„Bei
aller Arbeit zur Rüstung auf neuen Kampf wurde nicht vergessen, Vorbereitungen
zu treffen zur feierlichen Begehung des Weihnachtsfestes, das vor der Tür
stand, und das die Batterien und Kolonnen diesmal in Ruhe zu feiern dürfen
hofften. Wie freute sich z. B. Hauptmann Mößner, seinen Zivilberuf als
Architekt bestätigen zu können und den Plan zur Ausschmückung des „Festsaals“
zu entwerfen. Neue Talente wurden ent-deckt, die die Ideen verwirklichten; das
Programm fertiggestellt. Da – am 23. Dezember Alarm, und am heiligen Abend
rollte das Regiment von Valenciennes ab, tadellos verladen, zu neuen Kämpfen
bereit. Am selben Abend wurde bei Charleville die Kolon-ne Mößner von einem
entsetzlichen Eisenbahnunfall betroffen, welcher 9 Kameraden das Leben kostete,
und 21, zum Teil schwer, verletzte; einer der Schwerverletzten, der Gefr.
Beutter, folgte nach wenigen Tagen seinem tödlich verunglückten Bruder, dem
immer arbeitsfreudigen, und um das Wohl der Pferde besorgten Unteroffizier und
Fahnenschmied Beutter im Tode nach, kurz nachdem ihm der Regimentskommandeur
noch durch eine wohlverdiente Auszeichnung eine letzte Freude bereitet hatte.
Da die meisten Chargen vom Hauptmann abwärts, der, wie sein Leutnant Hagelauer,
mit Schä-delbruch von der Unfallstätte getragen wurde, ausgefallen waren,
rollte der Rest der Kolonne weiter unter Führung des Sergeanten Weidner, der
sie beim Regiment meldete.
Das
tragische Geschick der Kolonne beleuchtet vortrefflich die Ansprache des
Feld-oberpfarrers Göns bei der Beerdigung der Todesopfer auf dem Friedhof in
Charleville, die hier festgehalten werden soll:
„Mit
tiefbewegtem Herzen haben wir uns an der Särgen dieser unserer Kameraden, alles
Söhne des schwäbischen Landes, versammelt. Zwar sind wir daran gewöhnt worden,
Männer zur Ruhe zu betten, Krieg und Tod stehen hart nebeneinander, und doch
ist es hier nicht das feindliche Geschoß, nicht die blanke Waffe, die dieses
Sterbens Ursache gewesen ist, sondern ein schwerer, plötzlicher Unfall.
Gerade
hatten wir unser Weihnachtsfest gefeiert, und de letzten Lichter waren am
Niederbrennen, ein Weihnachtsfest, so arm, wie es äußerlich sein mochte, doch
reich durch unsere Liebe, die wir uns gegenseitig gaben, und durch das Andenken
an die Lieben daheim. Nur diesen hier und ihren Kameraden war die schöne Feier
in diesem Jahre vorenthalten gewesen.
Von
der Somme her trug sie das Dampfroß auf einen anderen Kampfplatz zu neuen
Taten. Hier vor dem Tore wartete ihr Zug, und wohl in wehmütiger Träumerei
gedachten sie der Ihren daheim. Da geschah das Entsetzliche, daß ein eilender
Fernzug heranbrauste und sich den Wartenden in den Rücken stürzte. Ein Ruck,
ein Knall, ein Zersplittern, und das Schreckliche war geschehen. In den
zerschmetterten Wagen, inmitten verbogener Eisenträger, seufzten und ächzten
die Verwundeten, andere vergos-sen sterbend ihr Herzblut. Ein schauerliches Bild,
wie von jenem Hügel her der Scheinwerfer sein magisches Licht warf, ein
Weihnachtsstern, der nicht wie in der Heiligen Nacht das liebliche Bild der
Geburt, sondern das erschreckende Bild des Sterbens beleuchtete.
Einem
verendenden Drachen gleich spie die zerbrochene Maschine ihre letzten
Rauch-wolken aus. Schnell war Hilfe gegenwärtig, die Beamten eilten, die Ärzte
kamen, die Brüder des Roten Kreuzes dienten, und man befreite die Verwundeten
und brachte sie in schneller Fahrt zu ihren bereitgehaltenen Betten. Aber alle
Kunst und alle Fürsorge hat dem Sterben nicht wehren könne, und ihrer acht
haben ihr junges Leben verloren. Denkt euch den Schrecken, der sie selbst
erfüllte, denkt euch die Trauer, die jetzt durch die ganze schwäbische Heimat
vom Neckar bis zum Bodensee geht. Zur selben Stunde, wo man dort, im Augenblick
wenigstens den Geliebten geborgen meinte und ein stilles Weihnachtsfest beging,
da legte sich die harte Hand des Todes auf die, die sie lieben. Wie manche
Mutter hat die Verstorbenen in diesen Tagen, als sie die Namen hörte, bei ihren
Namen gerufen und aus liebendem Herzen wohl hinzugesetzt: Du bist mein Sohn!
oder andere: Du bist mein Vater, mein Bruder! Eine herzerschütternde Klage! Wer
sollte dort nicht mitleiden und mitweinen, wo so viele Tränen sind. Aber eine
Stunde, wie die gegenwärtige, wo wir unter dem Einfluß des Wortes Gottes
stehen, soll uns nicht weich, sondern stark machen.““
aus:
„Das Württembergische Feld-Artillerie-Regiment Nr. 116 im Weltkrieg“, Stuttgart
1921
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