„In
der Nacht vom 12./13. November gelang es noch, die Verbindung zum
Nachbar-Regiment links herzustellen, das, vom Vulkan-Paß kommend, sich auf dem
Drumui Neamtului bis ins Susita-Tal durchgekämpft hatte. Vom Feinde wurde
nichts bemerkt. Die bis zur Kirche von West-Valarii vorgeschobenen Aufklärer
fanden auch dieses noch in den ersten Morgenstunden frei vom Feind. Nichts
deutete auf einen bevorstehenden Angriff hin. Noch um Mitternacht versammelte
der Kommandeur die Abteilungsführer, um mit ihnen alle Maßnahmen zu
hartnäckiger Verteidigung Valariis zu besprechen. Kaum hatte er sie wieder
entlassen, so kam von den im Morgengrauen nach Alexieni ausgesandten Aufklärern
die Meldung: Starker Feind in Gruppenkolonne von Süden auf der Straße von
Alexieni nach Curpenul. Kurz darauf fielen auch schon aus dieser Richtung die
ersten Schüsse. Beinahe gleichzeitig pfiffen von Westen her die ersten
Infanterie-Geschosse durch die Dorfstraßen, und wenige Minuten später tauchten
auch gegenüber der Mitte unserer Vorpostenstellung feindliche Schützen aus
einer Mulde auf. Sofort entspann sich ein lebhaftes Feuergefecht rings um die
Ränder von Curpenul. Dem Feind war es offenbar gelungen, im Schutze der Nacht
seine Truppen in den Mulden rings um Valarii zu konzentrischem Angriff
unbemerkt bereitzustellen. Um für alle Fälle gesichert zu sein, wurde sofort
angeordnet, daß zwei im Oberdorf in Reserve liegende Gebirgs-Kompagnien und
eine M. G.-Kompagnie eine Aufnahmestellung auf den beher-rschenden Hängen des
Lesului dicht nördlich des Dorfes beziehen sollten. Dorthin begab sich auch der
Stab. Wenn nicht durch die hin- und herwogenden Morgennebel das Gelände
teilweise verhüllt worden wäre, so hätte man von dort aus sogleich einen
vorzüglichen Überblick über das in einer sanften Mulde zwischen Obstgärten
gebettete Dorf und die umgebenden Hügelzüge gehabt. So konnte man zunächst nur
aus dem immer mehr sich steigernden und ausdehnenden Gefechtslärm erkennen, daß
der Gegner nicht nur das Bataillon, sondern auch die aus dem Vulkan- und Szurduk-Paß
hervorbrechenden deutschen Truppen angreife. Dem Geschützdonner nach mußte er
ganz außergewöhnlich starke Kräfte aufgeboten haben und einen entscheidenden
Schlag beabsichtigen. Während anfangs von den Vorposten-Kompagnien nur
spärliche Meldun-gen kamen, hielt später der mitten durchs Strichfeuer gezogene
Draht die Führung stets über den Gang des Gefechtes genau auf dem laufenden. Am
stärksten bedroht war zunächst die 4. Gebirgs-Komp. (Leutnant Wahrenberger) auf
dem rechten Flügel. Dieser hatte im Dunkel der Nacht den Anschluß ans Gebirge
nicht vollkommen gefunden, wodurch es dem Gegner gelang, sich zwischen ihn und
das Gebirge zu schieben und ihn von dort aus aufs härteste zu bedrängen. Durch
einen kühnen Gegenstoß suchte sich die 4. Luft zu machen, aber immer neue
Kräfte zog der Gegner in die Lücke und über-schüttete von dort aus den ganzen
rechten Flügel mit wohlgezieltem Flankenfeuer, so daß dieser große Gefahr lief,
eingedrückt zu werden. Erst als ein oben im Gebirge liegender Zug der 5.
Gebirgs-Kompagnie die Gefahr erkannte und auf eigene Faust einen tollkühnen
Vorstoß in Flanke und Rücken des Angreifers unternahm (Offiz.-Stellv. Schild),
begann das Zünglein der Waage sich wieder zu unseren Gunsten zu neigen. Mit Handgranaten
jagten die Tapferen den Feind unter schwersten Verlusten bis in seine
Ausgangsstellung zurück, so daß er auf diesem Flügel ein für allemal seine
Angriffslust einbüßte.
Während
so der rechte Flügel sich mit Mühe und Not der Übermacht erwehrte, hatte auch
der linke, Oberleutnant Rommel, mit 2. Gebirgs- und 2/3 3. M. G.-Komp.
