„Die Lage war am Morgen des 5. Mais, nachdem auch in dieser
Nacht wiederum ein Vorstoß auf Bullecourt abgeschlagen war, die gleiche wie am
4. abends: der Gegner, der seit dem ersten Angriffsmorgen ebenfalls neue
Truppen herangebracht hatte, saß in der alten Ausdehnung im Divisionsabschnitt
drin, links und rechts eingefaßt von den Resten der Regimenter 123 und 124, vor
sich zu beiden Seiten der Wegspinne Lehr I. R. und R. I. R. 98.
Ein neuer Versuch zu Wiedergewinnung der verlorenen Stellung wurde
am 5. nicht mehr gemacht; vielmehr ging von der Brigade um 10.40 Uhr vormittags
der Befehl ein, keine weiteren Kräfte zum Angriff mehr einzusetzen und die
Stellung abzuriegeln. Zur Fortsetzung der Kämpfe hätte die Kraft unserer Leute,
die nun seit über 48 Stunden ununterbrochen fortgekämpft hatten, auch nicht
mehr ausgereicht und ähnlich ging es der Divisionsartillerie, die ebensolang
andauernd im Sperr- und Vernichtungsfeuer lag. Es war daher ein Glück, daß auch
der Gegner eine Atempause benötigte und am 5. nicht mehr angriff. Nur das
Artilleriefeuer wollte nicht verstummen und dieser letzte Tag von Bullecourt
riß nochmals schwere Lücken in die zusammengeschmolzenen Reihen. Einer der
schmerzlichsten Verluste war die schwere Verwundung des tapferen Führers der 8.
Kompagnie, Leutnant Eisele, der einen Granatsplitter im Unterleib von seinem
treuen Burschen geborgen wurde, aber einige Tage darauf seinen Wunden erliegen
mußte. Nicht zuletzt ihm war es zu danken, daß es dem Gegner auf dem linken
Flügel nicht gelungen war, seinen ersten Einbruch wesentlich zu erweitern, und
daß das Regiment, als die Truppen des 1. und 2. Kampfgrabens in der Nacht zum
6. Mai herausgezogen wurden, ¾ seines Abschnitts unversehrt dem Nachfolger, I.
Bataillon R. I. R. 98, übergeben konnte.
Bei langsam einschlummerndem Feuer, in schöner Mondnacht schieden
die Trümmer des Regiments aus den zerschossenen Stellungen. Wieder war edles
Blut geflossen, wieder blieben die Besten auf blutiger Wahlstatt gefallen auf
dem Schlachtfeld zurück. Aber Bullecourt, der Kampfpreis, war deutsch geblieben
und wahrhafte Helden waren alle, die in wilder Infanterieschlacht mit Bajonett
und Handgranate dem Gegner den Eintritt in seine Trümmer verwehrt hatten. 7
Angriffe hatte allein die 1. Kompagnie abgeschlagen und 4 Tanks, 7 Lewisgewehre
und 63 Gefangene waren ihre Beute in 3tägigem Kampf. Unabsehbar lagen als Folge
des heldenmütigen Widerstandes tote Engländer vor der Front oder hingen in den
Drahtverhauen von den Maschinenge-wehren niedergemäht. Der Führer der 1.
Kompagnie zählte allein vor seinem Abschnitt 829 tote Engländer, ein
Unteroffizier 817. Aber auch die Verluste der Deutschen waren sehr schwer,
wenngleich sie die englische Riesenziffer nicht erreichten. 704 Grenadiere,
unter ihnen 17 Offiziere, verzeichnet die Verlustliste des Grenadierregiments
aus den Kämpfen um Bullecourt – d. i. die Hälfte derer, die dort im Feuer
gestanden waren.“
aus: „Die
Ulmer Grenadiere an der Westfront“, Stuttgart 1920
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