Sonntag, 4. September 2016

4. September 1916


„Am 2. September arbeitete der Feind vor allem mit Fliegern an der Feststellung seiner bisher erreichten Vorteile und ließ uns so Zeit, unsere Stellung durch eifriges Schanzen zu stärken. Schon der nächste Tag belohnte unsere Mühe. Mit bisher von uns nicht gesehener Heftigkeit bereiteten Die Franzosen einen neuen Angriff vor. Schuß auf Schuß lag in unserer Stellung, unsere Munition geriet in  Brand, feindliche Flieger standen den ganzen Tag über uns, gleichzeitig riefen rote Leuchtkugeln zum Sperrfeuer. Am hellen Nachmittag trat der Feind tiefgestaffelt zum Angriff an, wir schossen mit höchster Feuergeschwindigkeit. Schon brachten wir die ersten Opfer. Ein Volltreffer am 2. Geschütz tötete die Gefreiten Hauser und Hahn, zwei liebe Kameraden, die mit uns ins Feld gezogen waren. Verwundete zurückgehende Infanteristen erzählten uns, daß der Feind zwar in die Stellungen eingedrungen, doch zum Stehen gebracht worden sei. Ob aber weiteren Angriffen gegenüber standgehalten werden könne, sei bei den schweren Verlusten fraglich. Unsere Protzen im Waldlager Manancourt wurden fürsorglich alarmiert und bei der Gouvernements-Ferme bereitgestellt. Der Feind kam aber trotz aller Versuche nicht weiter vor, auch seine Verluste waren zu schwer gewesen. Mit Einbruch der Dämmerung erschien die L. M. K.* zur Munitionsergänzung. Kaum war sie eingefahren, als feindliches Feuer zwischen uns schlug, die Fahrer Rau und Gößler und den Kanonier Maucher verwundete und einige Pferde tötete. Wir waren froh, als die Kolonne wieder in Sicherheit war. Das feindliche Feuer hielt in unverminderter Stärke die ganze Nacht an, wir streuten unsererseits das Vorgelände ab. Es graute der vierte Tag an der Somme, wohl der blutigste, den die Batterie dort erlebt hat. Waren wir bisher meist nur mit Streufeuer bedacht worden, so setzte jetzt eine planmäßige Bekämpfung unserer Artilleriestellungen ein. Nachmittags 3 Uhr erschien ein feindlicher Flieger über uns und gleichzeitig eröffneten mehrere Batterien mittleren Kalibers ihr Feuer auf uns. Gräßlich heulten die Geschosse heran und lagen nur zu gut im Ziel. Erst gab es wieder Brände in den Munitionsstapeln, doch es sollte noch schlimmer kommen. Ein Volltreffer zerstörte das 3. Geschütz vollkommen, mit ihm den größten Teil der Bedienung. Drei sturmerprobte Kameraden, Unteroffizier Käuffert, der Bruder des bei Becelaere gefal-lenen Feuerwerksleutnants Käuffert, Unteroffizier Krautter und Kanonier Giraud waren gefallen, Gefr. Schittenhelm, Kanonier Jehle verwundet. Kanonier Lambarth wurde beim Abtransport der Verwundeten selbst getroffen.
Weitere mit größter Kraft geführte Angriffe drangen in die Stellungen unserer Infanterie ein, trotzdem die Batterie mit den drei übrigen Geschützen Schnellfeuer vorlegte. Plötzlich wurde auch das 1. Geschütz getroffen, dabei fielen die Gefreiten Bleyhl und Kolb, die Unteroffizier Drück und Hehr und Kanonier Noe wurden verwundet. Durch das Vordringen des Feindes war indessen die Sperrfeuerentfernung so kurz geworden, daß wir aus der Stellung die Höhe vor uns nicht mehr überschießen konnten. Die beiden übriggebliebenen Geschütze wurden nun von den noch vorhandenen Offizieren und acht Mann in tollem Feuer auf die Höhe vorgeschoben, von wo aus wir bis spät in die Nacht den Feind unter direktes Feuer nahmen. Wir ermöglichten es der Infanterie damit, ihre Stellungen, die unhaltbar geworden waren, im Schutze unseres Feuers zu räumen, ohne daß der Feind nachdrängte. So waren unsere schweren Verluste und die fast übermensch-lichen Anstrengungen wenigstens nicht ganz vergeblich gewesen. Noch einen Tag und eine Nacht mußten wir in dieser Hölle aushalten, auch das 2. Geschütz wurde noch unbrauchbar, wobei Gefr. Sautter fiel.“

aus: „Das Württembergische Reserve-Feldartillerie-Regiment Nr. 54 im Weltkrieg 1914-1918“, Stuttgart 1929

*L. M. K.: Leichte Munitions-Kolonne

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