Über
die Verhältnisse in den Lazaretten im Hinterland der Somme-Schlacht berichtet
der württembergische Stabsarzt Dr. Koerber:
„Und
immer noch das rasende Trommelfeuer, das jetzt nur ab und zu Pause macht. Wie
schwierig ist da der Transport, wie lange müssen da die Sanitätsautos oft
warten, bis sie zu den Hauptverbandsplätzen vordringen können. Und wiederum das
Fortschaffen der Schwerverwundeten aus den vorderen Stellungen, aus der Hand
des Truppenarztes bis zum Hauptverbandplatz hin durch die zerschossenen und verschütteten
Gräben, oft über freies Feld unter dem Hagel von Granaten und Schrapnells! Wie
mancher Krankenträger zahlt seine von keinem andern als dem Kameraden oder dem
Verwundeten selbst beobachtete, kaum genannte Treue mit dem Leben! Da muß naturgemäß
mancher im Unterstand draußen liegen und harren. Die Truppenärzte, die kaum
Menschenmögliches leisten, und ihre Helfer, die Sanitätsunteroffiziere und
Krankenträger, können nur die Notverbände anlegen. Ein Tag und zwei Tage
vergehen, bis irgend eine örtliche Feuerpause das Fortschaffen ermöglicht. Da
ist manche Wunde, die bei sofortigem chirurgischen Eingriff wohl günstig
verlaufen sein könnte, in Brand und schwere Eiterung übergegangen. Da bleibt
uns Chirurgen, denen die nächsten 8 Tage einen nieversiegenden Strom
Schwerverwundeter zuleiten, oft nichts anderes mehr übrig, als die unrettbar
gewordenen Glieder abzusetzen. Dazu kommen die vielen, die an sich schon so
verstümmelt und abgerissen sind, daß von vorneherein kein anderer Weg als der
der Entfernung bleibt. Das ist eine schwere drückende Arbeit, technisch ja für
den Geübten eine Kleinigkeit gegenüber den großen Operationen, die man im
Frieden oder in den ruhigen Zeiten des Stellungskampfs mit allen Hilfsmitteln
der ärztlichen Kunst auszuüben gewohnt ist. Jetzt werden die Operationen für
die Zeit des ersten Massenan-drangs die Ausnahme, die bei zufällig günstigen
Transportverhältnissen möglich ist, die andern die Regel. Und das drückt und
lastet auf dem Gemüt. Der ganze Wahnsinn des uns aufgedrungenen Völkermordens tritt vor die
Seele. Man steht in einem Meer von Schmerzen, Verwüstungen blühender Körper,
von Blut Brand und Eiter.“
aus: „Schwäbisches Kriegstagbuch“, Stuttgart 1916
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen