„Die
Stellung wurde von rechts nach links mit1., 2., 3. und 4. Kompagnie besetzt.
Die Nacht über und am Vormittag des 4. ging das heftige feindliche
Artilleriefeuer gegen die vordere Linie weiter, verstärkte sich am Nachmittag
zusehends und hielt bis zum Abend mit größter Heftigkeit an. Auch das naßkalte
Wetter hielt an; zäher Schlamm bedeckte fußhoch den Boden. Die Stellung des
Regiments war allmählich zur Trichterstellung geworden, stellenweise waren die
Granattrichter durch flache Gräben verbunden. Das Gelände zwischen vorderer
Linie und Bereitschaft war vom Gegner einzusehen; denn Saillisel war nicht etwa
ein schmuckes Dorf, sondern seine Häuser waren zu Schotter zermahlen und die
Kirche von Sailly war nur durch einen großen Schutthaufen kenntlich, aus dem
ein verkohlter Balken wie ein Galgenarm herausragte. Verbindungs- und
Annäherungsgräben gab es nicht; ja sogar die Bildung sogenannter Trampelpfade
durch diese Trichterwüste wurde ängstlich vermieden, da sie dem Gegner nur
Finger-zeige gaben, um Befehlsstellen, Depots, Stützpunkte usw. zu erkennen und mit
seinem Feuer zu zermalmen. Der Verkehr von hinten nach vorne und umgekehrt war
also auf das äußerste erschwert. Fernsprechverbindung zwischen
Bataillonsgefechts-stand und vorderer Linie war wegen Abhörgefahr untersagt.
In
der Nacht zum 5. hielt die äußerst lebhafte Tätigkeit der feindlichen
Artillerie an. Auch auf den Riegelstellungen, auf Etricourt und Manancourt lag
dauernd schweres Feuer, und infolgedessen kam weder Material noch Munition,
Verpflegung oder Geträn-ke nach vorn. Erst gegen Morgen flaute es ein wenig ab,
um gegen 8 Uhr vormittags mit verdoppelter Wucht einzusetzen und bis Mittag
sich zu größtmöglicher Heftigkeit zu steigern. Feindliche Flieger kreisten in
geringer Höhe über der Stellung, leiteten das Zerstörungsschießen und
beteiligten sich mit ihren Maschinengewehren am Feuer auf die Grabenbesatzung.
Durch eigene Luftbeobachtung wurden starke feindliche Kolon-nen im Anmarsch auf
Sailly und Massierung feindlicher Kavallerie bei Combles gemeldet. Auf den gegenüberliegenden
Brustwehren tauchten einzelne Franzosen in voller Ausrüstung auf. Was im Graben
nicht tot, verwundet oder verschüttet war, machte sich gefechtsbereit.
Bereitschaften und Reserven wurden alarmiert und hielten sich zum Eingreifen
bereit. Sie brauchten nicht lange zu warten. Um die Mittagsstunde griff der
Franzose an; auf irgendwelchen Widerstand schien er nicht mehr zu rechnen. In
dichten Kolonnen, Schritt für Schritt gemächlich durch Schlamm und Trichter
watend, näherte er sich den deutschen Gräben.
Über
den Verlauf des sich nun entspinnenden Kampfes unterrichtet im Rahmen des
Regiments wohl am besten ein unmittelbar nach den Ereignissen
niedergeschriebener Gefechtsbericht des Hauptmanns Tobias, Kommandeur des I.
Bataillons, der hier ohne jede Änderung wiedergegeben wird:
„Um
12. mittags erfolgte der Angriff der Franzosen. Das Ergebnis war folgendes: Bei
der 1. Kompagnie, die durch das feindliche Artilleriefeuer weniger gelitten
hatte, wurden die Franzosen durch Gewehrfeuer und Handgranatenkampf in ihre
Gräben zurückgetrieben. Ein Nachdrängen war nicht möglich, da der feindliche
Graben mit Reserven und Maschinengewehren stark besetzt war.
Die
Stellung der 2. Kompagnie, sowie rechter Flügel und Mitte der 3. Kompagnie, war
durch das feindliche Wirkungsschießen vollständig eingeebnet worden; der
überraschende Angriff der Franzosen traf fast nur noch Verwundete, Verschüttete
und durch das stundenlange Trommelfeuer Betäubte und gelangte etwa 200 m über
die zerschossene Stellung hinaus. Teile der 2. Kompagnie waren zur Vermei-dung
unnötiger Verluste während des Trommelfeuers vom Kompagnieführer in die
Stellung der 1. Kompagnie genommen worden. Diese rückten bei der Abwehr des
französischen Angriffs auf die Front der 1. Kompagnie mit, und verhinderten –
den Graben am linken Flügel der 1. Kompagnie abdämmend – durch Hand-granaten und
Gewehrfeuer das weitere Vordringen des Gegners im Graben und gegen Saillisel;
auch wurde sofort mit Besetzten einer neuen Abriegelungsstellung südlich der
Kirche am Ortsrand begonnen.
Bei
der 4. Kompagnie und dem linken Flügel der 3. wurde der Angriff noch
rechtzeitig erkannt und sowohl durch Infanterie- als auch durch
Maschinen-gewehrfeuer glatt abgewiesen. Gegen die Franzosen, die bei der 2. und
3. Kom-pagnie durchgebrochen waren, wurde die Rückseite des vom feindlichen
Feuer etwas mehr verschont gebliebenen Grabens der 4. Kompagnie besetzt und
durch wirksames Flanken- und Rückenfeuer ein weiteres Vorgehen verhindert. Der
bis jetzt noch gehaltene linke Flügel der 3. Kompagnie wurde aufgegeben und der
Graben am rechten Flügel der 4. Kompagnie abgesperrt.
Zur
Abriegelung der Durchbruchstelle wurde 3.45 Uhr nachmittags den in R 1
befindlichen Kompagnien (6. und 7.) befohlen, am Westrand von Saillisel eine
neue Stellung zu beziehen und mit 1. und 4. Kompagnie Verbindung aufzuneh-men.
Infolge des eigenen Artilleriefeuers, das um diese Zeit gegen Saillisel, sowie
auf das Gelände zwischen R 1 und das Dorf gerichtet wurde, kamen nur wenige
Gruppen der 6. und einige Leute der 7. Kompagnie nach vorne, die unter Führung
des Leutnants d. R. Hege die befohlene Stellung erreichten.
Zur
Verlängerung der Abriegelungsstellung südlich der Kirche wurde die inzwi-schen
zur Verfügung gestellte, ebenfalls stark geschwächte 8. Kompagnie, sowie einige
Leute der 5. Kompagnie eingesetzt.
Gegen
1 Uhr morgens am 6. November wurde die 4. Kompagnie, die in ihrer alten
Stellung Gefahr lief, abgeschnitten zu werden, zur unmittelbaren Verbindung
zwischen 6. Kompagnie und Inf.-Regt. 172 zurückgenommen. Nachdem am 6. November
vormittags sich die feindliche Artillerie mittels ihrer Flieger auf die neuen
Linien eingeschossen hatte, begann um 12 Uhr mittags das Trommelfeuer von neuem
und dauerte bis 5 Uhr nachmittags, zu welcher Zeit erneut Angriffe der
französischen Infanterie gegen die ganze Stellung des Bataillons erfolgten. Sie
wurden jedoch sämtlich mühelos zurückgewiesen, desgleichen auch Einzelan-griffe,
die während der Nacht mit schwächeren Kräften unternommen wurden.“
aus:
„Das 8. Württembergische Infanterie-Regiment Nr. 126 „Großherzog Friedrich von
Baden“ im Weltkrieg 1914-1918ׅ, Stuttgart 1929
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