„Um
4 Uhr morgens sprengte der Engländer im ganzen Wytschaetebogen deutsche
Frontstücke in die Luft, darunter auch die von unserem II. Batl. besetzte Höhe
60. Die Sprengung dieser Höhe, die den Großangriff der Engländer und damit die
erste Flandernschlacht einleitete, überstieg sowohl in bezug auf die Menge des
dafür verwendeten Materials als auch in ihrer Auswirkung alles von Menschen
bisher für möglich Gehaltene. Über den Verlauf dieser für das Regt. 413 so
schweren und denkwürdigen Stunden lasse ich einige Kameraden ihre Erlebnisse
schildern und bringe als Erstes den Bericht des Kommandeurs des I. Batls.,
unseres inzwischen leider verstorbenen Hauptmann Most:
Am
5. Juni, 12 Uhr mittags, gab ich den Kompagnieführern an Ort und Stelle die
Befehle für ihr Verhalten, falls der Engländer die Höhe 59 und 60 und die
benachbarten Abschnitte überrennen sollte, und zwar: 2. Komp, Leutnant Merz,
ein besonders energischer und tüchtiger Offizier (Später gefallen), verbleibt
in breiter Front in 2. Stellung. 1. Komp., Oberleutnant Freih. v. Wächter,
umsichtig und vorsichtig wie immer (später gefallen), dem die Reste der 3.
Komp. mit dem bewährten Leutnant Schmid (Albert) unterstellt waren, tritt zum
Gegenstoß links der Bahn an. Richtung Fasanerie – Ehaweg. 4. Komp., Oberleutnant
Pichler (später gefallen), besetzt zunächst Knüppel-dammstellung und macht den
Gegenstoß rechts der Bahn, Richtung M. G. 7 und rechts des Sachsenwegs. Das
Feuer der englischen Artillerie steigerte sich am 6. Juni zum Orkan schwerster
und schwerer Kaliber auf dem ganzen Regimentsabschnitt, insbesondere gegen
Knüppeldammstellung, Bahndamm und Fasanerie, K. T. K., 2. Stellung und B. T.
K., die Sprengwolken standen etwa eine halbe Stunde so hoch, daß jede
Sehverbindung ausgeschlossen war. Es war uns ein Rätsel, wie sich in diesem
wahnsinnigen Eisenhagel der Ordonnanzoffizier des Bataillons, Leutnant
Schmandt, die hervorragenden, schon hundertfach bewährten Gefechtsläufer:
Unteroffizier Koch, Gefr. Schwarz usw. in Erfüllung ihrer schweren Pflicht noch
bewegen konnten, um die Verbindung mit dem K. T. K., Major v. Legl, dem
Kommandeur des II. Batl./413 (später gefallen) und den Kompagnien herzustellen.
Mit
Einbruch der Dunkelheit wurde das Bahngelände vom Knüppeldamm bis zur 2.
Stellung vollkommen vergast. Etwa zwei Stunden lag das Bataillon unter Gas! Auf
der 1. Stellung lag außerdem anhaltendes Kugelminenfeuer, abwechselnd mit
heftigen Artilleriefeuerüberfällen leichter und mittlerer Kaliber. In der Nacht
zum 7. Juni waren unsere Patrouillen im Vorgelände, ohne einen auffallenden
Verkehr oder sonstige Anzeichen des nahe bevorstehenden englischen Sturmes
festzustellen. In der Abend-dämmerung des 6. Juni hatte das Feuer nachgelassen,
bis zum frühesten Morgen herrschte dann vollkommene Ruhe. Am 7. Juni 1917, 4 Uhr,
erfolgten gleichzeitig rechts und links der Bahn auf Höhe 60 und 59 gewaltige
Sprengungen, die bis weit ins Hintergelände erdbebenartige Erschütterungen
verursachten. Eine ungeheure Rauch- und Staubwolke war über der Höhe sichtbar,
grelle Blitze zuckten. Gleichzeitig setzte ein unerhörtes Trommelfeuer auf die
2. Stellung, den B. T. K. und die Verbindungs-gräben nach vor- und rückwärts
ein. Die Hölle war auf uns losgelassen, die Erde bebte, rauchte und schien zu
bersten. Zwei schwere Volltreffer nacheinander auf unseren Betonklotz brachten
klaffende Risse und schienen ihn umzustürzen. Mancher Unterstand wurde aus den
Fugen gehoben und umgestürzt oder in Trümmer geschlagen. Mit den Erdmassen
wurden Menschenleiber, M. G. und Minenwerfer in die Luft geworfen, Bäume
zerschmettert und mit den Wurzeln herumgewirbelt; nun schoß der Gegner Gas,
schnell die Masken auf, der jüngste Tag schien angebrochen! Schmerzens-schreie!
