„Die Stellung wird immer besser ausgebaut, sie wird immer
stärker und widerstands-fähiger. Immer mehr wirkt sich der von der obersten
Heeresleitung kommende neue Geist aus. Hat man früher nicht genug Leute in den
vordersten Graben stecken können, so wird dies unter dem Eindruck des
Trommelfeuers nun ganz anders. Die Abwehrkräfte werden jetzt recht tief
gegliedert, überall im Zwischengelände, an Punkten mit gutem Schußfeld werden
gut versteckte Maschinengewehrnester angelegt, im vordersten Graben werden nur
noch ganz schwache Kräfte gelassen. Es bietet sich so am ehesten Aussicht, die
Verluste durch das feindliche Vorbereitungsfeuer auf ein Mindestmaß zu
beschränken, und trotzdem oder noch eher den feindlichen Angriff zum Stillstand
zu bringen. Der erste Graben geht bei einem Großangriff in der Regel sowieso
verloren, das ist auch nicht weiter schlimm. Schlimm und unnötig dagegen sind
die großen Ver-luste, die das Trommelfeuer im vordersten Graben, der ja doch
ziemlich bald eingeebnet ist, fordert, höchst unnötig sind sie, denn sie nützen
gar nichts. In dem Augenblick, wo man die Leute braucht, sind sie doch nicht
mehr da, sind sie aufgerieben. So muß die seitherige Starrheit der
Abwehrschlacht einer gewissen Beweglichkeit Platz machen.
In den Gräben ist es bei dem jetzt
allmählich warmen, trockenen Wetter sehr angenehm. Mit Behagen läßt man sich
von der Sonne bescheinen. Bei Neu-Essen ist ein Bach gestaut, die dort
liegenden Kompagnien können sich so an einem Freibad erfrischen. In Sargdeckeln
werden dabei Kahnfahrten gemacht. Die Stimmung ist glänzend. Nur ein Schatten
ist vorhanden: Der Winter 1916/17 ist als Kohlrübenwinter bekannt. Werden die
Köche auch noch so sehr instruiert: Rüben bleiben eben Rüben. „Ulanenhäcksel
oder Drahtverhau“, „Drahtverhau oder Ulanenhäcksel“ und „Blauer Heinrich“
werden zum täglichen Essen, auf dem man vergebens nach Fettaugen sucht. Wenn
wenigstens die Brotrationen größer wären! Viel Kreide gibt’s und wenig Brot!
Vor dem Feinde sind dauernd Patrouillen.
Es gelingt ihnen aber mit dem besten Willen nicht, einen Gefangenen
einzubringen, trotzdem sie manchmal bis zum 3. und 4. feind-lichen Graben
vordringen. Der Franzose hat seine vordersten Gräben verlassen und sie ganz
unheimlich verdrahtet. Es stehen nur noch einige Sappenposten vorn, die durch
ein derart dichtes und tiefes Drahthindernis gesichert sind, daß man einfach nicht
unbemerkt beikommen kann. Jedes Granatloch ist mit Schnelldraht gefüllt, im
ganzen Zwischen-gelände, zwischen den einzelnen feindlichen Gräben ist Draht,
Draht und wieder Draht. Ein mühseliges Beginnen, sich da durchzuarbeiten.
Langsam, mühselig, unter Beach-tung der größten Vorsicht, um ja kein Geräusch zu
machen, pirscht man sich heran, frißt man sich mit der Drahtschere durch diese
verfluchten Hindernisse. Die Geduld darf man dabei nicht verlieren, auch nicht
die Nerven. Plötzlich von allen Seiten eine gemeine Knallerei, Gewehrgranaten
krachen! Und jetzt kannst einpacken, der Franzose hat etwas bemerkt. Wie ein
geölter Blitz fährt man in das nächste Granatloch und hängt schon wieder in
diesem ekligen Stacheldraht, den man nun erst recht verwünscht. Hose und Rock
gehen in Fetzen, von den Händen und vom Gesicht läuft das Blut.
Im allgemeinen ist die Stellung ruhig. Ab
und zu legt allerdings der Franzose auf ein-zelne Abschnitte Granat- und
Minenfeuer, die Antwort bleiben wir ihm nicht schuldig.“
aus:
„Ehrenbuch des württembergischen Reserve-Infanterie-Regiments Nr. 248“,
Stuttgart 1932
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