„Am 6. September um 3 Uhr morgens befahl die Division den Rückzug über die
Najarowka.
Nach diesem Befehl und den von der Abteilung Köller gegebenen
Zusatzbestimmungen hatte das Füsilier-Regiment 122 den Abmarsch der Division zu
decken und hierzu die Höhen dicht östlich Konkolniki zu besetzen. Diese
Verschiebung aus der während der Nacht gehaltenen Stellung in die neue
Nachhutstellung war äußerst schwierig.
Sie ist daher auch nicht gelungen, da die Zeit nicht mehr ausreichte. Daß
die Anordnungen der Abteilung v. Köller außerdem taktisch falsch waren und die
ganzen Rückzugsbewegungen zu einer Katastrophe gestaltet hätten, wenn die
Russen auch nur halbwegs energisch nachgedrängt wären, das ist Sache einer
kritischen Betrachtung, die nicht hierher gehört.
Das Füsilier-Regiment konnte gerade noch mit Teilen die neue befohlene
Nachhut-stellung nordöstlich Konkolniki erreichen in einem Augenblick, als die
Russen schon zum neuen Ansturm ansetzten. Rechts und links von den Füsilieren
waren keine Truppen. Schon um 6 Uhr mußte das Regiment seine Stellung räumen
und auf das Westufer des Bybelka-Baches zurückgehen, da beiden Flügeln im
Norden und im Süden eine Umfassung drohte. Die beiden dem Regiment zugeteilten
Batterien 3./Feldartillerie 259 und österreichische 2./36 hatten in
heldenmütigem Ausharren unter Führung des Hauptmanns Klamroth bis zum letzten
Augenblick geschossen und gingen dann westlich Konkolniki in Stellung. Als sie
die Brücke in Konkolniki passiert hatten, wurde sie von Pionieren gesprengt. Die
Schützen des Regiments überschritten beiderseits der Brückenstelle den seichten
Bachgrund und setzten sich im Westteil von Konkolniki am Bach entlang zu
erneutem Widerstand fest.
Von einer einheitlichen Führung war keine Rede mehr. In kleinen Trupps, wie
sie gerade ankamen, wies Oberstleutnant von Alberti an der Kirche von
Konkolniki die Abteilun-gen in die Gärten und Höfe auf dem Westufer des
Bybelka-Baches. Hier kamen ein paar Jäger, dort 129er, hier ein Kompanieführer
mit ein oder zwei Gefechtsordonnanzen, dort der Oberarzt d. R. Dr. Landerer mit
einer Gruppe durch die Wiesen des Bachgrundes zurück. Der Regimentspfarrer, die
Fernsprecher, ein paar Pioniere, die Meldereiter, alles half mit, die
Verteidigungsfront wieder einigermaßen herzustellen. Es gelang auch zunächst,
die Russen am Überschreiten des Bachgrundes zu verhindern.
Aber der Feind ging weiter rechts und links, da wo ihm niemand das
Vordringen verwehrte, über das Tal. Um 7 Uhr vormittags drohte dem Regiment
eine neue beider-seitige Umfassung, die zum weiteren Zurückweichen zwang.
Die Lage war verzweifelt. In Bolschowze steckten noch hunderte von
Fahrzeugen der über die Najarowka zurückmarschierenden Division. Die ganze
schwere Artillerie stand noch auf dem diesseitigen Ufer.
Als das Regiment auf den Höhen 90 Meter östlich Folw. Herbutow erneut Front
machte, war sich Oberstleutnant von Alberti darüber klar, daß es hier kein
weiteres Zurückgehen mehr gab, sondern hier das tapfere Häuflein eben nötigenfalls zu sterben wissen mußte.
Denn in das Najarowkatal, das noch voll von zurückmarschierenden Kolonnen war,
durfte der Russe keinesfalls hineinstoßen. Das hätte ein nicht abzusehendes
Unglück gegeben.
Aber merkwürdigerweise drängte die feindliche Infanterie jetzt nicht mehr
nach. das Regiment konnte sich in drei Abteilungen gliedern und sich regelrecht
auf den Höhen östlich der Najarowka zur Verteidigung eingraben. Links erschien
jetzt auch das Reserve-Jäger-Bataillon 15, so daß wenigstens die nördliche
Flanke von der Gefahr der Umfassung befreit war.
Die Füsiliere lagen dort oben auf der Höhe von Herbutow noch etwa eine
Stunde. Allmählich tauchten vor der Front dünne russische Schützenketten bei
Konkolniki auf. Da überbrachte um 9.20 Uhr vormittags Hauptmann von Bornhausen
den Divisions-befehl, daß die gesamte Division den Uferwechsel über die
Najarowka vollzogen hätte und das Regiment sich auf Kunaszow zurückzuziehen
habe.
Der Befehl zum Rückmarsch wurde gegeben. Ohne vom Feind nochmals bedrängt
zu werden, sammelte sich das Regiment bis 12 Uhr mittags im Dorf Kunaszow,
nördlich Bolscowze.
Jedoch zur Ruhe war die Zeit noch nicht gekommen. Das Westufer der
Najarowka war inzwischen von frischen Truppen besetzt worden. Sie reichten aber
nicht aus. Daher mußte die 105. Division östlich Kunaszow erneut eingesetzt
werden.
Nach einer mehrstündigen Rast erhielt das Füsilier-Regiment den Befehl, die
Höhe 250 südlich Kunaszow zu besetzen. links anschließend lag das Lehrregiment,
weiter nördlich war Infanterie-Regiment 129 gegenüber dem Dorf Herbutow bereits
wieder in Kämpfe mit den Russen verwickelt.
Der Feind war bis auf die Höhen, die das Regiment am Vormittag noch
gehalten hatte, gefolgt.“
aus:
„Das Füsilier-Regiment Kaiser Franz Joseph von Österreich, König von Ungarn (4.
württ.) Nr. 122 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1921
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