Links von uns dasselbe Bild. Abwehrschlacht!
Auf
der Höhe 60 und 59 waren durch die Sprengung der größte Teil des II. Batl. und
meine Besatzungen der Stützpunkte „Dohle“ und „Falke“ erledigt, zum Teil im
brodelnden Boden mit der Waffe in der Hand versunken! Auch hatte ich allen
Grund, um die auf die Höhe entsandten Essenträger meines Bataillons, die auch
das Bataillon v. Legl zu verpflegen hatten, besorgt zu sein. Gleich nach der
Sprengung wurden im Regimentsabschnitt und in den Nachbarabschnitten links, wo
ebenfalls gesprengt und angegriffen wurde, gelbe und rote Leuchtkugeln
beobachtet und weitergegeben. Das angeforderte Vernichtungsfeuer und Sperrfeuer
setzte ein. Wir legten die Orientier-ungstücher für Infanterieflieger aus. Der
Engländer hatte diesen Angriff seiner kanadischen Truppen gut vorbereitet.
Seine Minengänge hatte er in den Berg in jahrelanger Arbeit, wie auch wir,
getrieben. Diesmal war er uns zuvorgekommen und sprengte, ehe wir seine Kammern
quetschen konnten, was uns sonst immer gelang. Die Bataillone, die auf Höhe 60
und 59 in Stellung waren, atmeten bei der Ablösung stets auf, wenn sie von dem
„Pulverfaß“ herunterkamen. Englische Ingenieure aus Wales minierten gegen uns!
Um 4.30 Uhr vormittags erhielt die 4. und 1. Komp. von mir den Befehl zum
Gegenstoß, da uns bekannt war, daß der Engländer angreift, wenn er sprengt; die
3. Komp. hatte durch die Beschießung außerordentlich gelitten.
Schon
gegen 5 Uhr war erkannt, daß der Kanadier die Höhen 59 und 60 überschritten
hatte und in dichten Schützenlinien mit folgenden Kolonnen gegen den
Knüppeldamm vorging. Er hatte im Augenblick der großen Sprengung seine Gräben
verlassen und saß auf der Höhe 59/60, ehe unsere betäubten und erschütterten
Kompagnien und Stützpunktbesatzungen, sich den Staub aus Augen, Mund und Nase
entfernend, zur Gegenwehr schreiten konnten. Diese hinter sich lassend, folgte
er seiner fortschrei-tenden, alles zermalmenden Feuerwalze Richtung Knüppeldamm,
um auch die 2. Stellung zu durchbrechen. Die entsetzten Trümmer der gesprengten
Verteidiger warfen sich in prächtigem Schwung den Kanadiern entgegen und
verhinderten trotz starker feindlicher Beschießung und erheblicher Schwächung
durch die Verluste der Vortage und am Morgen deren weiteres Vordringen rechts
und links der Bahn. Der B. T. K. lag unter schwerstem Feuer. Ich rechnete mit
der Katastrophe in diesem engen, Mitten im Gelände freistehenden, weißen
Betonklotz, den der Engländer mit Granaten, Schrap-nellen und Gas eindeckte. Um
6.45 Uhr wurde beobachtet, daß die Engländer in dichten Scharen von der
Saubucht gegen den Danielstützpunkt vorgehen, also meine rechte Flanke
angriffen.
