„Immer
unhaltbarer wurden die Zustände vorn in der Infanteriestellung, je mehr der
Winter voranschritt. Das ausgebaute Grabensystem mit Unterständen und Stollen,
von denen die Zeitungen berichteten, war in der Phantasie des
Kriegsberichterstatters einge-graben, der in Cambrai am warmen Kamin von den
Erlebnissen im Schützengraben träumte. Geschah’s doch noch im neuen Jahr, daß
ein paar Essenträger sich verirrten und zu den Engländern hinübergerieten. Die
steckten dann am andern Tag ein Schild heraus: „Hie kann warmes Essen gefaßt
werden!“ Nein, die Front war lediglich geschützt durch den Dreck. Davon wußten
auch die artilleristischen Beobachter zu erzählen, die vorn in ihren
Schokoladentrichtern saßen und warteten, ob nicht einmal die Wasser sich
ver-liefen. Und wie einst Noah ließen auch sie ihre Tauben fliegen, Brieftauben,
denn ein Draht führte nicht in diese Schlammwüste und Blinkgeräte gehörten noch
dem Fabel-reich an.
Wie
aber, wenn einmal der Winter die Breimasse zu hartem Boden erstarren ließ? In
lang vorausschauender Arbeit ward darum mit dem Bau einer Winterstellung
begonnen, die im Januar bezogen wurde. So waren die armen Teufel wenigstens in
Schützengräben mit notdürftigen Unterständen untergebracht; den bodenlosen
Morast freilich nahmen sie an ihren Stiefelsohlen auch in die neue Stellung
mit.
Langsam
glitt die Schlacht in den reinen Stellungskampf hinüber. Im Wechsel wurden
Batterien und Abteilungen in Ruhe zurückgezogen nach Villers Pluich („Villers
Blech“), Metz en Couture (sprich „Metzakur“) und ins Bois de Havrincourt, wo
sich die Protzen fast der ganzen Artillerie ein mächtiges Waldlager schufen.
Die Axt klang durch den Forst. Der französische Eigentümer des Waldes bot
Millionen dafür, wenn man ihm den Wald stehen lasse. Was halfen uns die
Millionen? Wir mußten Menschen und Tiere durch den Winter retten. So fielen die
zweihundertjährigen Eichbäume, verwandelten sich in Baracken oder versanken im
Schlamm als Knüppeldämme und Laufstege, auf denen man fortan trockenen Fußes
vom Stall zur Küche und zu unnennbaren Örtern wandeln konnte.“
aus:
„Das 4. Württ. Feldartillerie-Reg. Nr. 65 im Weltkrieg“, Stuttgart 1925
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