(Albrecht) schwere Arbeit zu leisten. Im Schutze des Ufergebüsches und
zahlreicher Gartenmauern drang dort der Gegner entlang dem seichten Susita-Bach
bis an den Dorfeingang vor. Diesseits des Baches, der linken Grenze des
Gefechtssteifens des Bataillons, wurde er durch einen kräftigen Gegenstoß des
Oberleutnants Rommel so-gleich wieder hinausgejagt. Über dem Bach drüben dagegen
drückte er immer kräftiger vor; eine Kompagnie des Nachbar-Regiments konnte ihm
dort nicht mehr standhalten und mußte zurückgehen. Hierdurch verlor der linke
Flügel den unentbehrlichen An-schluß an die 41. Inf.-Division, das Württ.
Gebirgs-Bataillon war in Gefahr, von ihr abgedrängt zu werden. Auf den Hilferuf
des gefährdeten Flügels wurde daher die 6. Gebirgs-Komp. (Jung) über die Susita
hinüber den Nachbarn zu Hilfe geschickt. Diese riegelte die Einbruchstelle ab
und ermöglichte der Nachbar-Kompagnie, nach Eintref-fen von Verstärkung sich
wieder vorzuarbeiten. Hiermit war auch der linke Flügel des Bataillons wieder
gesichert.
Auch
gegen die Mitte, die 3. Gebirgs-Komp. und 1/3 2. M. G.-Komp. (Jaiser) unter
Oberleutnant Lieb richtete der weit stärkere Feind wütende Stöße. Allein er
hatte hier noch weniger Glück als auf den Flügeln. Jede der zahlreichen Wellen,
die er über die ebenen Mais-Äcker vortrieb, wurde durch unser Feuer
niedergemäht. Unsere Maschi-nengewehre hatten hier geradezu ideale
Wirkungsfelder. Es gelang ihnen, eine feind-liche Halbbatterie, die im Nebel bis
800 m herangefahren war, vollkommen zu erle-digen. Auch unsere
Gebirgs-Artillerie konnte, sobald die Schleier des Morgennebels gewichen waren,
vom Gipfel des Lesului aus höchst wirksam die Mulden unter Feuer nehmen, in
denen der Gegner sich zum Angriff bereitstellen oder versprengte Züge wieder
sammeln wollte. Dank ihrer gewaltig überhöhenden Aufstellung hatte sie und die
Abteilung Zickwolff in alle Falten des reich gegliederten Geländes vollkommenen
Einblick und eine ungewöhnlich große Schußweite. Die feindliche Artillerie,
obwohl der unsern an Zahl und Kaliber überlegen, vermochte doch uns keinen
großen Schaden zufügen und war bald durch unsere Maschinengewehre und Geschütze
außer Gefecht gesetzt.
Erst
in der Abenddämmerung erlosch das feindliche Feuer. Bald ging auch die
Gefechts-fühlung mit dem Gegner verloren, der sich nach Süden und Südwesten zurückzog.
Auch auf der übrigen Front kam der Kampf zum Schweigen. Bei schwindendem
Büchsenlicht meldeten unsere lichtstarken Fernrohre: Auf den Straßen bei Rugii
gehen feindliche Kolonnen im Verfolgungsfeuer unserer Artillerie zurück. Konnte
so der Erfolg des Tages auf der ganzen Linie als gesichert angesehen werden, so
stand doch keineswegs fest, ob der Gegner nicht am nächsten Morgen seine
Angriffe mit frischen Kräften er-neuern werde. An eine Ablösung war nicht zu
denken. Es mußte daher alles geschehen, um die stark ermüdete Truppe rasch
wieder auf die alte Höhe zu bringen. Es galt vor allem, die auf die Neige
gehende Munition zu ergänzen und das bitter entbehrte Brot herbeizuschaffen.
Die treue Ausdauer der Kolonnen bewältigte auch diese schwierige Aufgabe. Noch
in der Nach vom 13./14. November kletterte eine Tragtierkolonne mit 30 000
Schuß die Steilhänge des Lesului herab. Eine andere unter Leutnant Gulden holte
70 000 Schuß aus einer weit entfernten Ausgabestelle im Vulkan-Paß. Auch Brot
und Zwieback trafen in beschränkten Mengen ein. So konnte man frisch gestärkt
dem Morgen mit Zuversicht entgegensehen. Der erwartete Angriff kam jedoch
nicht; der Gegner war in der Nacht weit zurückgegangen.“
aus: „Die
Geschichte der Württembergischen Gebirgsschützen“ׅ, Stuttgart 1933
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