Die
2. Komp., unter den tapferen Leutnants Merz und Frhr. Kreß v. Kressenstein,
bisher dicht vor mir im Graben ohne Unterstände im schwersten Feuer ohne
Deckung, wurde sofort zum Gegenstoß angesetzt. Sie erreichte den Knüppeldamm,
um, da nur noch 4 Gruppen stark, sich hier vorzulegen.
Um
diese Zeit waren vom II. Batl. nur noch Reste vorhanden. Auch mein I. Batl. war
bedrohlich zusammengeschmolzen. Die Essenträger, in das Chaos auf der Höhe
hineingerissen, waren tot oder gefangen. Sofort nach der Sprengung wurden die
zwei Ruhekompagnien des III./413 in Tenbrielen alarmiert und eilten, heftig von
Fliegern beschossen, in die 3. Stellung zu den beiden andern Kompagnien des
Bataillons.
Ich
erbat nunmehr vom Regiment Unterstützung. Die 9. und 10. Komp. trafen etwa um 7
Uhr vormittags bei mir ein und besetzten die 2. Stellung, die nunmehr vorderste
Linie geworden war und den Engländersturm aufhalten mußte. Da die Kompagnie des
III. Batl. durch vorhergehende schwere Kampftage ebenfalls sehr schwach waren,
bat ich um 8.50 Uhr vormittags in Anbetracht der eingetretenen, überaus ernsten
Lage die 407. Inf.-Brigade – Oberst Breyer – (1918 durch Fliegerbombe gefallen)
dringend um weitere Unterstützung. Um diese Zeit war die Lage wie folgt
festgestellt:
Der
englische Angriff war durch den Gegenstoß der 1., 3. und 4. Komp. zum Stehen
gebracht; das neue, planmäßige Einschießen auf unsere jetzige vordere Linie –
2. Stellung – mit großen Kalibern, die vielen englischen Flieger in nur
geringer Höhe, lassen eine Fortsetzung des englischen Angriffs als sicher
annehmen. Vom Danielstütz-punkt aus droht Gefahr. Neue Gefahr links der
Bahnlinie, wo Kanalkofferbesatzung zurückging.
Gegen
9 Uhr vormittags wurde der Kanalkoffer vom Regt. 61 wieder besetzt, der
Engländer war dort stehengeblieben, vom Bahndamm von Teilen der 1. Kompagnie
413 mit M. G. niedergehalten. Die Stellung Knüppeldamm – Bahnwurde dadurch noch
gehalten, während der Engländer die Höhen 59/60 und die Stützpunkte „Dohle“,
„Sperber“ und „Falke“ genommen hatte. Rechts des Bahndamms war der Engländer
be-drohlich vorgekommen, wurde aber von Teilen der Kompagnien v. Wächter und
Albert Schmid angehalten. Er saß bereits im Sanitätsunterstand beim Stützpunkt
„Geier“.
Um
10.30 Uhr ungefähr traf der Kommandeur des II./413, Major v. Legl, bei uns ein,
um mitzuteilen, daß sein Bataillon wahrscheinlich tot, verwundet oder gefangen
sei. Sein Adjutant, Leutnant Wendler, kämpfe bei der 1. Komp. am Bahndamm. 2.
Komp. war vor übermächtigem feindlichen Druck in 2. Stellung gegangen. Kurz
danach traf die von mir von Oberst Breyer erbetene Unterstützung ein. Es war
eine Kompagnie unseres Schwesterregiments, die 5./414, die der
Bataillonskommandeur, Hauptmann, Schmidt, frisch und forsch über die Höhe
hinter uns im Schrapnellfeuer zu uns vorführte, ein erfreulicher Anblick in
dieser schweren, verantwortungsvollen Stunde! Die Leute waren prachtvoll! Um 11
Uhr konnte ich dem Regiment melden: „Reste von 2. und 4. Komp. im vorderen
Graben, von 1. und 3. Komp., die am Bahndamm kämpfen, nichts Neues. Teile des
Inf.-Regt. 414 mit 9. und 10./413 ebenfalls dicht vor mir in der Stellung.
