde frontal und
von der Seite gefaßt, schlug die Angreifer aber, sofern sie durch das deutsche
Sperrfeuer kamen, mit Gewehr- und Maschinengewehrfeuer zurück. Auch die 9.
Komp. erwehrte sich der Engländer im Sturmkampf mit Handgranaten. Aber von der Seite
her, wo sie durchgebrochen waren, kamen sie ihr in den Rücken, schnitten die
Reste, die noch kampffähig waren, ab und umzingelten sie. Maschinengewehre der
3. M.G.K., die ihr zugeteilt waren, wurden bald außer Gefecht gesetzt. Tapfer
nahm die Mannschaft unter ihrem Führer, Leutnant d. R. Buck, an dem Nahkampf
teil. Leutnant d. R. Oßwald fiel als letzter Offizier der Kompagnie, die
Mannschaften wurden vernichtet oder gefangen. Nur wenigen gelang es, in die Hansastellung,
wo die 2. Komp. lag, zurückzukommen. Auch ein Maschinengewehr wurde noch
gerettet. Den ganzen Abend gingen die Kämpfe auf der Schwabenfeste hin und her.
Gegen 10 Uhr war der Nordrand deutsch, den Hauptteil hielten die Engländer in
Händen.“
aus:
„Das Württembergische Reserve-Infanterie-Regiment Nr. 119 im Weltkrieg
1914–1918“, Stuttgart 1920
Bild: Hauptstaatsarchiv Stuttgart, Bestand M 708
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