Gegner zögert mit Angriff und gräbt sich ein. Lage bei Danielstützpunkt
unsicher und bedrohlich.“
Mein
Adjutant, Leutnant Scheer, hielt dauernd vor dem rechten Flügel im Feuer aus,
um jede Gefahr rechtzeitig melden zu können, der brave und beliebte Leutnant
Schmandt war soeben in Ausführung eines Befehls am Unterstand tödlich durch
Kopfschuß verwundet worden, wie auch bald darauf der oft bewährte und
heldenmütige Gefreite Kübler durch Granatschuß in den Leib.
In
dieser Besetzung, mit dem nunmehrigen neuen K. T. K. mitten in der vordersten
Linie, erhielt das Bataillon dauernd schwersten Beschuß, der, da keine
bombensicheren Unterstände vorhanden waren, große Verluste herbeiführen mußte.
Nur wenige Meter vor uns stand die verlassene Batterie von Res.-Feldart.-Regt.
7, die außerdem noch das Feuer anzog und bei der ersten Gelegenheit geborgen
werden mußte. Die Lage war zwar sehr ernst, doch war die Zuversicht der Truppe
groß, nachdem der Engländer durch unsere Gegenstöße und M. G.-Wirkung stehen
geblieben war und zum Heranschaffen seiner Artillerie Zeit brauchte, die uns
zum Ordnen der Verbände und Neugruppierung von größtem Wert war. Durch kommt er
nicht, das stand für jeden von uns fest, wenn auch sein Vorteil, die
dominierende Höhe 59/60 errungen zu haben, von nicht zu unterschätzendem Ernst
für uns war.
Durchhalten!
4
Uhr nachmittags Befehl der Brigade Breyer:
„Bahndamm
und jetzige vordere Linie (ehemalige 2. Stellung) ist unter allen Umständen zu halten.
Ihr linker Flügel hat mit allen Mitteln Anschluß an das Inf.-Regt. 61 zu
suchen. Gegenstoß von uns unterbleibt. Im linken Nebenabschnitt erfolgt
Gegen-angriff.“
Die
beiden letzten Kompagnien des III./413, seither Brigade-Reserve, nunmehr dem
Regiment zur Verfügung gestellt, wurden mir bei der ungeklärten Lage und der
Gefahr eines überraschenden Angriffs bei Nacht oder im Morgengrauen noch
unterstellt und trafen 9.30 Uhr abends in der vorderen Linie ein, ebenfalls auf
Befehl der Brigade die 2. Komp. des Füs.-Regts. 38 um 1 Uhr vormittags, die an
und hinter meinem rechten Flügel zur Sicherung gegen den Danielstützpunkt und
Umgegend verwendet werden. Auch war die 6. und 7./414 zur Unterstützung im
Kampfgraben eingetroffen.
Für
die vielen Truppen war naturgemäß im vorderen Graben kein Platz, zudem waren
die Verluste durch Artilleriefeuer bei Tag furchtbar gewesen. So wurden alsbald
starke Stoßtrupps unter energischen Führern hinter der vordersten Linie in
„Freifeldplätzen“ untergebracht und versteckt, außerdem eine Reserve hinter der
Mitte ausgeschieden.
So
konnten wir, zum äußersten entschlossen, dem Kommenden entgegensehen und
dankbar gedenke ich jedes einzelnen Mitkämpfers aus jenen Tagen.“
aus:
„Das Württembergische Infanterie-Regiment Nr. 413 im Weltkrieg 1916-1918“,
Stuttgart 1936
An diesem Tag wurde mein Grossvater Hermann Sigle, auch 1. Maschinengewehr-Kompagnie beim Württembergischen Infanterieregiment 413, beim Angriff überrollt und im Stützpunkt F gefangen genommen.
AntwortenLöschenungefähre Lage des Stützpunkt F:
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Er überlebte den Krieg und kam im November 1919 aus der engl. Gefangenschaft heim.
Hier hab ich die Infos rund um diesen Angriff und die Gefangennahme veröffentlicht:
AntwortenLöschenhttp://grossheppach.de/hermann_sigle/index.php?wiwk